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Titel:

Gefängnis-Ordnung von Trogen

Thema: Leute

Ort: Trogen    (Karte anzeigen)

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Datum: --.05.1936

Masse: 36 x 22,2 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App b q 2 und KB-015278/000

Urheber/-in:

Beschreibung:

Die Gefängnis-Ordnung vom Mai 1936 zählt anhand sieben Punkten auf, was den Gefangenen erlaubt und was verboten ist. Gezeichnet ist sie vom Verhöramt. Am Ende der Punkteaufzählung folgt eine Strafandrohung – Reduktion der Essensmenge und Dunkelzelle – im Falle einer Missachtung der Gefängnisregeln. Die Verordnung ist auf einen etwas dickeren Karton geklebt. Die Dicke des Materials hat es verschiedenen Personen erlaubt, Kommentare und Änderungen auf dem Plakat einzuritzen. Die Gefängnis-Ordnung hing ursprünglich bei den alten Zellen im Rathaus am Landsgemeindeplatz 1 in Trogen.

Geschichte:

Nach der Landteilung und der Ernennung von Trogen zum Hauptort  Ausserrhodens wurde 1598 beim Landsgemeindeplatz das Rathaus erbaut. Auf der Rückseite des Erdgeschosses beherbergte das Rathaus das Landesarchiv, im ersten Obergeschoss befanden sich der grosse und kleine Ratsaal, im zweiten Obergeschoss waren die Wohnung des Landweibels und die Folterkammer und im dritten Obergeschoss befanden sich die Arrestkammer und weitere Gefängnisräume. Um 1840 begann man sich nach einem grösseren Rathaus zu sehnen; Landammann Dr. med. Jakob Zellweger-Hünerwadel (1805-1873) bot im Jahr 1841 dem Kanton den Palast am Landsgemeindeplatz 1 für einen Spottpreis zum Kauf an; der Verkauf kam zustande und in den Jahren 1841/42 wurde dann das neue Rathaus eingerichtet. Das alte Rathaus wurde 1842 verkauft, abgebrochen und anschliessend von einem Privaten in Bühler wieder aufgebaut. Künftig befanden sich die Zellen für die Gefangenen im neuen Ratshaus oberhalb des grossen Gerichtsaals.

Bis im Jahr 1964 gab es im neuen Rathaus dreizehn kleine Holzzellen, denen jeglicher Komfort abging: kein Licht, kein richtiges Bett, ein winziger Raum… Innert zwei Monaten wurden dann elf dieser Holzzellen herraus gerissen und man hat sieben moderne Zellen gebaut. In Trogen gab es folgende Haftarten: Polizeihaft (max. 24 Stunden), Einschliessungen (für Jugendliche), die Untersuchungshaft, die Ausschaffungshaft (von Asylanten), die Auslieferungshaft (für Insassen fremder Herkunft) und während einiger Zeit auch der militärische Vollzug. Kurze Vollzugsstrafen wurden teilweise ebenfalls in Trogen abgesessen, ansonsten wurden diese in Gmünden verbüsst. Speziell in Trogen war, dass die Hafteinrichtung nicht geschlechtergetrennt war; neben Männern wurden in Trogen auch Frauen inhaftiert. Im August 2007 wurde das Kantonale Gefängnis in Gmünden in Betrieb genommen, welches damit das frühere Untersuchungsgefängnis in Trogen ersetzte.

Neben der Kantonalen Gefängnisverordnung gibt es auch sogenannte Hausordnungen für die Gefängnisse – wie die vorliegende Gefängnis-Ordnung eine ist. Die Hausordnungen dürfen dabei der Kantonalen Gefängnisordnung nicht widersprechen und sind für die Insassen des Gefängnisses einsehbar. Auch heute gibt es noch – wie dies bereits in der Gefängnis-Ordnung von 1936 festgehalten ist – Sanktionen für Gefängnisinsassen, welche sich den Gefängnisregeln widersetzen. Während die Gefängnis-Ordnung von 1936 bei ungebührlichem Verhalten mit Dunkelarrest und Essensentzug drohte, werden heute nach einem schriftlichen Verweis schrittweise die Privilegien und Rechte der Gefangenen (wie etwa das Rauchen, der Empfang von Besuch, Fernsehen…) entzogen. Im Härtefall kann den Insassen aber immer noch eine Arreststrafe aufgebrummt werden.

