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Titel:

Statuten der appenzellischen Synode der Reformierten Kirche

Thema: Leute

Ort: Appenzell Ausserrhoden    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1742

Masse: 20,7 x 17,3 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App b 1205

Urheber/-in:

Beschreibung:

Beim vorliegenden Zeitzeugnis handelt es sich um die 1742 erneuerten Statuten „Constitutiones Synodi Appencellensis“ der Synode der appenzellisch-reformierten Kirche. Die appenzellische Synode geht auf das Jahr 1602 zurück, als sie sich das erste Mal Statuten gab, um die Erhaltung eines theologischen und charakterlichen Niveaus in der Kirche zu gewährleisten.

Im insgesamt 7-seitigen Dokument sind die Statuten auf zwölf Paragraphen verteilt:

§ 1: Referiert über den Zweck der Synode: Vergrösserung des „Reichs-Jesu“

§ 2: Referiert über Zeit und Ort der Synode: Die gewählten Laien und Geistlichen haben sich abwechslungsweise in Trogen und Herisau einmal jährlich, am Mittwoch nach Ostern,  morgens um sechs Uhr zur Synode einzufinden und sind am Dienstagabend um vier Uhr zu einer Prosynode im Pfarrhaus eingeladen. Am Mittwochmorgen der Synode findet um 9 Uhr die Predigt statt, danach ein bescheidenes Mittagessen, gefolgt von der Wiederaufnahme der Synode.

§ 3: Referiert über die Wahl des Dekans: Der Dekan wird mit Mehrheitsbeschluss gewählt. Es werden dazu neue Bedingungen aufgestellt, und zwar muss der zu wählende Dekan ein Landsmann sein. Ausserdem muss der Cammerarius (Sekretär), der zeitgleich gewählt wird, auf der anderen Seite der Sitter wohnen als der Dekan.

§ 4: Referiert über die Ordnung der Synode: Die Synode verläuft in verschiedenen Akten. Als erstes nimmt die Synode die Inspektionsberichte des Dekans entgegen, dann können die Mitglieder Gegenstände vorbringen, Wünsche äussern oder Kritik üben. Schliesslich schreitet die Versammlung zur Zensur ihrer Mitglieder, was laut der Statuten „ohne Eifer, Passion oder falsche Absicht“ erfolgen sollte.

 § 5: Referiert über die finanziellen Mittel der Synode: Jedes Mitglied hat einen Dukaten in den Säckel zu bezahlen. Der Pfarrer selbst muss dem Sekretär einen Gulden zahlen, den er jedoch von der Gemeinde wieder zurückerhält. Zudem erhält der Sekretär pro Mitglied der Synode einen Gulden für die Mahlzeiten aus dem Landsäckel (Staatskasse).

§ 6: Referiert über die Schweigepflicht: Von der Synode wird explizite Schweigepflicht verlangt.

§ 7: Referiert über die theologische Prüfung: Das Theologische Examen wird in St. Gallen durchgeführt; anwesend sind der Prüfling, der Examinator und ein Sekretär.

§ 8: Referiert über die Wahl eines neuen Pfarrers: Der „Competent“ muss sich beim Landammann und Dekan melden und ausserdem in einer der folgenden Städte geprüft worden sein: Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen oder St. Gallen.

§ 9: Referiert über die Synodal-Predigten: Die Predigten während der Synode werden von den neuen Mitgliedern gehalten.

§ 10: Referiert allgemein über Predigten und Katechismen: Predigten sollten unnötige Kontroversen auslassen, Gebet und fleissige Meditation enthalten. Für die Predigten muss der Züricher Katechismus verwendet werden. Bei den Beerdigungsgottesdiensten, sogenannten „Leich-Predigten", darf nicht über die ärgerlichen Charakterzüge des Verstorbenen gesprochen werden. Es dürfen nur solche beerdigt werden, die das Abendmahl empfangen haben. 

§ 11: Referiert über die Kindertaufe: Dieser Paragraph verbietet die Kindertaufe bei Nacht. Eine Taufe kann erst erfolgen, wenn der rechtmässige Vater sich zum Kind bekannt hat. Der Paragraph fügt an, dass auch Kinder von Hinter- und Beisassen getauft werden müssen und einen Eintrag ins Taufbuch der Gemeinde erhalten.

§ 12: Referiert über die Verheiratung: Die zu Verheiratenden müssen sich zuerst beweisen, indem sie ihre Personalien angeben und auf die „Hauptstücke“ der Christlichen Religion erfolgreich geprüft worden sind.

