Bild
Titel:
Der Schottensepp
Thema: Wirtschaft
Ort: Gais (Karte anzeigen)
zeitzeugnisse auf einer grösseren Karte anzeigen
Datum: --.--.1784
Masse: 24,3 x 17 cm
Standort: Museum Appenzell, Obj.-Nr. 21767
Urheber/-in: Matthias Pfenninger, Zürich
Beschreibung:
Der kolorierte Kupferstich von 1784 von Matthias Pfenninger (1739-1813) zeigt das «Bildnis des bekanten Schottenseps aus Geis im Canton Appenzell» neben seiner Molkentanse in einem schlichten Gasthaus-Nebenraum. Gekleidet in einfacher Sennentracht lehnt sich der vom langen Marsch müde Schottenträger an den mit Käse, Brot und Trinkglas belegten Tisch und schmacht geniesserisch eine Pfeife.
Geschichte:
Im 18. Jahrhundert nahm der Tourismus mit den Molkenkuren im Appenzellerland einen spürbaren Aufschwung. Dazu berichtete der Chronist Gabriel Walser im Jahre 1740 für das Gontenbad: «Man kann sich da zugleich der Sennen- und Geiss-Schotten, so aus denen nächst gelegenen Alpen warm hergebracht wird, mit Nutzen bedienen.» Wenig später kamen die Gaiser Molkenkuren auf. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Schottenträger, zu denen auch Anton Josef Inauen (1725–1791), genannt «Schottensepp», gehörte. Während der Alpzeit brachte er jeweils in der Frühe die frische Molke von der Alp «Oberer Mesmer» nach Gais.
Dieser Schottenträger wurde in Brülisau geboren und dürfte als Landwirt auf dem Rossberg zu Hause gewesen sein. Mit seiner Ehefrau Anna Maria Neff hatte Inauen zwölf Kinder. Während der Sommerzeit arbeitete er als Senn auf dem «Oberen Mesmer», oberhalb des Seealpsees. Hier molk er jeweils gegen Abend die Ziegen und verarbeitete die Milch zu Käse. Die Molke oder Schotte genannte Flüssigkeit, die bei der Käseherstellung nach der Entrahmung der Milch und der Entfernung des Eiweisses zurückbleibt, leerte er in eine hölzerne Tanse und hüllte diese mit wollenen Tüchern ein. Zwischen zwei und drei Uhr morgens verliess er die Alp und traf um sechs Uhr mit der noch warmen Molke in Gais ein. Wegen wachsender Nachfrage lieferten auch Sennen von der Ebenalp und Meglisalp die Ziegenmolke nach Gais.
Bei der Ankunft des «Schottensepp» versammelten sich die Kurgäste auf ein Glockenzeichen hin beim «Ochsen», dem späteren «Falken», und nahmen die Molke als Heilmittel gegen verschiedenste Gebresten zu sich. Während des Tages genossen sie die Ruhe und Erholung, unternahmen kleinere Spaziergänge und schätzten die gute Verpflegung. Ab 1800 kamen noch mehr schweizerische und ausländische Kurgäste nach Gais, wo sie in mehreren Gasthäusern oder privat logierten. Während Gais in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den führenden Luft- und Molkenkurorten zählte, verlor es nach 1860 an Bedeutung. Es bekam die Konkurrenz der Molkenkurorte im In- und Ausland zu spüren, aber auch die kritische Hinterfragung der Molkenkuren. Nach der Jahrhundertwende konnte sich in Ausserrhoden nur noch Heiden als Molkenkurort bis 1913 behaupten.
Während Jahrzehnten bis in die 1780er-Jahre hatte vorwiegend der «Schottensepp» Gais mit der begehrten Molke versorgt. Der erfolgreiche Aufschwung von Gais als Kurort bestärkte ihn in der Idee, auch im Weissbad Molkenkuren einzuführen. Sohn Karl Jakob (1755–1811) realisierte 1790 diesen Plan und gründete die Molkenkuranstalt Weissbad. Das neue Kurhaus entwickelte sich unter dem Enkel des «Schottensepp», Ignaz Johann Anton Inauen (1794–1864), zum grössten innerrhodischen Hotelunternehmen und beherbergte in der Blütezeit bis 400 Gäste aus ganz Europa. Die vornehme Gesellschaft genoss die «reine» Höhenluft, befolgte das vorgegebene Ernährungs- und Badeprogramm und unterhielt sich an den Wochenenden bei heimischen Musikklängen von Hackbrett und Geige. Nach der Jahrhundertwende und vor allem mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges verloren auch die innerrhodischen Bade- und Molkenkurorte Weissbad, Kaubad, Gontenbad und Jakobsbad an Bedeutung.
Autor: Josef Küng, Appenzell
Literatur:
Quellen:
Heim, Johann Heinrich: Die Heilkräfte der Alpenziegen-Molken und der Molkenkurort Gais. Zürich 1844.
Kronfels, Friedrich Karl von: Gais, Weisbad und die Molkenkuren im Canton Appenzell. Konstanz 1826.
Walser, Gabriel: Neue Appenzeller Chronick, oder, Beschreibung des Cantons Appenzell der Innern- und Aussern-Rooden vorstellende so wohl des Lands natürliche Beschaffenheit, der Einwohnern Ursprung, Sitten, Gewerbe und einem Anhang der vornehmsten Instrumenten, Diplomatum, Bündnissen, Friedensschlüssen etc. Tl 1 und 2. St. Gallen 1740.
Literatur:
Appenzeller Geschichtsblätter 7 (1945), Nr. 22f.
Bischofberger, Hermann: Bewegte Weissbadgeschichte. Geschichte der Kurstätte Weissbad. [S.l.] [1997] (Schriftenreihe Hof Weissbad, 1).
Glarner, Hannes: De Schottesepp. Eine philosophisch-kulinarische Reise durchs Appenzellerland. Weissbad 2011.
Inauen, Josef: Innerrhoder Alpkataster. Die Alpwirtschaft in Appenzell I.Rh. mit einem Beschrieb der einzelnen Alpen und Alprechte. Appenzell 2004 (Innerrhoder Schriften, Bd. 12).
Rusch, Gerold: Das historische Gewand des Appenzeller Volks. Die Appenzeller Tracht in der Druckgrafik der kleinen Meister. Rorschach 1990, S. 66–68.
Schläpfer, Walter: Wirtschaftsgeschichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden bis 1939. Gais 1984, S. 208–212.
Weishaupt, Achilles. Rechsteiner, Karl: Geschichte der Gemeinde Gais. Gais 2002, S. 225–231.
Tags:
Gais, Kurort, Schwende, Tourismus, Weissbad, Molke, Rüte, Alpwirtschaft, Kupferstich
Ähnliche Themen:
Tourismus Schwende Gais Rüte Kurort Alpwirtschaft Weissbad Molke Kupferstich