Autorin: Katharina Merian, Speicher

Chronologie:

Am 22. November 1597 wurde Trogen an der Landsgemeinde in Hundwil zum Hauptort von Appenzell Ausserrhoden bestimmt; Trogen wurde damit Stock, Galgen und Rathaus zugesprochen.

1876 Herisau wurde ordentlicher Sitzungsort von Regierung und Parlament, Trogen wurde als Sitz des Obergerichts festgelegt.

1938 Annahme des Eidg. Strafgesetzbuchs (StGB), welches das Strafrecht in der gesamten Schweiz vereinheitlichte

1971 Gesetz über das Polizeiwesen, durch welches hauptsächlich kommunale Aufgaben dem Kanton übertragen wurden

1972 Nach einem Landsgemeindebeschluss folgte die Einsetzung der Kantonspolizei, welche die Aufgaben der bisherigen Gemeindepolizeien übernahm.

Literatur:

Ebnöther, Christoph: Polizei. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.9.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9638.php (11.01.2012).

Gschwend, Lukas: Gefängnisse. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.08.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9636.php (11.01.2012).

Moesch, Willi: Geschichte und Aufgaben der Kantonspolizei von Appenzell Ausserrhoden. In: Touring Club Schweiz, Sektion Appenzell Ausserrhoden (Hrsg.): 50 Jahre TCS Appenzell A.Rh. 1953-2003. [Herisau] 2003, S. 27-29.

Steinmann, Eugen: Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Aus-    serrhoden, Bd. 2. Der Bezirk Mittelland. Basel 1980, S. 106-113 (Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 70).

Strafgesetzbuch für den Kanton Appenzell A. Rh. Vom 28. April 1878. [S.l.] 1978.

Tobler, Otto: Das Verhöramt in seiner Entwicklung. In: Entwicklung und Funktionen der Landesämter in Appenzell A. Rh. vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Trogen 1905, S. 160-164.

Transkription:

Handschriftliche Kommentar sind mit eckigen Klammern gekennzeichnet; der Text heisst neu:

[Mörderbande]
Gefängnis-Ordnung.
[Ab] Aufstehen auf das Glocken-Signal im Vorraume.

1. Der Gefangene hat sich in seiner Zelle stille und ruhig zu ver-
halten.
Es ist sonach alles Sprechen, Singen, Pfeifen, sowie die
Verursachung irgend eines störenden Geräusches oder
Gepolters verboten. [erlaubt]

2. Mit Gefangenen in andern Zellen oder mit Drittpersonen zu
sprechen, ihnen zuzurufen, Zeichen zu geben, Briefe oder Mit-
teilungen irgend welcher Art zukommen zu lassen, oder von ihnen
in Empfang zu nehmen, ist untersagt, und ebenso
                                      [nicht]
3. das Beschädigen, sowie das Beschreiben oder Verunreinigen der
Zellen oder des Mobiliars.

4. Während des Tages darf sich der Gefangene ohne besondere Be-
willigung nicht zu Bette legen.

5. Wenn ein Gefangener von einem Unwohlsein befallen wird, welches
ihm ärztliche Hilfe notwendig erscheinen läßt, so soll er dies selbst
oder, wenn er hiezu nicht mehr befähigt wäre, durch einen Neben-
gefangenen dem Gefangenwart durch Rufen oder Klopfen zur
Kenntnis bringen.

6. Gesuche um die Bewilligung zum Schreiben, Lesen oder Arbeiten
sind durch den Gefangenwart an das Verhöramt zu richten.
                                                    [Mörderamt]
7. Den Anordnungen des Aufsichtspersonals ist von den Gefangenen
[nicht] unbedingt Folge zu leisten.

Nichtbefolgung dieser Gefängnisordnung, Entweichung, Flucht-
versuch, Ungehorsam und Wiedersetzlichkeit wird, wenn die Handlung
nicht strafrechtliche Verfolgung verlangt, disziplinarisch mit strengem
Arrest (Reduktion der Nahrung und Dunkel-Zelle) bestraft. [Danke]

Trogen, im Mai 1936 [Dies Herzlosen Werter könnt ich in die Hölle schicken]
[Halunken]
 
Das Verhöramt.

[Es folgt ein zumeist nicht mehr lesbarer, handschriftlicher Kommentar, der eine Erweiterung der Gefängnisordnung zu sein scheint.]

Tags:

Recht, Trogen, Bevölkerung, Gesetz, Gefängnis

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