Geschichte:

Die meisten appenzellischen Praedikanten hatten ein gründliches Theologiestudium an den Schulen von Zürich oder Basel genossen. Eine wichtige Aufgabe des Pfarrers war der Katechismus-Unterricht, die Kinderlehre. Dabei wurde ein Büchlein verwendet, welches die wichtigsten Erkenntnisse in Form von Fragen und Antworten vermittelte. Die Pfarrer waren zwar gesellschaftlich gut gestellt, mussten ihre Pflicht aber häufig unter ungünstigen Bedingungen erfüllen, da der Andrang zu den Pfarrstellen z.B. im 17. Jahrhundert recht gross war. Konsequenterweise arbeiteten die Pfarrer zu einem schlechten Lohn. Ein wöchentliches Salär eines Pfarrers betrug zwischen fünf und sechs Gulden, dazu noch das Holzgeld und die freie Wohnung im Pfarrhaus. Aufgrund der schlechten Konditionen gingen viele Pfarrer den seltsamsten Nebenverdiensten nach, so z.B. dem „Rosshandel“. Für den Nebenerwerb fungierten die meisten aber als Schullehrer nebst ihrer eigentlichen Anstellung beim Pfarramt.

Im Paragraphen § 4 wird über die Zensur der Mitglieder der Synode referiert. Hier wird in den Statuten zwar nicht weiter auf diese Problematik eingegangen. Die st. gallisch-appenzellische Synode, die im 16. Jahrhundert entstanden war und sich 1544 die Statuten gegeben hatte, gibt Auskunft darüber, welchen Pfarrern unter dem § 4 bei der Synode Vorwürfe gemacht wurden. Die Vorwürfe beschränkten sich auf unfleissiges Predigen, zu häufiger Besuch im Wirtshaus, auf Predigten, die zum Gelächter einluden, und auf die Gestaltung von Leich-Sermonen, welche viel zu lange und zu lobreich auf die verstorbene Person ausfielen.

In den selben Paragraphen wird auch die Anmerkung gemacht, dass es häufig unklar ist, welche Belange nicht von der Kirche, sondern vom Ehegericht entschieden werden müssen, was darauf hinweist, dass sowohl die Kirche als auch das weltliche Gesetz für sittliche Belange zuständig waren. Zwingli hatte für die evangelische Schweiz ein Vorbild geschaffen, indem er in Zürich das Ehegericht ins Leben rief. Das Ehegericht war eine Instanz, die nicht nur Ehesachen, sondern ganz allgemeine Verstösse gegen die Kirchenzucht und Sittlichkeit behandelte. Nach der Landteilung im Jahr 1597 erfolgte die Einsetzung eines Ehe- oder Chorgerichts in Appenzell Ausserrhoden, das bis 1816 geltendes Recht sprach. Das ausserrhodische Ehegericht oder Chorgericht entschied ausschliesslich Ehesachen, was dem zwinglianischen Sitten- und Ehegericht nicht ganz entsprach. Das Ehegericht existierte in Appenzell Ausserrhoden bis 1875. Das Ehegericht und die besondere Ehegerichtsbarkeit wurden dann durch die ordentlichen Zivilprozesse ersetzt.

Autorin: Nina Sonderegger, Speicher

Literatur:

Gilg, Peter: Kirche und Staat. Bis zum Ende der Alten Eidgenossenschaft. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.10.2008. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D11457-1-1.php (28.7.2011).

Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II. Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau 1972, S. 69-79.

Tobler, Titus: Landseckel. In: Appenzellischer Sprachschatz. Zürich 1837, S. 418.

Transkription:

Seite 1

CONSTITUTIONES
SYNODI
APPENCELLENSIS,
COMMUNITATUM
EXTERIORUM,
RENOVATAE.
AN. 1742

In necesariis Unitas, in non necesariis Libertas, ubique Charitas, Prudentia & Timor Dei suprema lex esto.

S. Galli Typis Wenigerianis, Anno 1742.

Übersetzung: Statuten der appenzellischen Synode, Mitteilung der äusseren Erneuerung anno 1742. In der Einheit ist es notwendig, was in der Freiheit nicht notwendig ist, dass überall milde Gabe, Lebensklugheit und die Furcht vor Gott über allen Gesetzen sein mag. St. Gallen Typ Weniger, anno 1742.

Seite 2

In nomine Jesu! (Übersetzung: Im Namen Jesus!)
§. 1. Von dem Zweck und Absehen des Synodi. Weil es um die Christliche Synodos eine uralte Apostolische Verordnung, dass die Vorstehere der Kirche, in Gegen=wart Obrigkeitlicher Deputierten, zu gewissen Zeiten, in dem Band des Friedens, Liebe und Furcht Gottes zu=sammen tretten, und die Dinge behandeln sollen, welche den Anwachss des Reichs Jesu befürdern, die Kirchen-Dienere zur Treue, Wachsamkeit, Ernst, Vorsichtigkeit und Geduld in ihrem wichtigen Amt, zu fleissig= und unermüdeter Seelen=sorge ihrer anvertrauten Gemeinden, zur Eintracht, Friede und Liebe un=tereinandern, zu Erläuterung zweifelhaffter  Dingen, zu Benbehalt=und Fortpflantzung gesunder, reiner Lehre und Gottseeligen Wandels, und Ab=schaffung der im Schwung gehenden Missbräuchen, Sünden und Lastern dienlich senn können. So ist bereits An. 1602. der Synodus in den Aussern Rooden des Lands Appenzell angeordnet, und bisher fruchtbarlich fortge=setzet worden.

