Zeitzeugnisse

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Titel:

Ein zurückgebliebener Feuereimer

Thema: Land

Ort: Heiden    (Karte anzeigen)

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Datum: 07.09.1838

Masse: 40 x 20 cm

Standort: Museum Heiden

Urheber/-in:

Beschreibung:

Ein bei der Hilfeleeistung über den See zurückgebliebener Feuereimer mit der Inschrift „Gmeind Lindau 1819“.
 

Geschichte:

In Lindau scheint man nicht auf die Ausschreibung in der «Neuen Appenzeller Zeitung» geachtet zu haben. Demnach hätte die Gemeinde Heiden gerne fünf während des Löscheinsatzes beim Dorfbrand liegengebliebene Feuereimer ihren Eigentümern zurückgegeben. Jedenfalls hütet das Museum Heiden einen Ledereimer mit der Aufschrift «Gmeind Lindau 1819». Wie es dazu kam, ist nicht exakt geklärt. Dass Solidarität und gegenseitige Hilfestellung bei derartigen Katastrophen aber spielten, ist nicht nur in Heiden bezeugt.

Die Lindauer, die den Feuerschein ennet dem Bodensee gesehen haben mussten, eilten raschmöglichst zu Hilfe. Doch Heiden galt bereits als verloren, obwohl die Lindauer Feuerwehr nur vier Stunden brauchte, bis sie fast zeitgleich mit den Bregenzern in Thal eintraf. Der böse Sturmwind, der an der Katastrophe mitschuldig war, hielt noch an und daher hatte man auch «viel für Thal zu fürchten». Selbst Wolfhalden war bei diesen Verhältnissen arg vom Feuer bedroht. Mit vereinten Kräften gelang es, ein Übergreifen der Brände auf umliegende Ortschaften zu verhindern und zum Beispiel die Mühle in Thal knapp zu retten. Die Goldacher Feuerspritze, die den falschen Weg nach Heiden eingeschlagen hatte, tat das Ihrige dazu.

Der Brand in Heiden war am Nachmittag des 7. September 1838 in der Schmiede von Johannes Frehner am Kohlplatz ausgebrochen, wo Funken durch eine Öffnung in der Wand in den Kohlebehälter gelangt waren. Das Feuer breitete sich mit unglaublicher Geschwindigkeit über die Schindeldächer aus. 129 Firste (darunter 75 Wohnhäuser) verbrannten, auch die Kirche. 403 Personen hatten ihr Obdach verloren, doch war kein Todesopfer zu beklagen. Nur das Haus «Harmonie» und das Schützenhaus im Dorfkern wurden kein Raub der Flammen, die im Radius von über zwei Kilometern wüteten. Ursache des Brandes war Fahrlässigkeit. Der Eigentümer der Schmiede hatte alle Vorsichtsmassnahmen in den Wind geschlagen. Das Dach war mit Schindeln belegt, und es fehlte der Ziegelmantel um den Kamin, der so eng war, «dass kein Kaminfeger in dasselbe kommen konnte, um es zu reinigen». Auch den Befehl der Feuerpolizei, die Holzdecke in der Werkstatt mit Mörtel zu überziehen, hatte der  Schmied missachtet. Kurz danach hielt der die Soforthilfe koordinierende Pfarrer Johann Georg Bärlocher (1809–1862) am Bettag vor der Ruine der Kirche inmitten des verödeten Dorfs eine hochemotionale Brandpredigt. Dabei mahnte er zur Solidarität und machte Mut zum Wiederaufbau, der so rasch wie kühn an die Hand genommen wurde. Es tönt fast zynisch, aber Heiden verdankte dem verheerenden Dorfbrand in der Folge sein Aufblühen als architektonisches Biedermeier-Juwel und seine Anziehungskraft als bedeutender Kurort.

Verheerende Dorfbrände gab es im Laufe der früheren Jahrhunderte immer wieder. 1559 traf es Herisau ganz schwer, ein Jahr später Appenzell, wobei man in beiden Fällen «bösen Mutwillen» argwöhnte und mutmassliche Brandstifter hinrichtete. Zu dieser Zeit fehlte es noch an effizienten Mitteln zur Feuerbekämpfung, und die mit Holzschindeln gedeckten Holzhäuser erleichterten die rasche Ausbreitung eines Brandes. 1641 wurde das Dorf Urnäsch eingeäschert, 1780 Gais und 1796 Rehetobel. Immer aber spielte gesamtschweizerisch und – wie Heiden zeigt – auch internationale Solidarität und Nachbarschaftshilfe. Denn in jedem Dorf wusste man um die eigene Gefährdung.

Autor: Hanspeter Strebel, St. Gallen

Literatur:

Amann, Hans: Vor 150 Jahren: Der Brand von Heiden. In: Appenzeller Kalender 1988.

Appenzeller Monatsblatt 9 (1838), S. 129-142.

Bärlocher, Johann Georg: Brandpredigt. Nach dem grossen Brande in Heiden gehalten am eidgenössischen Bettag, den 16. Herbstmonat 1838.

Bischofberger, Hermann. Keller, Willy: 125 Rettungscorps Appenzell. Appenzell 1991.

Bischofberger, Ivo: Entstehung und Entwicklung der Feuerschaugemeinde Appenzell. Appenzell 1991.

Festschrift zum 300-jährigen Bestehen der Gemeinde Heiden 1652-1952. Heiden 1952.

StAAR, Ca.F11-14 Assekuranz, Dorfbrand Heiden.

Spicker-Beck, Monika: Räuber, Mordbrenner umschweifendes Gesind – Zur Kriminalität im 16. Jahrhundert. Rombach 1995.

Weishaupt, Achilles: Der Dorfbrand von Herisau. In: Appenzeller Zeitung (02.04.2009), S. 33.
 

Tags:

Heiden, Katastrophe, Kurort, Thal, Lindau, Brand, Assekuranz, Objekt

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