Zeitzeugnisse

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Titel:

Appenzeller Heimatfilm und Landi-Geist

Thema: Kultur

Ort: Appenzell    (Karte anzeigen)

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Datum: 11.10.1941

Masse: 29,7 x 21 cm

Standort: Museum Appenzell, Obj.-Nr. 9406

Urheber/-in: Sphinx Film AG, Zürich

Beschreibung:

Werbeschrift für den Spielfilm «I ha en Schatz gha» der Zürcher Sphinx Film AG, welcher 1941 im St. Galler Kino Scala Uraufführung feierte. Der Streifen des St. Galler Regisseurs Ernst Biller spielt an Original-Schauplätzen in Appenzell Innerrhoden und zeigt in der Hauptrolle die populäre, am Hirschberg aufgewachsene Marie Sutter «Enze Marie».
 

Geschichte:

Am 11. Oktober 1941 feierte der Schweizer Spielfilm «I ha en Schatz gha» im St. Galler Kino Scala am Hechtplatz Uraufführung. Gleichzeitig fand in der Stadt die erste ostschweizerische landwirtschaftliche Ausstellung statt, aus der 1943 die Olma hervorging. Die Ausstellung war ein grosser Erfolg und die Besucher drängten in hellen Scharen in die Kinoräume. In der Atmosphäre des Landi-Geistes vermochte der Heimatfilm trotz seiner platten Handlung zu begeistern. National erntete er jedoch mässigen Erfolg und wird in der Gegenwart kaum mehr gezeigt. Regisseur Ernst Biller erlitt ein tragisches Ende.

In der Hauptrolle der Bauerntochter Marie war die in Appenzell am Hirschberg aufgewachsene Sängerin und Schauspielerin Marie Sutter «Enze Marie» (1916–1996) zu sehen, die schon in ihrer Jugend durch ihr Talent fürs Singen und Theaterspielen aufgefallen war. Zusammen mit ihrer Schwester Ottilie (1918–2001) und weiteren Familienmitgliedern spielte sie ab 1934 in zahlreichen volkstümlichen Theaterstücken und Festspielen mit, die teilweise nationale Beachtung fanden. 1935 durfte sie gar mit einem Partner nach London reisen, um im Hitchcock-Thriller «Der Geheimagent» den Innerrhoder Paartanz «Hierig» aufzuführen. Bis zu ihrer Heirat 1944 galt sie gleichsam als Aushängeschild der Appenzeller Folklore. Selbst General Guisan vermochte sie im Oktober 1940 bei seinem Besuch in Appenzell zu begeistern. Landesweiten Ruhm ernteten die Geschwister Sutter durch das von Restoni Räss (1893–1972) verfasste Festspiel «Mer sönd halt Appezeller», das am Appenzellertag der Landesausstellung 1939 in Zürich zur Aufführung kam. Der Besucheransturm war so gross, dass die Ausstellungspforten zeitweise geschlossen werden mussten und sich die Ausstellungsleitung spontan entschloss, drei weitere Aufführungen anzusetzen.

Ernst Biller (*1904), der Leiter der Landi-Festhütte, kam in der Folge auf die Idee, einen Spielfilm zu lancieren, der das Appenzellerland in den Mittelpunkt der Handlung stellte. Die Schauspielrollen sollten wiederum mit den Geschwistern Sutter und weiteren Laiendarstellern besetzt werden. Die kleine Zürcher Filmgesellschaft Sphinx AG, welche neue Wege im Schweizer Heimatfilm suchte, übernahm die Produktion. Regie führte Ernst Biller selbst, assistiert von Johann Mock (1891–1972), dem Leiter der Heemetschutz-Bühne Appezöll. Idee der Produktionsfirma war, regionenbezogene Spielfilme mit ethnographischem Wert zu erstellen. Da Billers Unbedarftheit aber noch grösser war als sein Idealismus, blieb das Werk auf dem Niveau einer etwas billigen Posse stecken. Inhaltlich handelt es sich um einen Heimatfilm der leichten Art, der im Stil eines Musicals von Gesangs- und Tanzszenen unterbrochen wird. Er erzählt die Geschichte eines charmanten Amerikaners, der auf einer Ferienreise die holpernde Liebesbeziehung zwischen einer attraktiven Innerrhoderin und ihrem linkischen Liebhaber einrenkt. Nachdem sich der Film ausserhalb der Ostschweiz nicht durchsetzte, versuchte sich Biller 1942/43 in weiteren Regie- und Produktionsabenteuern. Unter anderem fügte er bestehende Aufnahmen des in Einsiedeln aufgeführten «Grossen Welttheaters» in einen weltlichen Handlungsrahmen ein. Die Produktion des Films unter dem Titel «Machtrausch» verschlang 120 000 Franken, wurde jedoch nur zwei Wochen nach der Premiere abgesetzt. Nach dem Krieg setzte sich Biller nach Frankreich ab und soll unbestätigten Quellen zufolge in Nizza als mittelloser Landstreicher verstorben sein. Nicht einmal sein Todesdatum ist bekannt.

Autor: Stephan Heuscher, Appenzell

Literatur:

Appenzeller Volksfreund Nr. 56 (09.04.1997).

Dumont, Hervé: Geschichte des Schweizer Films. Spielfilme 1896–1965. Lausanne 1987, S. 278f. und 341f.

Knopf, Barbara: Marie Sutter (1916–1996). Kempten b. Wetzikon [s.d.].

 

Tags:

Appenzell, Kino, Geistige Landesverteidigung, Plakat, Werbeschrift, Heimatfilm

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