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Titel:

Eine Hexe sollst Du nicht am Leben lassen

Thema: Politik

Ort: Herisau    (Karte anzeigen)

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Datum: 05.05.1689

Masse: 19,5 x 15,7 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App b 1337

Urheber/-in: Johannes Zollikofer

Beschreibung:

Die Predigt des Seelsorgers Johannes Zollikofer über die «misera lamiarum sors», das elende Schicksal von Unholdinnen, füllte am 5. Mai 1689 die Kirche Herisau. Sie ist ein Zusammenzug aus der 1100-seitigen «Magiologia», der «Christliche[n] Warnung für dem Aberglauben und Zauberey», von Bartholomäus Anhorn d.J., gedruckt 1674 in Basel. Anhorn war 1635-37 Pfarrer in Hundwil.
 

Geschichte:

Es gibt sie bis heute, die Angst vor Zauberei und Hexerei. Die letzten Personen, die in Appenzell Ausserrhoden den Verfolgungen zum Opfer fielen, starben in Trogen in den Jahren 1689 und 1690. Mit dem Todesurteil über ein geistig behindertes Büblein nahm die Blutbannserie gegen Hexer und Hexen in Appenzell 1691 ihr Ende. Die «christliche Warnungs-Predig» des Herisauer Pfarrherren Johannes Zollikofer im Umfeld von vier Hexentötungen zeigt, wie selbst Theologen und Staatsmänner noch am Ende des Jahrhunderts von der im Volk tief verwurzelten Vorstellung überzeugt waren, dass das Böse unter ihnen wütete und auszurotten war. Die Legitimation für seine Haltung bezog Zollikofer aus dem Alten Testament. «Saul hatte aus dem Land vertriben | die Wahrsager und Zeichendeuter», heisst es dort. Am 5. Mai 1689 predigte der Pfarrherr über die «schreckliche Sünde der Hexerei und Zauberei», über die «gebührende Strafe dafür» und darüber, was «von der Seligkeit der Unholden zu halten» sei. Zaubereien und Hexereien gehen auf einen Bund mit dem Teufel zurück; etwas Verwerflicheres gab es in der Vorstellung des Theologen nicht. Er glaubte an den ganzen Kanon von Zuschreibungen, die mit dem Teufelspakt einhergingen. Die Teufelsbuhlschaft verschaffe der Geliebten stets genug Geld und Gut. Sie sei jederzeit in der Lage, mit Hilfe des Teufels Menschen, Vieh und Pflanzen Schaden zuzufügen, und sie würde sich häufig mit anderen zu Versammlungen treffen – zu Tanz, nicht sättigenden Speisen und zum Beischlaf mit dem Satan. «Die Unholdin oder Zauberin solt du | nicht leben lassen», folgerte er mit Moses.

Den Einwand, die Hexenverfolgungen würden grösstenteils arme, häufig landesfremde, schwache und unwissende Leute, vor allem «einfaltige Weibs-Personen» oder «kleine unverständige Kinder», treffen, liess Zollikofer nicht gelten. Der Umstand, dass mit der Hinrichtung der Herisauerin Barbel Büehlmännin durch Handabhacken und Verbrennen bei lebendigem Leib am 10. April 1689 gleichzeitig auch deren Schwester Ellysabeth und deren Tochter Cathrina, beide durch Enthauptung und Feuer, hingerichtet worden waren, scheint zu seiner Haltung zu passen. Gerade die Kinder «von den Gotts-verlaßnen Elteren» seien dem Satan geschenkt und gewidmet worden und deshalb von Geburt an in ihrer Entwicklung genau zu beobachten. Er räumte zwar ein, sie dürften nicht von vornherein verurteilt werden. Wie schnell der Verdacht dann aber doch auf sie übergehen konnte, zeigte sich darin, dass nur vier Tage nach der Zollikofer’schen Predigt in Herisau eine weitere Tochter von Barbel Büehlmännin in Trogen durch Schwert und Feuer hingerichtet worden war. In Appenzell Innerrhoden hat die Familie Bäntziger vom Hirschberg bei Oberegg dieses Schicksal erleiden müssen. Zwischen 1614 und 1674 sind mehrere Mitglieder dieser Familie dem Verfolgungswahn zum Opfer gefallen.

«[…] das Verhalten der einzelnen Landesgegenden zum früher allgemein herrschenden Glauben an Leute mit übermenschlichem Können gewährt tiefe Einblicke […] in die eigenartigen religiösen Vorstellungen, in die geistige Verfassung und in die kirchlichen, sittlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse, kurz in den kulturellen Stand der betreffenden Bevölkerung», hatte Emil Schiess 1920 festgehalten. Im Jahr 2010 liess in Rehetobel ein Bauer einen benachbarten Bauern durch Schläger brutal verprügeln – der Grund für den Zorn des Auftraggebers lag in dessen Überzeugung, der Nachbar und schon dessen Vater hätten ihm und seiner Familie seit Jahren übel gewollt und ihm das Vieh im Stall verdorben.

Autorin: Heidi Eisenhut, Trogen

Literatur:

Quellen:

KBAR, B 284 Anhorn, Bartholomäus: Magiologia. Christliche Warnung für dem Aberglauben und Zauberey. Darinnen gehandlet wird von dem Weissagen, Tagwellen und Zeichendeuten […]. Basel 1674.

KBAR, App b 1337 Zollikofer, Johannes: Misera lamiarum sors. Oder der unseligen Unholden elender Zustand. In einer christlichen Warnungs-Predig auß Hertz betrübt-gegebnem Anlaß Sonntags den 5. Mey im Jahr 1689 in der volckreichen Gemeinde Herisau fürgetragen. St.Gallen 1689.

StAAR, Ab.09 Malefizprotokolle.

Literatur:

Schiess, Emil: Die Hexenprozesse und das Gerichtswesen im Lande Appenzell im 15.–17. Jahrhundert. Diss. Bern 1919. In: Appenzellische Jahrbücher 47 (1920), S. 1–80 und Appenzellische Jahrbücher 48 (1921), S. 1–127.

Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte. Bd. 2: Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau, Appenzell 1972.

Schläpfer, Walter: Hexenjagd in Appenzell. In: Magnet. Kirchenblatt für die Evangelisch-reformierten Kirchgemeinden beider Appenzell 60/2 (01.02.1973), S. 2f.

Signer, David: Die Killer im Kuhstall. In: NZZ am Sonntag (04.07.2010), S. 65.

Tags:

Herisau, Justiz, Religion, Predigt, Hexenverfolgung, Hexe

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