Zeitzeugnisse

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Titel:

Von Bank zu Bank

Thema: Politik

Ort: Appenzell Ausserrhoden    (Karte anzeigen)

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Datum: --.09.1996

Masse: 9,8 x 15,8 cm

Standort: Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, D.038

Urheber/-in: Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank und Schweizerische Bankgesellschaft

Beschreibung:

Infoflyer der Appenzell-Ausserrhodischen Kantonalbank und der Schweizerischen Bankgesellschaft vom September 1996. Der Faltprospekt mit den Logos beider Banken zeigt die Integrationsschritte von April 1996 bis Januar 1997 auf.
 

Geschichte:

Die Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank (ARKB) wurde 1996 an die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) verkauft, nachdem sie wegen Devisenspekulationen und ihrer Immobilien- und Kreditpolitik in Schieflage geraten war. Der Verkauf steht exemplarisch für die damaligen Privatisierungsbestrebungen.

Mit der Gründung von Kantonalbanken lösten sich die Radikalen im 19. Jahrhundert von der Finanzaristokratie des Ancien Régime. Die auf das jeweilige Kantonsgebiet ausgerichteten Staatsbanken sollten das Gemeinwohl vor die Gewinnorientierung stellen. Sie brachten damit ein neues Staatsverständnis zum Ausdruck. Zu den wesentlichen Aufgaben der Kantonalbanken zählten die Unterstützung der kantonalen Wirtschaft mit günstigen Krediten, die Organisation des Hypothekarmarkts sowie die Förderung des Sparens. Die ARKB nahm am 1. Januar 1877 ihre Geschäftstätigkeit auf.
Grosse Bedeutung erlangten die Kantonalbanken im Hypothekargeschäft. Vor dem 2. Weltkrieg betreuten sie mehr als die Hälfte der Darlehen, und 1999 betrug ihr Anteil noch einen Drittel. Die wirtschaftliche Rezession und die Immobilienkrise trafen die Kantonalbanken in den 1990er-Jahren schwer. Hinzu kamen Konzentrationsprozesse im Bankensektor sowie ein neoliberales Staatsverständnis: Die Überlebenschancen der Kantonalbanken wurden bezweifelt und Privatisierungen forciert. Das galt beispielhaft für die ARKB.

Die Kantonalbank geriet ab 1985 in Schieflage. Bis ins Jahr 1993 summierten sich die Verluste auf 160 Millionen Franken. Gedeckt wurden sie mit der Auflösung von Reserven sowie mit Krediten des Kantons. Der Bankdirektor Samuel  Hunziker trat 1992 zurück. 1993 löste der Unternehmensberater Hans-Rudolf Merz Regierungsrat Hanswalter Schmid als Bankpräsidenten ab. An der Landsgemeinde 1994 wurde eine Teilprivatisierung beschlossen. Merz skizzierte die Idee einer «regionalen Universalbank».
Am 21. Dezember 1995 kam es zum Paukenschlag: Aufgrund des schlechten Halbjahresergebnisses wurde die ARKB für 180 Millionen Franken an die SBG, die heutige UBS, verkauft. Eine Lösung mit anderen Kantonalbanken, so Merz an der Pressekonferenz, sei aus zeitlichen und juristischen Gründen nicht möglich gewesen. Finanzdirektorin Marianne Kleiner betonte, es sei nicht die Aufgabe eines Kantons, eine Bank zu führen. Der Verkauf wurde an der Landsgemeinde 1996 bestätigt und die Bevölkerung unter anderem mit dem Prospekt «Der Weg der ARKB in die SGB» über die weiteren Schritte informiert: Hatte die ARKB in allen Gemeinden eine Filiale betrieben, hielt die SBG nur die Standorte Herisau, Teufen und Heiden aufrecht.

Zum Fall ARKB entstanden zwei Rechtsgutachten. Anwalt Peter Nobel stellte fest, sie sei wie eine «Art von Casino» geführt worden, es liege ein «Systemversagen von Bank und Kontrolle» vor. Francis Cagianut, Jost Gross und Reto Mengiardi urteilten, der Regierungsrat habe seine Aufsichtspflicht vernachlässigt. Der Kantonsrat verzichtete auf Schadenersatzklagen. Eine politische Abrechnung erfolgte an der Landsgemeinde 1997, als statt des offiziellen FDP-Kandidaten Hans Höhener nach einer orchestrierten Kampagne Hans-Rudolf Merz zum Ständerat gewählt wurde. Mit dem Verkauf der Kantonalbank, dem Besitzerwechsel der Appenzeller Zeitung und der Abschaffung der Landsgemeinde verlor Appenzell Ausserrhoden innert Jahresfrist drei identitätsstiftende Institutionen.

Autor: Kaspar Surber, St. Gallen

Literatur:

Quellen:
StAAR, D.006-08 Kantonskanzlei, ARKB-Dokumentation 1980–1997.

StAAR, D.038 Finanzdirektion, ARKB-Verkauf 1995–1997; StAAR, Pa.043 ARKB-Präsidialakten H.-R. Merz (nicht zugänglich).

Literatur:
Alder, Hans: Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank. Die geschichtliche Entwicklung. Herisau 1977.

Froidevaux, Yves: Kantonalbanken. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS). Version 09.10.2008. URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D14065.php (28.10.2012).

Bieri, René. Strebel, Hanspeter: Dossier ARKB. In: Appenzeller Zeitung (25.04.2006–24.06.2006).

Reichen, Philippe: Härte, Herz und Humor. Hans-Rudolf Merz – Eine Biographie. Herisau 2012.

 

Tags:

Broschüre, Finanzen, Bank, Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank, Schweizerische Bankgesellschaft

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