Zeitzeugnisse

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Appenzeller Geschichten in Wort und Bild

«Zeitzeugnisse» entstand 2013 zum 500. Jahrestag der Aufnahme des Standes Appenzell in die Eidgenossenschaft.
Wir laden Sie ein, in der Appenzeller Geschichte zu stöbern oder ganz gezielt nach Themen, Orten oder Jahren zu suchen.

Lassen Sie sich inspirieren! Tauchen Sie ein in die Geschichte der beiden Kantone im Nordosten der Schweiz!

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Pfaffenstreich in Oberegg  

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Titel:

Pfaffenstreich in Oberegg

Beschreibung:

Achtseitiger Bericht eines unbekannten Autors zum „Pfaffenstreich zu Oberegg, in Innerrhoden“, verfasst 1829. Aus dem Appenzellischen Monatsblatt besonders abgedruckt.

Althauptmann Dr.Sebastian Sonderegger aus Oberegg wurde im Jahr 1825 durch den Pfarrer Johann Baptist Liebherr eigenmächtig exkommuniziert, da Sonderegger an Fasttagen Fleisch gegessen und dies mit den Worten kommentiert hatte, das Verbot des Fleischessens an bestimmten Tagen sei von den Pfarrern diktiert worden. Der Wochenrat zu Appenzell machte diesen Entscheid in Anerkennung Sondereggers als rechtschaffenen Bürgers wieder rückgängig.

Im Herbst 1827 wurde Sonderegger erneut von Pfarrer Liebherr aufgesucht und musste Stellung zu seinem Glauben beziehen. Sonderegger bekannte sich zur Lehre Jesu Christi; auf die Frage, ob er alles glaube, was die römisch-katholische Kirche sage, erwiderte dieser, dass er alles glaube, was mit Gottes Wort und Evangelium bewiesen werden könne, mehr aber nicht. Das Kommunizieren (zum Abendmahl gehen, die Kommunion empfangen) im Sinne Jesu Christi unterstützte er, das Beichten lehnte er dagegen vollends ab.

1829 erkrankte Sonderegger schliesslich so schwer, dass ihm der Arzt riet den Pfarrer zur letzten Beichte zu rufen. Sonderegger liess den Pfarrer tatsächlich rufen, allerdings nur in Privatkleidung. Im Gespräch mit ihm wiederholte er nochmals alles, was er schon im Herbst 1827 gesagt hatte; eine letzte Beichte verweigerte er aber. Zuletzt drohte ihm der Pfarrer, dass er nach seinem Tod keinen Platz im „Gottesacker“ erhalten würde.
Kurz darauf starb Sonderegger und Pfarrer Liebherr weigerte sich Sonderegger nach den Gebräuchen der katholischen Kirche zu begraben. Landammann Eugster zu Appenzell wollte sich nicht einmischen, auch dann nicht, als bei ihm Protest eingelegt wurde. Seiner Meinung nach hätten nur die Geistlichen über solche Angelegenheiten zu verfügen. Der bischöfliche Kommissar, Pfarrer Weishaupt zu Appenzell, ersuchte Pfarrer Liebherr nachzugeben. Dieser wiederum meinte, er könne Sonderegger in der Stille begraben, also ohne Glockengeläut; falls sie sich ansonsten an den Bischof von Thur wendeten, würde sich schon zeigen, wer im Recht sei.
Die Verwandten von Sonderegger wandten sich in der Folge mit der Bitte an den regierenden Hauptmann der reformierten Gemeinde Trogen, den Verstorbenen auf dem Trogener Friedhof aufzunehmen. Dieser versammelte sogleich sämtliche Ortsvorsteher und alle zusammen waren sich einig den verstorbenen Sonderegger auf dem Trogner Friedhof zu beerdigen, da er wegen seiner Rechtschaffenheit sehr anerkannt gewesen war. Da Sonderegger ein Innerrhödler war, befanden die Trogner, sollte noch eine Voranzeige an ein Standeshaupt gemacht werden. Während alle nötigen Vorbereitung zur Beerdigung in Trogen getroffen wurde, redete Pfarrer Liebherr den Verwandten dieses Vorhaben jedoch wieder aus.
Als sich einige Leute aus Trogen zum Leichentransport einfanden, waren keine Träger da und die Verwandten waren zuerst nicht bereit dem Leichenzug zu folgen. Schliesslich machten sie sich dann doch auf den Weg und mit der Zeit wurde der Zug auch immer grösser. Bei der Kirche in Oberegg dann die nächste unschöne Szene: Die Kirchentür war verschlossen und weit und breit kein Messmer in Sicht. Beinahe kam es zum Streit über die Beerdigung Sondereggers, der für die einen ein braver Mann war und für die andern ein „Erzkätzer“. Der Pfarrer zeigte sich vorerst uneinsichtig, später wurde er aber zur Vernunft gebracht, indem ihn ein Bauer an eine alte Geschichte erinnerte, bei der der Pfarrer selbst einmal Schutz gebraucht hatte.

Die Geschichte des Pfaffenstreichs aus dem Innerrhodischen Oberegg diente als Vorlage für Meinrad Inglins "Geschichte eines Schirmflickers" und Xavier Kollers Verfilmung "Das gefrorene Herz".

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