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Titel:
Rheintaler Wein-Büchlein
Thema: Wirtschaft
Ort: Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden (Karte anzeigen)
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Datum: --.--.1753
Masse: 16 x 9,5 cm
Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App b 261
Urheber/-in:
Beschreibung:
Das 20-seitige, kleine "Wein-Büchlein" wurde 1753 in Lindau gedruckt. Die vordersten und hintersten Seiten weisen Stockflecken auf (gelbe oder bräunliche Verfärbungen aufgrund von Feuchtigkeitsschäden). Ansonsten ist das Büchlein gut erhalten und mit mehreren barocken Verzierungen gestaltet.
Inhaltlich wird auf der zweiten Seite des "Wein-Büchleins" eine Notiz zu den Mengenberechnungen eingeschoben. Dabei wird festgehalten, dass die gleichen Mengen im Land Appenzell, in der Fürstabtei St. Gallen, im Rheintal und in Bregenz gültig waren. In der Stadt St. Gallen wurde mit einem anderen Mass gerechnet. Die darauffolgenden sieben Seiten enthalten eine ausführliche Rechnung, wie die Weinpreise damals aufgrund ihrer Menge und Qualität berechnet wurden:
Wenn ein Mass Wein 1 Kreuzer kostete (billigste Variante), dann wurde für den Eimer 32 Kreuzer verlangt. Beim Eimer handelte es sich um das ehemalige Tragmass für Wein in der Schweiz in Form eines offenen Holzgefässes, das in der Ostschweiz etwa 30–32 Mass umfasste.
Für einen Saum wurden 128 Kreuzer oder 2 Gulden und 8 Kreuzer verlangt. Beim Saum handelte es sich um das Transportmass für Wein in der Deutschschweiz; sowohl in der Innerschweiz wie auch in der Ostschweiz entsprach ein Saum etwa vier Litern.
Für einen Lägeln – ebenfalls ein Transportmass für Wein, das im St. Galler Rheintal 50 Liter (zu 40 Mass) umfasste – wurden 448 Kreuzer oder 7 Gulden und 28 Kreuzer berechnet.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in der Weinrechnung chronologisch aufgelistet wird, wie viel ein Wein für 5 Pfennige bis 58 Pfennige (steigende Qualität und Preis pro Mass; vier alte Pfennige entsprachen einem Kreuzer) in einem Eimer, in einem Saum oder in einem Lägeln kostete. Der teuerste und damit auch beste Wein (1 Mass für 58 Pfennig) kostete in einem Eimer 464 Kreuzer, in einem Saum 1856 Kreuzer und in einem Lägeln 3256 Kreuzer.
Noch ausführlicher als die Weinrechnung ist die Festsetzung der Weinpreise (Weinlauf) während 270 Jahren, welche auf den zwölf übrigen Seiten des "Wein-Büchleins" notiert ist. Dabei holt der Autor zuerst weit aus und beginnt mit dem Jahr 1426. 1426 sei das bisher beste Weinjahr für das Rheintal gewesen. Zwischen 1445 bis 1460 erfolgte die Eroberung des Rheintals durch die Appenzeller, das Rheintal war von 1460 bis 1489 T der appenzellischen Vogtei und wurde vom Vogt zu Rheineck verwaltet. 1490 musste Appenzell das Rheintal an die acht Orte der Alten Eidgenossenschaft abtreten und wurde somit bis zu deren Auflösung im Jahr 1798 von den Schirmorten als deren gemeine Herrschaft verwaltet. Der Rebbrief von 1471, der dieses "Wein-Büchlein" massgeblich beeinflusste, wird erwähnt.
Um aber dem Titel gerecht zu werden, erfolgt nach dem eher kurzen historischen Rückblick die eigentliche Liste des "Weinlaufs" zwischen 1483 und 1753. Diese Zeitspanne wird grob in drei Blöcke unterteilt. Die lange Phase von 1483-1701 hält keine grossen lokalpolitischen und somit auch wirtschaftlichen Veränderungen fest. In der Periode von 1701-1725 werden erste Kategorisierungen vorgenommen (das Rheintal in Oberlauf und Unterlauf unterteilt) und im letzten Abschnitt von 1725 bis 1753 eine starke Differenzierung dokumentiert und die Orte einzeln aufgelistet: Altstätten, Marbach, Balgach, Berneck, Hasslach, St. Magrethen, Rheineck, Thal und St. Gallen. Während 270 Jahren wird zu jedem Jahr der Preis des Weins festgehalten. Auf manche Jahre wird stärker eingegangen und Begebenheiten zum Rotwein, Weisswein, Wetter, dem Tag der Weinlese oder des Wimmelns, sowie die Grenzverschiebungen aus lokalpolitischen Gründen festgehalten.
