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Titel:

Freiwillig tätig für überlastete Mütter

Thema: Land

Ort: Waldstatt    (Karte anzeigen)

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Datum: --.01.1932

Masse: 29.8 x 21 cm

Standort: Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, Pa.30-05-52

Urheber/-in: Stiftung Schweizerische Ferienheime „Für Mutter und Kind“

Beschreibung:

Spendenaufruf der Stiftung Schweizerische Ferienheime «Für Mutter und Kind» für das Ferienheim Sonnenhalde in Waldstatt. Die extra zu diesem Zweck gegründete Stiftung war ein Kooperationsprojekt zwischen der SGG und dem SGF, dem einflussreichsten weiblichen Dachverband um diese Zeit. Zielpublikum waren physisch und psychisch angeschlagene Mütter mit Kindern.
 

Geschichte:

Auf der Sonnenterrasse liegen oder in einer Illustrierten blättern – von solchen Ruhepausen träumten in den 1930er-Jahren vor allem überarbeitete Mütter. Gemeinnützig tätige Frauen gründeten darum 1930 zusammen mit der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) die Stiftung Schweizerische Ferienheime «Für Mutter und Kind». Ziel war es, für bedürftige Frauen mit Kindern Erholungsheime einzurichten. Am 4. Juni 1932 war es so weit: In einem ehemaligen Stickereilokal im Appenzellerland konnte schweizweit eines der ersten Heime dieser Art eröffnet werden – das Heim «Sonnenhalde» in Waldstatt.

Das Baugeschäft Blumer in Waldstatt hatte das 1912 errichtete Lokal so umgebaut, dass 20 Mütter mit ihren Kindern für jeweils zwei Wochen ihren häuslichen Pflichten entfliehen konnten. Säuglinge und Kinder bis zu zehn Jahren wurden im separaten, in der Nähe gelegenen Kinderhaus (Baujahr 1933) untergebracht und von professionellen Pflegerinnen und Kindergärtnerinnen betreut, damit sich für die überlasteten Hausfrauen und Fabrikarbeiterinnen die «ersehnte Ruhe» einstellen konnte. Die Idee der gemeinsamen Unterbringung von Müttern und ihren Kindern war neu, Erholungsheime nur für Frauen bestanden zu diesem Zeitpunkt bereits in Urnäsch (Rosenhügel, 1889) und in Gais (Ruehüsli, 1919).

Das neue Ferienheim im «grüne[n] Appenzeller Hügelland» mit «Aussicht in das Alpsteingebiet» war einfach eingerichtet, bemerkt doch der Vorstand des  Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins (SGF) 1947, dass ein bequemer Stuhl und auch «etwas netter heimeliger Wandschmuck» den einzelnen Zimmern gut täte, Ordnung und Sauberkeit seien jedoch tadellos und der Geist ein «einfache[r], freundlich-fröhliche[r]». Kinderwagen und -wäsche mussten selbst mitgenommen werden, nicht jedoch Windeln. Viele überarbeitete Mütter kamen über verschiedene Abteilungen der SGG, über Frauenzentralen oder über Krankenkassen zu ihrem dringend benötigten Urlaub. Die in bürgerlichen Schichten verankerten Stiftungsmitglieder machten vor allem bei Ärzten, Fürsorgeinstitutionen und «Industriellen mit weiblichem Personal» Werbung für die «Sonnenhalde» und ihre «Schutzbefohlenen». Bezahlte, gesetzlich verankerte Ferien waren 1932 für Arbeiterinnen noch keine Selbstverständlichkeit, die Befreiung von reproduktiven Pflichten als Hausfrau und Mutter schon gar nicht.

Geprägt von einem humanistischen Menschenbild und einem sozialverantwortlichen Liberalismus betrachteten die Mitglieder der SGG und des SGF ihre karitative Arbeit als unerlässliche Bürgerpflicht und -tugend. Die Industriellen im Vorstand empfahlen bisweilen ihre eigenen Fabrikarbeiterinnen, «die in Gemüt und Nerven durch die vergangenen unruhigen Monate gelitten hatten» für einen Ferienaufenthalt, um sie für die Fabrikarbeit wieder leistungsbereit zu machen. Max Walcher-Hefti (1882–1977), 17 Jahre Kommissionsmitglied der Stiftung «Für Mutter und Kind», schickte beispielsweise erholungsbedürftige Arbeiterinnen seiner Tuchfabrik F. Hefti & Co. AG, Hätzingen (1939: Belegschaft 500 Personen), regelmässig nach Waldstatt: Arbeiterwohlfahrt als «Mischung von paternalistischem Verantwortungsbewusstsein und kapitalistischen Nützlichkeitserwägungen».

Heute ist in der «Sonnenhalde» die Verwaltung von «Best Hope» einquartiert, eine gemeinnützige  Stiftung, die mit Suchtkranken und psychisch kranken Menschen arbeitet. Ihr Therapiezentrum auf dem Herisauer Nieschberg – der Kreis schliesst sich – bietet auch Wohnmöglichkeiten für Mutter und Kind.

Autorin: Iris Blum, Zürich

Literatur:

KBAR, App P 594 Jahresbericht Stiftung Schweizerische Ferienheime «Für Mutter und Kind» 1941.

KBAR, App b 7933 Bericht Ferien für Mutter und Kind.

SOZARCH, Ar SGG Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft.

StAAR, Pa.030-05-52 Bauobjekt Ferienheim Sonnenhalde.

Blum, Iris: Frauenbewegte Schwesterlichkeit: Das ehemalige Kurhaus «Fraternité» auf dem Rosenhügel in Urnäsch. In: Appenzeller Kalender 2003, S. 89–92.

Bühler, Caroline: Die Geschichte des Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins SGF. Liz. Bern 1997.

Mesmer, Beatrix: Ausgeklammert – Eingeklammert. Frauen und Frauenorganisationen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Basel 1988.

Schumacher, Beatrice: Freiwillig verpflichtet. Gemeinnütziges Denken und Handeln in der Schweiz seit 1800. Zürich 2010.

Schumacher, Beatrice: Ferien. Interpretation und Popularisierung eines Bedürfnisses Schweiz 1890–1950. Wien, Köln, Weimar 2002.

Stiftung Best Hope. URL: http://besthope.ch (25.05.2012).

Tanner, Jakob: Arbeiterwohlfahrt. In: HLS. Version 27.01.2010. URL: http://hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16584.php (25.05.2012).

Von Arx, Rolf et al.: Industriekultur im Kanton Glarus. Streifzüge durch 250 Jahre Geschichte und Architektur. Näfels 2005.

Tags:

Brief, Heim, Waldstatt, Kind, Fabrikarbeit, Ferien, Erholung, Mutter

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