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Titel:

Schmuck- und Geldversteck von Dorli Keller aus Teufen

Thema: Leute

Ort: Teufen    (Karte anzeigen)

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Datum: 01.01.1986

Standort: Privatbesitz Beatrice Keller, Maladers; Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden

Urheber/-in: Keller, Delphine Dora

Beschreibung:

Digitalisierte Tonbandaufnahme (Dauer 4:03 Min.) aus dem Jahr 1986. Die auf der Fotografie abgelichtete Teufnerin Delphine Dora „Dorli“ Keller (1899-1987) erzählt im Ausserrhoder Dialekt, wo sie im Haus Bargeld und Schmuck versteckt hat. Neben dem „Butterchesseli“ im Wäschekorb erwähnt sie die Bibel und ein „Schächteli“ mit Verbandsmaterialien. Dorli Keller ist es wichtig, dass ihre Angehörigen wissen, dass und wo sie ihre Barschaften versteckt hat, auch wenn normalerweise nicht darüber gesprochen würde; „Me muess halt wüsse, wo’s ischt“, weil sonst niemand auf die Idee kommen würde danach zu suchen, falls ihr etwas zustossen würde. Zudem sei es ihr wichtig immer etwas Geld für laufende Ausgaben bei sich zu haben, und sie wisse gerne, wieviel Geld sie nach Abzug des „Zees“ (Zins) von der AHV und angesichts der steigenden Krankenkassenprämien noch für sich übrig habe. Damit spricht Dorli Keller die Frage nach den Lebenserhaltungskosten an und nennt indirekt die Frage nach dem Betrag, der einem privaten Haushalt bleibt, wenn alle notwendigen Abzüge getätigt worden sind.

Geschichte:

Bereits im Mittelalter existierten berufs- und zunftsbezogenen Kassen (sog. Laden), welche unter anderem das Krankheitsriskio abdeckten. Inwiefern die im 19. Jahrhundert entstandenen sogenannten gegenseitigen Hilfsgesellschaften auf solchen mittelalterlichen Vorläufern aufbauen, ist nicht bekannt. Diese Hilfsgesellschaften versicherten nicht nur Lohnausfälle bei Krankheit, sondern auch bei Todesfällen, Arbeitslosigkeit, Alter und Invalidität. Sie wurden aber kurz „Krankenkassen“ genannt, wobei die Lohnausfallsentschädigungen die Heilungskosten noch klar überwogen. Unter anderem aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen überlebten viele dieser Institutionen die Jahrhundertwende nicht, erst mit dem Kranken- und Unfallsversicherungsgesetz (KUVG) im Jahr 1911 wurden Mindestanforderungen an Krankenkassen gesetzlich festgelegt. Krankenkassen, welche diese Standards erfüllten, wurden fortan staatlich anerkannt und subventioniert. Seit 1930 nahm dann die Anzahl der Krankenkassen ab, dafür stiegen die Mitgliederzahlen. Im Zuge der Verbesserung im Gesundheitswesen wurden die Heilungskosten gegenüber dem Taggeld immer wichtiger, was die Krankenkassen zunehmend auch für Frauen und Kinder attraktiv machte. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) von 1996 führte dann das Versicherungsobligatorium mit Einheitsprämie ein, womit es die bis anhin um 10% höheren Prämien für Frauen denjenigen für Männer anpasste. Wie man aber auch den Daten des Bundesamtes für Statistik entnehmen kann, sind die Kosten des Gesundheitswesen im prozentualen Anteil am BIP seit 1960 laufend gestiegen, was unter anderem zu steigenden Krankenkassenprämien beigetragen haben dürfte.

Eine andere wichtige Institution im Bereich der Sozialversicherung ist die AHV, welche seit ihrer Einführung im Jahr 1948 als wichtigste politische Errungenschaft der Nachkriegszeit fortlaufend an neue gesellschaftliche Anforderungen (insbesondere an die demographische Entwicklung) angepasst wurde. Die ersten sieben Revisionen zwischen 1951 und 1969, welche vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Aufschwungs durchgeführt wurden, bauten die Basisversicherung auf. Die achte AHV-Revision führte zu einer Verdoppelung der Renten zwischen 1972 und 1975. 1972 wurde auch das Drei-Säulen-Konzept der Altersvorsorge in der Bundesverfassung verankert. Mit der neunten und zehnten Revision (1979/80 und 1997) kam es zu einer Konsolidierung bei den bisher erreichten Entwicklungen in der AHV.

Im Tondokument werden all diese Entwicklungen am Rande angesprochen. Zwar schien es für Dorli Keller vor allem wichtig zu sein, dass ihre Angehörigen überhaupt über ihren Besitz informiert waren (die Tonbandaufnahme wurde ein Jahr vor ihrem Tod aufgezeichnet), geichzeitig wollte sie aber auch selbst Bescheid wissen, wieviel Geld ihr angesichts der Entwicklungen in der Altersvorsorge und bei den Krankenkassenprämien noch bleibt. Warum sie das Geld nicht auf einem Bankkonto ablegt hat, darüber lassen sich an dieser Stelle nur Vermutungen anstellen – vielleicht war es Misstrauen gegenüber den Banken, vielleicht aber auch einfach eine ganz praktische Gewohnheit, bei Geldfragen das „Butterchesseli“ oder die Bibel konsultieren zu können.

Autorin: Katharina Merian, Speicher

Chronologie:

1899 führte Glarus als erster Kanton in der Schweiz eine obligatorische Alters- und Invalidenversicherung ein.

1925 führte Appenzell Ausserrhoden schweizweit als zweiter Kanton die obligatorische Alters- und Invalidenversicherung ein.

1948 nahm die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ihre Tätigkeit auf.

1972 wurde das Drei-Säulen-Konzept in der Bundesverfassung (BV) verankert.

Literatur:

Degen, Bernhard: Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.4.2007. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16611.php (6.2.2012).

Degen, Bernhard: Krankenkassen. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.3.2011. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16619.php (6.2.2012).

Kosten des Gesundheitswesens (1960-2009). Bundesamt für Statistik (BFS). http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/lex/0.topic.1.html (6.2.2012).

Tags:

Tonträger, Bevölkerung, Teufen, Tonkassette, Altersvorsorge, Krankenkasse, Audio

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