Geschichte:
Das „Wein-Büchlein“ dokumentiert zwar vor allem eine Weinrechnung und einen Weinlauf, die nicht explizit mit Beispielen aus dem Appenzellerland unterstrichen werden, dennoch kann angenommen werden, dass die gleichen Verhältnisse in appenzellischen Landen herrschten. Vor allem die gegen das Rheintal abfallenden Hänge des appenzellischen Vorderlandes waren bedeutend für den Rebbau. In mehreren Chroniken ist der grosse Weinanbau in den Gemeinden Wolfhalden, Lutzenberg, Heiden, Walzenhausen und Rüti erwähnt. Auf der Karte des Appenzellerlandes (1740) vom Chronist Gabriel Walser sind die Rebberge der Vorderländer Gemeinden eingezeichnet.
Chronisten halten fest, dass am Kurzenberg und am Hirschberg im Jahr 1624 etwa 1200 Saum Wein gewachsen seien. Heute entspricht dies einer Menge von etwa 1800 Hektolitern Wein. Im Jahr 1867 wurden im Vorderland noch 197 Rebbesitzer und 55 Weinberge gezählt. Da gegen Ende des 19. Jahrhunderts Rebkrankheiten aus Amerika eingeschleppt und aufgrund der Eisenbahn billigere ausländische Weine eingeführt wurden, erfuhr der Appenzeller Rebbau einen drastischen Rückgang. Bis heute hat er nichtmehr die damalige Bedeutung erreicht.
Im „Wein-Büchlein“ wird der Rebbrief von 1471 mehrere Male erwähnt, weil dessen Abkommen während diesen 270 festgehaltenen Jahren immer wieder bestätigt oder erneuert wurde. Ende Januar 1471 fanden sich Vertreter der Stadt St. Gallen, Vertreter von Altstätten, Marbach, Berneck und Balgach, Vertreter des Abts von St. Gallen sowie einer Appenzeller Delegation als Vögte vom Rheintal im Rheintal zu einer Besprechung zusammen. Anlass dazu haben vor allem Streitigkeiten bezüglich des Weinlaufs gegeben, d.h. bezüglich des jährlich festgelegten Weinpreises. Bei dieser Besprechung wurden erstmals Pflichtverteilungen urkundlich festgehalten. Es wurde vereinbart, dass jeweils im Herbst die Altstätter, Marbacher, Bernecker und Balgacher je einen Vertreter nach St. Gallen schicken sollten, um mit dem Rat den jährlichen Weinpreis auszuhandeln. Neben weiteren Bestimmungen ist der Rebbrief auch ein Zeugnis für die landwirtschaftliche Entwicklung der spätmittelalterlichen Nordostschweiz.
Autorin: Nina Sonderegger, Speicher
Literatur:
Dubler, Anne-Marie: Eimer. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.12.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D14217.php (05.08.2011).
Dubler, Anne-Marie: Lagel. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.11.2007. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D14221.php (05.08.2011).
Dubler, Anne-Marie: Mass. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.10.2009. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D14198.php(05.08.2011).
Dubler, Anne-Marie: Saum. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.02.2011. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D25985.php (05.08.2011).
Fedel, Lorenzo: Kreuzer. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.11.2008. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13679.php (05.08.2011).
Hollenstein, Lorenz: Rheintal. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.10.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7648.php (05.08.2011).
Rossi, Cäsar: Ein einziger Rebberg im Appenzellerland. "Wienachtswy" und "Landsgmendwy". In: Zuger Nachrichten, Beilage 1. August 1984.
Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II. Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau 1972, S. 87-95.
Sonderegger, Stefan: Der Rebbrief von 1471 - eine wichtige Quelle zum Weinbau im St. Galler Rheintal. Kommentar und Neuedition. In: Meier, Thomas und Roger Sablonier (Hrsg.): Wirtschaft und Herrschaft. Beiträge zur ländlichen Gesellschaft in der östlichen Schweiz (1200-1800). Zürich 1999, S. 43-53.
Sonderegger, Stefan: Weinbau im St. Galler Rheintal im 15. Jahrhundert. Dargestellt am städtischen Spital St. Gallen. In: Vierteljahrsschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs. Montfort 1999, Sonderdruck Jg. 51, S. 129-138.
Spahr, Gebhard: Geschichte des Weinbaus im Bodenseeraum. In: Maurer, Helmut (Hrsg.): Der Bodensee. Landschaft, Geschichte, Kultur. Sigmaringen 1982, S. 189-229.
Tags:
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