Zeitzeugnisse

Drucken nächster Zufallsartikel

 

Bild

Titel:

Meister und Handwerksgesellen

Thema: Wirtschaft

Ort: Speicher    (Karte anzeigen)

zeitzeugnisse auf einer grösseren Karte anzeigen

Datum: --.--.1828

Masse: 35 x 35 cm

Standort: Museum Herisau, Digitalisat: StAAR

Urheber/-in: Johann Ulrich Fitzi

Beschreibung:

Die 1828 geschaffene Kassette der am 7. Januar 1827 gegründeten Gesellen- Hilfsanstalt. Die aufklappbare, beidseitig mit Zeichnungen und Kalligraphien geschmückte Ehrentafel enthielt ursprünglich das Vereinsprotokoll. 1827 gründeten 21 Handwerksmeister von Trogen und Speicher in einem Akt der Selbsthilfe die «Hülfsanstalt für fremde, hier in Arbeit stehende krankne Gesellen». Die auf 1828 datierte Vereinstafel zeigt vorderseitig die Handwerkersymbole der beteiligten Meister und die Ansichten der beiden Dörfer. Wohl kein geringerer als der grosse Meister des Zeichenstifts, Johann Ulrich Fitzi (1798–1855), hat das Emblem für diese soziale Institution geschaffen, die in einer Zeit, wo es keine allgemeinen Krankenkassen gab, sehr segensreich wirkte.
 

Geschichte:

Im Gegensatz zu manchen Ausserrhoder Gemeinden ist in Innerrhoden, ausser dem erst 1853 gegründeten Kolpingverein Appenzell, keine ähnliche Institution bekannt. Dies ist ein
Beleg für die unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung in beiden Kantonen. Offenbar gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Appenzell Ausserrhoden viel mehr dort in Arbeit stehende Gesellen. Jedenfalls zählte man 1830 allein in Trogen und Speicher 150 auswärtige Gesellen ohne entsprechendes Bürgerrecht. Die initiativen Meister aus beiden Gemeinden beanspruchten 1827 keine Pionierrolle, sondern verwiesen ausdrücklich auf «das schöne Beispiel der Gemeinde Herisau», schreiben aber auch, sie seien dazu «durch die Erfahrung genugsam belehrt» worden (Appenzeller Monatsblatt 5 (1827), S. 83).

Es ging aber nicht um einen Gratis-Service seitens der Arbeitgeber. Alle bei den Mitgliedern angestellten Gesellen waren zu einem wöchentlichen Beitrag von 2 Kreuzern und einer Eintrittsgebühr von 18 Kreuzern verpflichtet. Und es wurde auch nicht jeder aufgenommen. Wer mit Krätze (eine durch Milben verursachte Hautkrankheit) behaftet war, blieb draussen, ebenso einer, der an der «Lustseuche» (die Geschlechtskrankheit Syphilis) litt, der sich der Völlerei hingab oder der an Schlaghändeln beteiligt war. Es gab also auch eine Reihe moralischer Ausschlussgründe. Und so war es auch beim von den gleichen Kreisen 1854 gegründeten Leichenverein, wo anlässlich einer späteren Statutenänderung
bestimmt wurde, dass die Leichenträger des Vereins geschiedene Frauen der Mitglieder nicht mehr beerdigen mussten.

Die Akten des Hilfsvereins, der sich 1854 zu selbständigen Institutionen der beiden Gemeinden aufspaltete, sind im Unterschied zur erst 2001 aufgelösten Handwerker Sterbekassa Trogen nur noch aus den Anfängen vorhanden. Belegt aber ist das Bedürfnis nach finanzieller Unterstützung bei Krankheit und für Begräbniskosten. Auch wenn es gesellige Aspekte gab, im Vordergrund stand das soziale Verantwortungsgefühl. Einmal monatlich trafen sich die Meister und Gesellen in der Herberge, in der auch die Ehrentafel ausgehängt war und in der die Lade (Kasse) aufbewahrt wurde. Ab 1835 verfügte der Hilfsverein sogar über ein gut ausgerüstetetes Krankenzimmer in einem Privathaus. Dazu schreibt der Speicherer Chronist, die Pflege und ärztliche Behandlung sei so beschaffen, «dass sie derjenigen in guten Spitälern grosser Städte keineswegs nachstehen soll» (Tanner, Speicher, S. 536). Die handwerklich sorgfältig und dekorativ ausgeführte Vereinstafel blieb erhalten. An einer Freizeitarbeiten-Ausstellung im Jahr 2000 in Appenzell wurde das Erinnerungsstück stark beachtet und gab Auftrieb, der Geschichte etwas nachzugehen, zumal 2001 als letzte der Selbsthilfeorganisationen auch die Sterbekassa beerdigt wurde.

Autor: Hanspeter Strebel, St. Gallen

Literatur:

Appenzeller Zeitung, 21.03.2001.

GesellenHülfsanstalt in Trogen und Speicher, In: Appenzeller Monatsblatt 5 (1827), S. 83–84.

KBAR, HülfsAnstalt für fremde reisende HandwerksGesellen in den Gemeinden Trogen und Speicher: errichtet den 2ten Janner 1827. [S.l.] 1827

StAAR, Ca.D052 Bevölkerungstabellen 1830.

StAAR, Pa.153 Privatarchiv Niederer, Trogen.

Tanner, Bartholome: Speicher im Kanton Appenzell. Trogen 1853, S. 534–538.

Tags:

Tafel, Speicher, Versicherung, Krankenkasse, Sterbekasse, Handwerker, Hilfsverein, Trogen

Ähnliche Themen:

Speicher Tafel Versicherung Krankenkasse Sterbekasse Handwerker Hilfsverein Trogen