Zeitzeugnisse

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Titel:

Milde Gaben für die Kapuziner

Thema: Leute

Ort: Appenzell    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1963

Masse: 22,5 x 15,6 x 5 cm

Standort: Kapuzinermuseum Sursee

Urheber/-in:

Beschreibung:

Sammelbüchse mit Schulterriemen für die Kapuziner von Appenzell. Die Blechbüchse wurde bis 1963 in Rorschach bei den Haussammlungen verwendet. 1964 ging die Pfarrei zum alljährlichen Kirchenopfer für das Kapuzinerkloster über und vermachte die nicht mehr benötigte Sammelbüchse den Kapuzinern.
 

Geschichte:

Almosen-Sammlungen hatten bei den Kapuzinern als Angehörige eines Bettelordens aufgrund ihres Armutsgelübdes eine lange Tradition. Es war ihre Entlöhnung für seelsorgerliche Dienste in den einzelnen Pfarreien. Den seit 1587 in Appenzell niedergelassenen Franziskus-Brüdern waren Naturalgaben bis um 1950 wichtig für den Lebensunterhalt. Wegen rückläufiger Sammelerträge wurden die Almosen teilweise durch ein jährliches Kirchenopfer während der Gottesdienste abgelöst und seit Anfang der 1970er-Jahre in den meisten Pfarreien fallengelassen.

In Appenzell Innerrhoden und in vielen Gemeinden der Ostschweiz war es ein vertrautes Bild, wenn ein oder zwei Kapuziner im Frühjahr oder im Herbst durch die Dörfer zogen, Stallsegnungen vornahmen und alle katholischen Haushalte aufsuchten, um Almosen zu sammeln. Sie pflegten das Gespräch mit den Pfarreiangehörigen und nahmen nebst Naturalien aus der Landwirtschaft auch Geldspenden entgegen. Dabei sprachen sie Segenswünsche aus, übergaben den Kindern religiöse Bildchen und den Erwachsenen zur Andacht dienliche Devotionalien wie Rosenkränze oder Medaillons.

Genauere Angaben zur wirtschaftlichen Lage des Kapuzinerklosters Appenzell lassen sich erst in den 1680er-Jahren finden. Die damals 15 bis 20 Klosterbrüder bestritten ihren Unterhalt vorwiegend mittels Almosen. Dazu kamen Messstipendien, private Zuwendungen, staatliche Unterstützungen sowie Erträge aus dem eigenen Garten. Die Naturalalmosen verteilten sich auf drei Regionen der Klostertätigkeit: Innerrhoden, Rheintal und Bodenseeufer zwischen Rorschach und Arbon. Während in Appenzell fast nur Milchprodukte gesammelt wurden, waren es in den übrigen Gebieten vorwiegend Gemüse, Obst, Honig, Salz, Most  und Wein. Weltliche oder kirchliche Obrigkeiten spendeten abwechslungsweise das Fleisch.

Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Almosen-Sammlungen in etwa 40 Gemeinden nicht wegzudenken, zumal viele Dienstleistungen der Kapuziner finanziell nicht abgegolten waren. Allerdings sank der Stellenwert der Almosen allmählich. Neben Naturalien wurden Geldgaben wichtig, insbesondere bei der nicht-bäuerlichen Bevölkerung. Gelegentlich nahmen auch kirchliche Behörden die Geldsammlungen an die Hand. So in Rorschach, wo der Sakristan und ein Kirchenrat jedes Jahr alle Haushaltungen mit einer speziellen «Sammel-Büchse für die ehrw. Patres Capuziner in Appenzell» aufsuchten. Im Dorf Appenzell führten die Kapuziner die Geldsammlung und im weiteren Dorfkreis die «Mistsammlung» durch. In den innerrhodischen Landbezirken hielten sie am traditionellen Butteralmosen fest. In den übrigen Gebieten wurden vorwiegend Obst, Gemüse, Mais und Most, aber auch Geldgaben gespendet.
Obwohl sich die Kapuziner im Allgemeinen grosser Beliebtheit erfreuten, wurde der Almosen-Brauch nach 1960 ab und zu kritisch hinterfragt. Es war jene Zeit, als im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils der in den katholischen Gebieten sich abzeichnende religiöse Mentalitätswandel zum Rückgang des Klosternachwuchses führte. Hinzu kam, dass für die gealterten Kapuziner der Bettelgang zu streng geworden war und dass die Klostergemeinschaft wegen personeller Engpässe einige Aushilfsstellen streichen musste. Die verbliebenen Kirchgemeinden gingen mehr und mehr zu einer geregelten Abgeltung der Aushilfsgeistlichen über. Nach 1970 führten wenige Gemeinden die Sammlungen noch durch, in einzelnen Fällen gar bis zur Klosteraufhebung im Jahre 2011.

Autor: Josef Küng, Appenzell

Literatur:

Grosser, Hermann. Hangartner, Norbert: Appenzeller Geschichte. Bd. 3: Appenzell Innerrhoden von der Landteilung 1597 bis ins 20. Jahrhundert. Herisau, Appenzell 1993, S. 131–136, 533.

Fischer, Rainald: Die älteste Archivordnung des Klosters Appenzell als Quelle zur ostschweizerischen Wirtschaftsgeschichte. In: Innerrhoder Geschichtsfreund 30 (1986/87), S. 41–77.

Fuchs, Ferdinand: Kloster Appenzell und Volk. In: Innerrhoder Geschichtsfreund 30 (1986/87), S. 132–137; Küng, Innerrhoden, S. 123–125.

Küng, Josef: Der Kapuziner mit dem Bettelsack – Almosen-Sammlungen des Kapuzinerklosters Appenzell im 17. und 20. Jahrhundert. In: Schweizer, Christian. Kuster, Nikolaus. Küng, Josef: Gelebte Armut. Kapuziner in Appenzell, 1586–2011. Luzern 2011 (Helvetia Franciscana, Vol. 40/1), S. 183–215.

Küng, Josef: Die Almosen-Sammlungen des Kapuzinerklosters Appenzell im 17. und 20. Jahrhundert. In: Innerrhoder Geschichtsfreund 52 (2011), S. 43–69.

 

Tags:

Appenzell, Kloster, Kapuziner, Almosen, Sammelbüchse

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