Zeitzeugnisse

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Titel:

Sophie Taeubers Kinderjahre in Trogen

Thema: Leute

Ort: Trogen    (Karte anzeigen)

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Datum: 25.09.1902

Masse: Werbemarke 2,7 x 2,3 cm auf Postkarte 9 x 14 cm

Standort: Privatbesitz Max Matti, Appenzell; Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, KB-015093

Urheber/-in:

Beschreibung:

Seit 1995 halten wir sie immer wieder in Händen, tragen sie in unseren Brieftaschen mit uns – tausendfach vervielfältigt: Die 50-Franken-Note mit Sophie Taeuber, die «als Vertreterin der konkreten, rhythmisch-geometrischen Kunst zu den herausragenden […] Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts» gehört.(1) 100 Jahre früher war Sophie als Fünfjährige nach Trogen gekommen. Dort erlebte sie ihre Kindheit und Jugend in einem von Vielfalt und Bewegung, von Kreativität und Betriebsamkeit geprägten Umfeld und als Schulkameradin von Sticker- und Weberkindern.

Geschichte:

Elisabeth Pletscher (1908–2003), eine Generation jünger als Sophie Taeuber (1889–1943), und wie diese in Trogen aufgewachsen, erzählte, wie sie selbst zusammen mit Nachbarskindern regelmässig vor den Kellerfenstern der Weber sass und schaute und staunte. Auch die tonnenschweren Stickmaschinen in den Häusern mit Sticklokalen waren eine Attraktion für neugierige Kinder. Der wundersam anmutende Mechanismus der Übertragung kleiner geometrischer Zeichnungen via Pantograf in hundertfacher Vervielfältigung auf die Maschine war ein Faszinosum der besonderen Art. «Wir wollten Entwerferinnen werden», hielt Pletscher fest. (2) Taeuber besuchte ab 1904 eine Privatschule für Zeichnen und Entwerfen in St. Gallen.

Pulsierender Boulevard du Sud
Die textile Heimindustrie war um 1900 in Trogen der prägende Wirtschaftszweig. Daneben hatte sich das Dorf um die Jahrhundertwende einen Ruf als Luftkurort geschaffen. Die internationale Atmosphäre wurde begünstigt durch die Kantonsschule, deren Schüler von überallher kamen und in Privathäusern im Dorf und bei Lehrpersonen lebten. 1881 gründete das Arztehepaar Hans und Mathilde Zellweger-Krüsi, beeinflusst durch den Ferienkolonien-Pionier Walter Bion, am Trogner «Boulevard du Sud» im Sonnenhof, dem heutigen Café Ruckstuhl, ein Ferienheim für Kinder besserer Stände. Bis zur Jahrhundertwende hatte sich die Anstalt zum ganzjährigen Schulsanatorium und Erziehungshaus erweitert und war eingerichtet für die Aufnahme, Pflege und Erziehung erholungsbedürftiger, schwächlicher, chronisch leidender und nervöser Kinder beiderlei Geschlechts. Mathilde war die Schwester von Sophie Taeubers Mutter. Onkel und Tante Zellweger-Krüsi boten Sophies Familie nach dem Tod des Vaters ein Zuhause. 1900 bis 1902 erbaute die alleinerziehende Mutter nach eigenen Entwürfen die «Villa Taeuber», ein Jugendstil-Haus, in dem «ausgewählte zartere Mädchen und Töchterchen» der Kinderkuranstalt, aber auch Schüler der Kantonsschule als Pensionäre wohnten. (3) Sophie und ihre Geschwister waren gleich alt wie die vier Cousinen und Cousins aus Zellweger’schem Haus. In diesem anregenden Umfeld spielte Sophie Theater, musizierte, bastelte, stickte, klöppelte, turnte, wanderte und arrangierte «Charaden» und «Soirées dansantes». (4)

Begleitet bis ans Lebensende
«Es waren Zeichnungen, Klebebilder und Stickereien, die mit den elementarsten Mitteln der Gestaltung, mit der Reduktion aller Formen auf Vierecke und deren Beziehungen auf der Fläche, einen neuen Ausdruck suchten», charakterisiert Max Bill Sophie Taeubers Frühwerk ab 1915. (5) Die Neugierde, das Experiment und das Grenzüberschreitende, das Ineinanderfliessen von Literatur, Malerei, Architektur, Musik und Tanz, das in kurzen Intervallen neue Ausdrucksweisen, Formen, Verflechtungen und Kombinationen hervorbringen liess, haben Sophie bis an ihr Lebensende begleitet, als malerisch-plastische Exponentin wie als Tänzerin der Dada-Bewegung, beim Gestalten der Räume der Aubette in Strasbourg oder ihres Hauses in Clamart bei Paris.

Autorin: Heidi Eisenhut, Trogen

Literatur:

Anmerkungen: (1) Siehe www.snb.ch à Bargeld à Die aktuelle Banknotenserie à 50-Franken-Note; (2) Fricker, Taeuber-Arp, o.S.; (3) Zellweger'sche Kinderkuranstalt, S. 6 und 9; (4) Ibid., S. 8; (5) Bill, Taeuber-Arp, S. 167–171.

Quellen: KBAR, App b 8216 Zellweger'sche Kinderkuranstalt Trogen. Prospect 1902. Trogen 1902. KBAR, KB-015093 Postkarte

Literatur: Bill, Max: Sophie Taeuber-Arp. In: Das Werk 30/6 (1943), S. 167–171; Bucher, Annemarie: Taeuber-Arp, Sophie. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.05.2012. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D21964.php (23.08.2012); Fricker, H.R.: Sophie Taeuber-Arp. Kindheit und Jugend in Trogen. Hrsg. von der Kronengesellschaft Trogen. Zürich 1995; Grossmann, Elisabeth: Taeuber-Arp, Sophie Henriette Gertrud [Taeuber, Sophie]. In: Sikart. Version vom 19.03.2007. URL: www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4023423 (08.12.2012); Kühn, Christoph: Sophie Taeuber-Arp. Film, CH, 1991, 44'; Nestler, Wolfgang et al.: Sophies Inseln. Film, CH, 2009, 25'; Schick, Kathrin (Hrsg.) et al.: Bewegung und Gleichgewicht. Sophie Taeuber-Arp 1889–1943. Movement and balance. Bielefeld 2009; Strebel, Hanspeter und Kathrin Barbara Zatti: «Es gibt Dinge, die brauchen Zeit». Elisabeth Pletscher, Zeitzeugin des 20. Jahrhunderts. Herisau 2005; Schweizerische Nationalbank. 50-Franken-Note. URL: www.snb.ch/de/iabout/cash/current/design/id/cash_current_design_50 (08.12.2012).

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