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Titel:
Selbstporträt der Schottenbrüder
Thema: Kultur
Ort: Trogen (Karte anzeigen)
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Datum: --.--.1757
Masse: 51,5 x 62,5 cm
Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, KB-011927
Urheber/-in: Füssli, Johann Caspar
Beschreibung:
Der Quodlibet- und Trompe-l'oeil-Maler Johann Caspar Füssli gehörte zur Trogner Schottengesellschaft. Diese Gesellschaft hat er porträtiert und in Analogie zu griechischen Köpfen gesetzt. Das Ölgemälde von 1757 enthält kernige Sätze zu Freundschaft und Tugend. Die Porträts hängen an einer Holzwand, die vielleicht der Stubenwand in Laurenz Zellwegers «förener Hütte» entspricht.
Geschichte:
Entgegen dem Wunsch seiner Familie liess sich Laurenz Zellweger (1692–1764) nicht zum Kaufmann ausbilden. Nach einer Lehrzeit bei Johann Jakob Scheuchzer studierte er Medizin in Leiden und kam dort mit Schriften aus England und Ideen der Frühaufklärung in Kontakt. Als junger Arzt eröffnete er eine Praxis in Trogen, von wo aus er ein breites Briefnetzwerk aufzubauen begann. Seine engsten Freunde besuchten ihn regelmässig in Trogen, in seiner «förenen Hütte», um mit ihm zu diskutieren, zu wandern und Schotte zu trinken. Das Quodlibet, ein Trompe-l’oeil-Gemälde, entstand in diesem Umfeld.
Die Freundschaft Zellwegers mit dem Zürcher Literaten und Lehrer für Helvetische Geschichte Johann Jakob Bodmer (1698–1783) bildete den Anfang. Nach dem Muster von Joseph Addisons moralischer Wochenzeitschrift «The Spectator» gab Bodmer zusammen mit Johann Jakob Breitinger (1701–1776) von 1721 bis 1723 «Die Discourse der Mahlern» heraus.
Gegenpol zum Limmat-Athen
Bodmer und Zellweger tauschten fortan zunächst Bücher aus, etwa Miltons «Paradise Lost», das Bodmer ins Deutsche übersetzte. Der Appenzeller wurde zum engen Vertrauten des Stadtzürchers. Während 40 Jahren gingen die Briefe teilweise im Dreitagesrhythmus zwischen Zürich und Trogen hin und her. Fast jährlich weilte eine Gruppe Zürcher für einige Wochen bei Zellweger zur Molken- oder Schottenkur. In Oden und Epen besangen Bodmer und seine «Jünger» – darunter Friedrich Gottlieb Klopstock und Christoph Martin Wieland – den Weisen Laurenz Zellweger, den sie «Philocles» nannten, und den Freiheitsdrang und Patriotismus der Appenzeller, den trockenen Witz und die urdemokratische Institution der Landsgemeinde. In seiner Unverbrauchtheit wurde das Land als arkadischer Gegenpol zum Limmat-Athen Zürich stilisiert. Philocles verkörperte Alter, Weisheit und Aufrichtigkeit: «Gehe nicht krumm nach mannen die | richtige Wege gegangen, | kennst du nicht den geraden pfad, so | frage PHILOCLES», steht unter seinem Bildnis auf dem Quodlibet.
Je einem Griechen beigesellt
Im Zentrum der «Schottenbrüder» auf dem Ölgemälde hängt das Porträt Bodmers. Rechts im Hintergrund ist das Porträt von Idyllendichter Salomon Gessner (1730–1788) alias «Daphnis» an die Holzwand geheftet. Im rechten unteren Viertel findet sich ein Medaillon mit dem Porträt des Zürcher Stadtarztes Hans Caspar Hirzel (1725–1803). Und in der linken Ecke hängt das Selbstporträt von Johann Caspar Füssli (1706–1782), unterzeichnet mit «Johann Caspar Füssli, Aetatis Suae 30». Die Gesellschaft pflegte das Gespräch im geis tigen Beisein des blinden Homer (Zeichnung rechts neben Hirzel), anderer griechischer Gelehrter und von Sokrates oben links. In nur schwach lesbarer Schrift ist über dessen Büste und den Allegorien von Tugend und Mass der Satz «Liebe die Tugend[,] sie krönet das Leben | mit Freündschaft der Weisen» notiert. Die Verbindung je eines antiken Kopfes mit je einem «Schottenbruder» über deren Berufe oder Tätigkeiten und über innerbildliche Kompositionsmerkmale wie die Blickrichtung führt zu den Paarungen Bodmer-Sokrates, Zellweger-Homer, Gessner-Platon, Hirzel-Hippokrates und Füssli-Melanthus. Die Schottengesellschaft hat ihre Spuren in Trogen auch nach dem Tod des Patriarchen Philocles hinterlassen: Laurenz Zellwegers Neffe Johannes wurde Mitglied und späterer Präsident der Helvetischen Gesellschaft. Er verheiratete sich mit der Schwester von Stadtarzt Hirzel. Johann Caspar, einer der Söhne, Kaufmann, Geschichtsschreiber, Philanthrop und Begründer verschiedener Schulen, verheiratete sich mit der Tochter von Salomon Gessner.
Autorin: Heidi Eisenhut, Trogen
Literatur:
Quellen: KBAR, KB011927 Johann Caspar Füssli d. Ä., Quodlibet, Öl auf Leinwand ca. 1757; KBAR, Fa Zellweger, Teilbestände 31 (Laurenz Zellweger) und 90/A : 1930 Zellwegersches Familienbuch, Bd. 1; ZBZ, Ms Bodmer 6a.2–7, Ms Bodmer 20.13 und Ms Bodmer 20.14.
Literatur: AG II; Bierende, Edgar: Kanon Nationalkultur. Johannes Müller und die Rekonstruktion einer historischen Identität der Schweiz. In: Anett Lütteken et al. (Hrsg.): Der Kanon im Zeitalter der Aufklärung. Göttingen 2009, S. 202–228; Eisenhut, Heidi: Gelehrte auf Molkenkur. Laurenz Zellweger und sein Kreis in Trogen. In: Id. et al. (Hrsg.): Heilkunst und schöne Künste. Göttingen 2011, S. 271–301; Eisenhut, Heidi: Johann Caspar Füssli d. Ä. (1706–1782). Quodlibet mit Bildnissen von Zeitgenossen und antiken Köpfen, um 1757. In: Täuschend echt. München 2010, S. 138f.; Eisenhut, Heidi: Quodlibet mit Bildnissen von Zeitgenossen und antiken Köpfen. In: Joachim Latacz (Hrsg.): Homer. München 2008, S. 457; Faessler, Peter: Die Zürcher in Arkadien. Der Kreis um J. J. Bodmer und der Appenzeller Laurenz Zellweger. In: AJb 107/1979 (1980), S. 3–49; Kellenberger, Paulfritz: Laurenz Zellweger von Trogen 1692–1764. Diss. Zürich. Affoltern a. A. 1951.
Tags:
Trogen, Malerei, Gemälde, Gesundheit, Laurenz Zellweger, Johann Jakob Bodmer, Salomon Gessner, Johann Caspar Hirzel, Johann Caspar Füssli, Molkenkur, Witz, Idylle
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