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Titel:
Fasnächtliches Treiben am Gidio Hosestoss
Thema: Kultur
Ort: Herisau (Karte anzeigen)
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Datum: 06.03.1957
Masse: Schmalfilm 16mm, farbig, ohne Ton
Standort: Vorbesitz Metrohm-Stiftung, Herisau; Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden; Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden
Urheber/-in: Bertold Suhner
Beschreibung:
Auszug aus einem Farbfilm von Bertold Suhner (1910-1988). Zu sehen ist der Fasnachtsumzug Gidio Hosestoss in Herisau am Aschermittwoch, 6. März 1957. Der Elektroingenieur und Gründer der Firma Metrohm AG, Bertold Suhner, war ein begnadeter Amateurfilmer. Neben Naturaufnahmen und Dokumentationen von Firmenprodukten und -anlässen hat er auch Filme über das Herisauer bzw. Appenzeller Brauchtum hinterlassen. Der Ausschnitt zum Gidio Hosestoss zeigt den Fasnachtsumzug: Beteiligt sind die Marschmusik spielende Alte Garde, der Fahnenträger mit dem fasnächtlichen Herisauer Bärenwappen, der verstorbene Gidio Hosestoss, der auf einem Wagen von Jungen in Eselsmasken gezogen wird, die ebenfalls auf Wagen gezogenen trauernden Verwandten mit übergrossen Masken, der Pfarrer und der Mesmer, die Kanonengarde, die mit „Sublotere“ ausgestatteten „Fadehäxen“ sowie zahlreiche verkleidete Kinder und Jugendliche mit ihren Sujetwagen. Der Film endet mit der Bestattungsfeier bei der „Buchenkappelle“ in der Buchenstrasse.
Geschichte:
Wie jedes Jahr am Nachmittag des Aschermittwochs, fand auch 1957 der Fasnachtsumzug zu Ehren des Verstorbenen Gidio Hosestoss statt. Angekündigt wurde der Tod des berühmten Herisauers am Samstag zuvor in der Appenzellerzeitung: „Fröhliche Anzeige. Wir teilen der leckerlibegierigen Herisauer Jugend mit, dass unser heissgeliebter und hochverehrter Gidio Hosestoss zum 112. Mal zur ewigen Ruhe befördert worden ist.“ Unterschrieben haben die Trauernden „Eulalia Fadehäx und „die geplagte Leckerlikommission“. Der makaber-komische Fasnachtsklamauk hat seinen Ursprung vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei sich die Anfänge nicht mit Sicherheit bestimmen lassen.
Anlass zum fasnächtlichen Umzug der Herisauer Jugend gibt bis heute der angeblich an einem Leckerli erstickte junge Mann Gidio Hosestoss, der alljährlich als Stoffpuppe auf einem Wagen durch das Dorf gefahren wird. Vor ihm spielt die Alte Garde den Trauermarsch, hinter ihm folgen die „blaarenden“ Verwandten und eine ganze Menge verkleideter Trauergäste. Der Umzug endet bei der „Buchenkappelle“, dem Geburtshaus des Verstorbenen in der Buchenstrasse, wo der „Pfarrer“ die ulkige Trauerpredigt hält und die Testamentseröffnung verkündet und die Leckerlikommission schliesslich die traditionellen Leckerli an die Kinder verteilt. Die eigentliche „Bestattung“ des Gidio Hosestoss, die Gidio-Verbrennung, findet schliesslich am „Funkensonntag“ statt und bildet den Abschluss der Fasnacht und den Beginn der Fastenzeit.
1957 fand der Abmarsch der jugendlichen Trauergäste und Trauermusik „mit möglichst viel Lärm punkt 3 Uhr“ bei der Kälblihalle statt und der Umzug führte über Buchenstrasse, Oberdorf, Platz, Emdwiese, Hofegg, Schmiedgasse, Platz, Gossauerstrasse, Alte Bahnhofstrasse, Kasernenstrasse, Buchenstrasse bis zur Buchenkapelle. Die Festgemeinde war offenbar gross in jenem Jahr, wie die Appenzeller Zeitung am nachfolgenden Tag schrieb: „Dieser Aufmarsch, dieser doch nie überbordende Radau um die Kälblihalle! Diese Freude von klein und gross! […] Hei, wie das tönte und dröhnte und krachte und lachte, als der Zug mit der gewohnten Pünktlichkeit sich in Bewegung setzte! Welches rechte Herisauer Herz schlägt da nicht höher?“ Die Hauptelemente des Umzugs sind bis heute ähnlich geblieben. Was 1957 noch fehlte, sind die sammelnden Kässelibuebe und –meitle, Konfetti und Knallkörper. In einer amtlichen Bekanntmachung hatte das Herisauer Polizeiamt 1957 „das Abbrennen von Knallfeuerwerk auf öffentlichen Strassen und Plätzen der Wohnquartiere sowie in Wirtschaften“ und das „Sammeln von freiwilligen Beiträgen“ ohne Bewilligung verboten.
Der Fasnachtsumzug hatte sich im Lauf der Zeit immer mehr auch zur zeitkritischen Satire entwickelt, der den Zuschauern aktuelle Ereignisse in Karikaturform vor Augen führte. So wurden auch am Umzug von 1957 zeitgenössische Themen aufgegriffen: Unter dem Titel „Gidios Mondflug“ wurde auf den Wettlauf der Sowjetunion und der USA Bezug genommen, welche beide als erste Grossmacht die Raumschifffahrt zum Mond schaffen wollten. Am 4. Oktober 1957 schickte die Sowjetunion den Satelliten Sputnik ins All, zwei Jahre später gelang ihr die erste unbemannte Mondlandung. Mit dem Sujet „Gi-Dior“ wurde der in den 50er Jahren weltberühmte und einflussreichste Couturier Christian Dior parodiert, dessen Modeschöpfungen von manch emanzipierter Frau der 50er Jahre wie auch von Modekritikern als „Modediktat“ bezeichnet wurden.
Autorin: Kathrin Hoesli, Herisau
Literatur:
Schläpfer, Johannes, Magro, Amelia: Bloch und Gidio. Reihe Appenzeller Brauchtum, Bd. 3, hg. von Verlagsgemeinschaft St. Gallen, St. Gallen und Urnäsch 1988.
Appenzeller Zeitung, 2. 3. 1957, Nr. 52, „Fröhliche Anzeige“.
Appenzeller Zeitung, 5. 3. 1957, Nr. 54, „Der Gidio Hosestoss-Umzug in Herisau“.
Appenzeller Zeitung, 5. 3. 1957, Nr. 54, „Amtliche Bekanntmachung“.
Appenzeller Zeitung, 7. 3. 1957, Nr. 56, „Em Gidio Hosetoss sin Heimgang“.
Tags:
Herisau, Brauchtum, Fasnacht, Film, Bertold Suhner, Video
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