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Titel:
Im All schwebt ein künstliches Gebiss
Thema: Kultur
Ort: Hundwil (Karte anzeigen)
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Datum: --.--.1979
Masse: 40 x 40 cm
Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, Pa Signer A-05B-05-08-A
Urheber/-in: Infra Steffs Red Devil Band
Beschreibung:
Die Mitglieder der «Red Devil Band», die an der Produktion der ersten Langspielplatte von Stefan «Infra Steff» Signer beteiligt waren, gehörten bei Erscheinen der Platte teilweise bereits nicht mehr zu Infra Steff’s Crew. In den ausgehenden 1970er Jahren sorgte Signer teilweise mit mehreren parallelen Bands und experimenteller wie provokativer Musik für Furore in der Ostschweizer Musiklandschaft.
Geschichte:
Einer der auffälligsten Musiker der Schweizer Rock-Geschichte stammt aus dem Appenzellerland: Stefan Signer, 1951 in Hundwil geboren, heute in Herisau wohnhaft, hat mit seinem Hang zu abenteuerlichen Stilmixturen und multimedialen Inszenierungen regionale Musikgeschichte geschrieben. Die 1979 publizierte Langspielplatte von «Infra Steff’s Red Devil Band», deren Hüllenvorderseite hier abgebildet ist, markiert einen Höhepunkt in Signers Schaffen.
«Gas Station» ist ein Konzeptalbum. Cover, Songtexte und Kompositionen bilden eine Einheit. Das titelgebende rockige Hauptthema «Gas Station Main Theme» wird mit einer Instrumental- und einer A-cappella-Version variiert. Zum Plattenvertrag kam es dank einer Einladung des Musikproduzenten und Studiobesitzers Bruno Spoerri, der als Saxophonist selbst zu den bedeutendsten Schweizer Jazzmusikern und im Bereich der elektronischen Musik zu den Pionieren gehörte. Zuvor hatte Stefan Signer 1977 und 1978 mit seinen Bands zweimal in Folge den Wettbewerb des Jazz- und Rockfestivals Augst gewonnen, in dessen Jury Spoerri mitwirkte.
Die aufklappbare Plattenhülle wurde vom Gitarristen und Bandmitglied Pierre Bendel gestaltet. Die Innenseite zeigt einen Planeten im Weltraum mit einer Tankstelle, an der eine Handzahnbürste aufgetankt wird. Im All schwebt ein künstliches Gebiss und scheint den Planeten anzuknabbern. Die Tankstelle stellt für Signer eine Ikone des amerikanischen Traums und Albtraums von Freiheit und unbegrenzter Mobilität dar. Das Thema wird er später wieder aufgreifen und entdeckt dann auch Edward Hoppers berühmtes Gemälde «Gas Station».
Stefan Signer verglich seine Arbeitsweise gerne mit jener eines Opern-Komponisten. Jeder Einordnung als Rock- oder Popmusiker entzog er sich, bei Interpretationen und Beschreibungen seiner Musik strebte er stets nach grösstmöglicher Unklarheit. Wenn man verstanden und deshalb beklatscht werde, hielt er fest, handle es sich fast immer um ein Missverständnis oder eine kommerziell motivierte Suggestion. Lieber führte er das Publikum bewusst in die Irre. Wie Bendels Plattenumschlag enthalten Signers Texte und Kompositionen zahlreiche schwer deutbare Anspielungen auf Arbeiten anderer Künstler.
Ähnlich operierte auch Frank Zappa (1940–1993). Der amerikanische Rockmusiker war für Signer die wohl wichtigste Inspirationsquelle. Wie Zappa entwickelte Signer eine Vorliebe für die Verbindung von Rockmusik mit gänzlich anderen Stilen, von der Volksmusik bis zur sogenannten «Neuen Musik». Wie Zappa verehrte auch Signer den Komponisten Edgar Varèse (1883–1965).
Ferner bezog Signer auch aus dem 1970 publizierten Buch «Do it!» von Jerry Rubin (1938–1994) Anregungen. Der amerikanische Politaktivist bezeichnete sich als «Waise Amerikas» und propagierte den Ausstieg «aus der Weissen Rasse und der amerikanischen Nation». Einen besonderen Einfluss auf einzelne Band-Mitglieder übte der amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut (1922–2007) aus. Humor, glaubte Vonnegut, sei eine «fast physiologische Reaktion auf Angst».
Das ist ein Schlüsselsatz zum Verständnis vieler neo-dadaistisch anmutender Werke der Rock-Kultur. Nonsense, Sarkasmus, Ironie und schwarzer Humor waren Mittel des Widerstands gegen den Vietnamkrieg, die Kriegsgefahr und die als repressiv und lebensfeindlich verstandene kapitalistische Konsumkultur. Dass man zugleich Teil von ihr war, war Stefan Signer früh bewusst geworden.
Autor: Hanspeter Spörri, Teufen
Literatur:
Quellen:
KBAR, Pa Signer A-05B (darunter: Pa Signer A-05B-05-08-A, LP «Gas Station», Gold Records 11068, Zürich 1978f.).
Literatur:
Rubin, Jerry: Do it! Scenarios für die Revolution. Reinbeck bei Hamburg 1971; Steff Signers Welt. URL: www.steffsigner.ch (06.12.2012); Vonnegut, Kurt: Mann ohne Land. München 2006.
Tags:
Hundwil, Musik, Schallplatte, Plattencover, Rockband, Stefan Signer
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