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Titel:
Aus dem Leben einer Stickerin und Ferggerin
Thema: Leute
Ort: Gonten (Karte anzeigen)
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Datum: --.--.1981
Standort: Beda Ammann, untere Briggasse 26, 3902 Glis
Urheber/-in: Josefine Mazenauer-Signer, Gonten
Beschreibung:
Digitalisierte Tonaufnahmen der Gontnerin Josefine Mazenauer-Signer (1892-1991). Die betagte Frau erzählte 1981 ihrem Enkel Beda Ammann Begebenheiten aus ihrem erlebnisreichen Leben, von ihren Eltern, von ihrer Heirat mit dem Gontner Franz Xaver Mazenauer (1883-1920) und den Aufenthalten in österreichisch-ungarischen Kurorten, wo Mazenauer mit Innerrhoder Handstickereien handelte. In Gonten wohnten sie im Haus "Aurora" (neben dem Schulhaus).
Geschichte:
Josefine Mazenauer-Signer wurde am 15. Januar 1892 geboren und wuchs auf der Liegenschaft Rüedis in Hintergonten auf. Als junge Frau wollte sie ins Ausland und bewarb sich bei einem Stickereihändler ihres Heimatdorfes um eine Stelle als Saisonstickerin. Dieser Entschluss sollte ihr Leben prägen. Franz Xaver Mazenauer, "Brogerlis Franz", (1883-1920) nahm das Mädchen mit in die noblen Kurorte Marienbad, Franzensbad und Abbazia in Österreich-Ungarn. Dort verkaufte er an die vornehme Kundschaft echte Innerrhoder Handstickereien, die er teils aus der Heimat mitbrachte, teils vor Ort herstellen liess. Schon bald fanden die jungen Leute Gefallen aneinander und heirateten am 3. Februar 1913 in der Klosterkirche von Einsiedeln.
Schon Mazenauers Vater, der Molkenbereiter Ignaz Franz Xaver Mazenauer (1851-1920), hatte mit dem Handel von Stickereien begonnen. Er war notabene die dritte Person, die sich im Firmenregister des 1883 gegründeten Innerrhoder Handelsregisteramtes als Broderieshändler eintragen liess. Diese Geschäftstätigkeit war damals so lukrativ, dass die Mazenauers einen gesellschaftlichen Aufstieg vollzogen. Mazenauer junior verkehrte auch in den besseren Kreisen der "Hofer", also der Oberschicht des Hauptortes Appenzell. Im Militär brachte er es bis zum Hauptmann, für den Sohn eines ehemaligen Molkenbereiters eine bemerkenswerte Laufbahn. Jeden Winter zog er mit Koffern voll Stickereien nach Abbazia (heute: Opatija), dem ältesten Kurort an der kroatischen Adriaküste, wo er ein Geschäft betrieb. Im Mai ging es dann zur Saisoneröffnung nach Marienbad und Franzensbad. Dort traf sich die vornehme Gesellschaft der österreichisch-ungarischen Monarchie im Sommer, um während mehrerer Wochen samt Hauspersonal die Sommerfrische zu geniessen. Die Geschäfte liefen glänzend! Zur Hoferchilbi kehrte Mazenauer im Herbst nach Appenzell zurück. An den so genannten Schöttlerbällen ging es hoch zu und her, trafen sich doch dort alle Innerrhoder Gewerbetreibenden, die im Ausland saisonal tätig waren. Auch mit Schweizer Molkereibetrieben und so genannten Milchkuranstalten - Kaffee-Restaurants, in denen frische Milchprodukte serviert wurden - liess sich damals im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn gutes Geld verdienen.
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges ging diese goldene Zeit zu Ende. 1916/17 liquidierte Mazenauer den Hausrat in Marienbad, wo er mit seiner Frau eine Zweitwohnung eingerichtet hatte, und im Dezember 1917 liess er die Stickereifirma aus dem Appenzeller Handelsregister streichen. Schon damals hegte er Pläne, seine Geschäftstätigkeit auf eine grössere Basis zu stellen. Er beabsichtigte, nach dem Ende des Krieges als Engroshändler bestickte Taschentücher in die USA zu exportieren. Zunächst warteten jedoch in der Heimat neue Aufgaben auf ihn.
Ohne dass er vorher ein öffentliches Amt inne gehabt hätte, wählte ihn die Landsgemeinde 1918 zum Zeugherrn (Vorsteher des Militärdepartements). Er konnte dieses Amt indes nur zwei Jahre ausüben. Im Frühling 1920 erkrankte er schwer an der Grippe und verstarb innert einer Woche. Seiner Witwe Josefine Mazenauer-Signer blieb nichts anderes übrig, als die bereits begonnenen Geschäfte mit den USA zu liquidieren. Die mutige Frau liess sich von diesem Schicksalsschlag nicht unterkriegen und begann, sich als selbständige Stickerei-Ferggerin zu betätigen, d.h., sie vermittelte an Innerrhoder Heimarbeiterinnen Stickaufträge, die sie namentlich von einem Zürcher Textilgeschäft erhielt. Bis 1970, ihrem 78. Lebensjahr, sicherte sie sich damit den Lebensunterhalt. Josefine Mazenauer-Signer verstarb am 24. Januar 1991 99-jährig im Pflegeheim Appenzell.
Autor: Stephan Heuscher, Appenzell
Literatur:
Appenzeller Volksfreund Nr. 41, 6. April 1920, S. 1, Nr. 42, 8. April 1920, S. 2 und Nr. 25, 14. Februar 1991, S. 4
Neff, Karl und Dörig Josef: Appenzell Innerrhoder Schöttler, Milchkuranstalten und Broderieshänder im Ausland. In: Innerrhoder Geschichtsfreund 8 (1961), S. 3-30
Signer, Jakob: Chronik der Appenzell Innerrhoder Liegenschaften. In: Appenzellische Geschichtsblätter 21 (1959), Nr. 9 und 10, September/Oktober
Spycher, Albert: Die Fergger. Zwischen Auftraggebern und Heimarbeitenden. Herisau 2003
Sutter, Carl: Die Standeskommission des Kantons Appenzell Innerrhoden. Kurze Biographien der Mitglieder der Standeskommission von Appenzell Innerrhoden von 1873-1988. In: Innerrhoder Geschichtsfreund 31 (1988), S. 73
Tags:
Tonträger, Stickerei, Broderiehändler, Lebensform, Innerrhoden, Gonten, Lebensstil, Lebensweise, CD, Marienbad, Franzensbad, Abbazia, Audio
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