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Titel:
Befreiung aus osmanischer Sklaverei
Thema: Leute
Ort: Heiden (Karte anzeigen)
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Datum: --.--.1808
Masse: 32 x 25 cm
Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden
Urheber/-in: Appenzeller Kalender
Beschreibung:
Für den Appenzeller Kalender auf das Jahr 1808 erstellter Holzschnitt als Illustration zum Bericht über zwei aus osmanischer Sklaverei losgekaufte Ausserrhoder. Links (Figur II), in der Kleidung eines Arbeitssklaven, der Schwellbrunner Johannes Frischknecht. Rechts (Figur I), in der Kleidung eins Haussklaven, Johannes Rohner (1777-1855) aus Heiden. Der Holzschnitt trägt die Überschrift „Vorstellung und kurze Beschreibung zweyer aus der Sklaverey zu Tunis zurückgekommener Schweizer“.
Geschichte:
Schon Johannes Rohners Vater hatte in fremden Diensten gestanden und wusste seinem Sohn viel Abenteuerliches zu erzählen, so dass seine „Lust, ebenfalls in die Fremde zu gehen, täglich zunahm“, wie Rohner berichtet. 1794 liess er sich im Alter von 16 Jahren im Gasthaus Hirschen in Thal von einem Werber für die piemontesisch-sardinischen Dienste engagieren. Es war also Rohners Abenteuerlust, die ihn ins Ausland verschlug. Im Allgemeinen hatte der Solddienst Ende des 18. Jahrhunderts aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs im Land an Attraktivität verloren. Die Verdienstmöglichkeiten in der aufstrebenden Textilindustrie waren für Appenzeller weit verlockender, als der mit vielen Gefahren verbundene Solddienst.
Zwei Jahre lang unterstand Johannes Rohner dem Regiment Schmid im Piemont. Als das Regiment aufgelöst wurde, wollte Rohner in seine Heimat zurückkehren, doch erfuhr er in Bellinzona von einem Landsmann aus Grub, dass „gegenwärtig Handel und Gewerb stocke, der Verdienst klein sey, und die nöthigsten Lebensmittel im Preise täglich steigen.“ Die Nachricht war Grund genug für Rohner, sich erneut in fremde Dienste zu begeben. Dies mag erstaunen, zumal zeitgenössische Chroniken die 1790er Jahre als wirtschaftlich gute Jahre beschreiben, in welchen in Appenzell Ausserrhoden sowohl Landwirtschaft als auch Handel und Gewerbe blühten. Gleichzeitig verursachten aber die schnellen Wechsel der Preise viele Verschuldungen. Johannes Rohner liess sich 1796 für ein deutsches, in königlich-neapolitanischen Diensten stehendes, Regiment anwerben. Auf der Überfahrt von Genua nach Neapel wurde das Schiff jedoch von türkischen Seeleuten überfallen, welche die piemontesischen Söldner als Sklaven nach Tunis verkauften. Rohner verbrachte von da an zehn Jahre als Haussklave, zunächst des Beys von Bardo, später des osmanischen Befehlshabers Soliman. Essen bekam der Sklave Rohner nur schlechtes, dafür oft Schläge vom Dienstherren, wie er später berichtete. Johannes Frischknecht, der sich auf dem gleichen Schiff befunden hatte, wurde als Sklave zu harter Arbeit im Kalkabbau eingesetzt.
In einem Brief an seine Eltern, „geschriben in der barbarey bardo bey Tunis“ 1804 und unterzeichnet mit „Johan Ronner Infelice Schiavo“ (Johannes Rohner, unglücklicher Sklave), gibt Rohner seiner Verzweiflung über sein „trauriges und elendtvolles Leben“ Ausdruck und schildert seine Angst, sein ganzes Leben in Sklaverei verbringen zu müssen. Erste Hoffnung konnten die beiden Appenzeller schöpfen, als sie aus einem elterlichen Brief erfuhren, dass in mehreren Gemeinden des Kantons Säntis eine Steuer für sie gesammelt wurde, um sie freizukaufen. Schliesslich kam ihnen die weltpolitische Lage zu Hilfe. Als Neapel 1806 unter die Herrschaft des französischen Kaisers Napoleon I. geriet, wurden mehrere neapolitanische Söldner aus der osmanischen Gefangenschaft freigekauft. 1806 wurden auch Johannes Rohner und Johannes Frischknecht befreit. Rohner hielt seine Erinnerungen später in einer Druckschrift fest, die er 1838 unter dem Titel „Das Merkwürdigste aus der Lebensgeschichte eines Appenzellers, der 10 Jahre in afrikanischer Sklaverei war“ veröffentlichte.
Autorin: Kathrin Hoesli, Herisau
Chronologie:
1777 Geburt Johannes Rohner
1794 Rohner begibt sich in fremde Dienste nach Italien
1796 Überfall durch Osmanen und Beginn des Sklavenlebens in Tunis
1806 Befreiung aus osmanischer Gefangenschaft
1807 Heirat mit Elisabeth Züst (1784-1859)
1855 Tod Johannes Rohner
Literatur:
StAAR: Pa.77 Privatarchiv Rohner
Vorstellung und kurze Beschreibung zweyer aus der Sklaverey zu Tunis zurückgekommener Schweizer. In: Appenzeller Calender auf das Jahr 1808. Trogen o. O.
Das Merkwürdigste aus der Lebensgeschichte eines Appenzellers, der 10 Jahre in afrikanischer Sklaverei war. St. Gallen 1838.
Witschi, Peter. Appenzeller in aller Welt – Auswanderungsgeschichte und Lebensschicksale, Herisau 1994.
Tags:
Heiden, Solddienst, Holzschnitt, Fremde Dienste, Tunis, Sklaverei, Osmanisches Reich, Appenzeller Kalender
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