Zeitzeugnisse

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Titel:

Pfarrer Holdereggers Einsatz für den julianischen Kalender

Thema: Politik

Ort: Wald    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1701

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App b 90

Urheber/-in: Holderegger, Adam

Beschreibung:

Gedruckte Streitschrift von Pfarrer Adam Holderegger von Wald gegen die geplante Einführung des neuen Gregorianischen Kalenders in Appenzell-Ausserrhoden 1701. Seine Hauptargumente in der 45-seitigen Druckschrift, gespickt mit unzähligen Bibelzitaten (hier auf 24 pdf-Seiten dargestellt), sind zusammengefasst folgende:

->  Der Kalender, obwohl heidnischen Ursprungs, sei auch bei den Christen stets in Gebrauch gewesen und brauchbar (pdf S. 5)

->Der neue (gregorianische) entspringe nur der päpstlichen Machtpolitik im Bündnis mit den katholischen Fürsten und wolle damit auch alle Evangelischen beherrschen (pdf S. 6-8, 12)

->Die Kaufleute sollen selber entscheiden, mit welchem  Kalender sie arbeiten wollen; die Kirche jedoch hat festgelegte Feiertage zu beachten (pdf S. 14f)

-> Wichtiger als neue Kalenderweisheiten der Gelehrten sei die Vorbereitung auf das baldige Weltende und das Jüngste Gericht (pdf S.20ff).

Geschichte:

1584 ersetzte die Behörde in Appenzell den alten julianischen Kalender durch den neuen von Papst Gregorius und löste damit im Land Appenzell grosse Unruhen aus, denn die Reformierten in Ausserrhoden weigerten sich, den neuen Kalender anzunehmen. Dadurch entstand ein grosses Chaos, weil die ausserrhodischen Reformierten ihre Feiertage elf Tage nach den Katholiken abhielten. In Übereinstimmung mit den übrigen Evangelischen Ständen beschoss deshalb die Obrigkeit von Appenzell Ausserrhoden, dass zu Beginn des Jahres 1701 die ersten elf Tage ausgelassen würden und das neue Jahr mit dem 12. Januar beginnen solle, um den gregorianischen Kalender auch in Ausserrhoden einzusetzen.

Der in Gais geborene Adam Holderegger (1653-1709) entwickelte sich während seines Pfarramts in Wald zum herausragenden Gegner des neuen Kalenders im Kalenderstreit und stellte sich damit gegen die Obrigkeit und seine Pfarrkollegen. Seine in einer Schrift abgefasste Ablehnung des gregorianischen Kalenders, welche hier als Zeitzeugnis vorgestellt wird, fand beim Volk offenbar Anklang und blieb deshalb nicht ohne Wirkungen: Die Obrigkeit konnte das Volk in seiner ablehnenden Einstellung zum neuen Kalender nicht umstimmen.
Die Frage, ob die Reformierten den neuen Kalender annehmen wollten, wurde dann 1701 sogar an einer Landsgemeinde in Hundwil verhandelt und auch dort abgelehnt. Dies war peinlich für die weltliche und geistliche Behörde, da diese sich in der Kalenderfrage nun anders verhalten mussten, als zusammen mit den übrigen Evangelischen Ständen vorgesehen. Gerade den Kaufleuten erschien dieser Entscheid unvernünftig, mussten sie sich doch täglich mit dem Zeitunterschied zwischen gregorianischem und julianischem Kalender befassen. Anders sah es Holderegger – für ihn war dieser Entscheid ein Sieg der Rechtgläubigen.
Mit dieser Entwicklung im Kalenderstreit machte sich Holderegger bei den Regierenden sehr unbeliebt, bis er schliesslich am 6. Mai 1701 aus dem Pfarrkonvent ausgeschlossen wurde und man zwei Nachfolger für seine Pfarrstelle in Wald einsetzte. Adam Holderegger, der vor seiner Pfarrzeit in Wald auch schon in Rehetobel aus unbekannten Gründen in Ungnade gefallen war, verliess daraufhin das Land und starb 1709 in Frankfurt am Main.

Der „Julianische Kalender“ war unter der Regierung von Julius Caesar aus dem ägyptischen Kalender entwickelt worden. Seine Besonderheit war der Schalttag im Februar in den durch 4 teilbaren Jahren (heute der 29.Feb.). Da er aber im übrigen dem Sonnenjahr entsprach, das nun also auf 365,25 Tage im Vierjahresdurchschnitt festgelegt wurde, ergab sich eine Ungenauigkeit, die erst im 16.Jahrhundert durch päpstliche Astronomen festgestellt wurde. Das astronomische Sonnenjahr ist eben kürzer, so dass bis ins 16.Jh. ein Ueberschuss von 10 Tagen entstanden war. Papst Gregor XIII. verfügte deshalb 1582 die Streichung des 5. bis 14.Oktobers. Dieser „Gregorianische  Kalender“ wurde von den katholischen Staaten sofort übernommen, von den evangelischen aus politischen Gründen erst 100 bis 150 Jahre später, von den orthodoxen sogar erst im 19. oder 20.Jh.

Autoren: Hans Georg Kasper, Trogen und Katharina Merian, Speicher 

Literatur:

Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II. Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau 1972, S. 193-204.

Züst, Ernst: Wald. Die Geschichte der Gemeinde Wald. Herisau 1986, S. 65-69.

Zemanek, Heinz. Kalender und Chronologie. Bekanntes und Unbekanntes aus der Kalenderwissenschaft. 6.Aufl. München 2008

Tags:

gedruckt, Politik, Wald, Religion, Buch, Öffentliche Meinung, Kalenderstreit

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