§. 2. Zeit und Ort. Betreffend die Zeit und Ort des Synodi. so ist dazu beliebet worden der erste Mittwoche nach Ostern, und sollen die Herren Brüdere ein Jahr zu Trogen, das andere zu Herrisau alternatim am Dienstag Abends um vier Uhren, in dem Pfarrhause, zu Haltung des Prosynodi zusammen kommen, so dann am Mittwoch Morgen um 6. Uhr den Synodum würcklich anheben, um 9. Uhr die Predigt besuchen, und nach eingenommenem sehr bescheide=nen Mittag=Essen, zu Haltung des Synodi fort schreiten. Wer aber ohne erhebliche Ursachen ausbleibt, soll ein Gulden, und der so zuspäth kommt 15. Kreutzer Straff in den Kapitul=Seckel erlegen. Auch soll der ausbleibende Frater die Ursachen seiner Abwesenheit vorher dem Decano schrifft, oder mund=lich eröffnen und veniam ausbitten. Der es ihme nach befindenden Dingen erlauben, oder abschlagen mag; denn sonst ein jeglicher Ursach finden könnte, sich dieser Versammlung zu entziehen. Die Ernennung des Einlehrs soll am Synodo gmeinsammlich beschlossen werden. A 2 Wenn

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Wenn aber besondere und wichtige Umstände einen Synodum extra ordi-nariam erforderten, so mag ein jeweiliger Decanus mit Consens eines Ehr=samen Kleinen Raths, und Vorwissen des Cammerarii solchen ausschreiben. Ein Conventum Fraternum aber zu besammeln stehet lediglich den dem Decano; jedoch dass Er vorhero die Nothwenidgkeit desselben dem Cammerario schrifft=oder mundlich eröffne, und sollen sich die Membra Synodi so wohl den dem Synodo extra ordinaria, als Conventu Fraterno den obbedeuter Straffe gehorsamlich einfinden.

§. 3. Von der Wahl eines Decani. Dieselbe sollen fren und ungezwungen mit der mehrern Stimme hergehen, und das tauglichste Subjectum aus denen Brüdern erwehlt werden; jedoch mit der Condition, dass der Decanus ein Landmann, und auf welcher Seite der Sittern der Decanus erwehlt wird, auf der andern Seite der Cammerarius senn solle.

§. 4. Ordnung des Synodi. Der Synodus solle ben guter Zeit, mit einmüthiger Anruffung Gottes um die Benwohn= und Erleuchtung des H. Geistes angefangen, die Constitutiones, samt den Actis des letzt gehaltenen Synodi verlesen, und hernach die Subjecta so sich um den Bensitz gebührend angeben, abgehört, ihre Testimonia un=tersucht, und nach befindenden Dingen recipiert, oder zuruck gewiesen werden. Hierauf gibt der Decanus Rechenschafft seiner und der geführten Inspection, und überlasst der Versammlung einen Praesidenten des haltenden Synodi zu erwehlen. Nach dieser Wahl mag ein jeglicher Frater seine hegende Dubia in Amt=Kirchen= und Gemeinds=Sachen / in rebus dubiis & perplexis, ohne Confusion kurtz und realiter vorbringen, und anderer Gutachten darüber ver=nehmen. Was aber die Casus matrimoniales betrifft, da Quaestio ist, ob solche vor das Ehegericht gehören, oder nicht? Sollen dieselbe hinkünfftig nicht mehr in pleno sondern privatim dem Regierenden Herrn Landamman und Herrn Decano vorgetragen, und dero Entscheid hierüber genehmiget werden. Demnach schreitet man ad Censuram, in welcher man die Mängel des Fra-tris so censiert wird (der indessen mit seinen anwesenden Verwandten ausste=hen muss) in Lehr und Leben nicht soll verschweigen; jedoch dieselben allezeit, ohne Eifer, Passion, oder falscher Absicht einen Bruder nur zu blamieren, sondern zu Christbrüderlicher Correction und Erbauung mit Bescheidenheit, oder wo es nöthig mit erforderlichem Ernst eröffnen. [Daben] man die Gradus der Brüderlichen Bestraffung beobachten, so aber diese unverfänglich, erst dann mit

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mit der völligen Ausschliessung procedieren solle. Es darf aber in Censura nichts heimlich vorgebracht werden, von deme man seinen sichern Grund hat, und was heimlich gesagt wird, soll dem Fratri so censiert wird auch publice vorgehalten werden, und ihme erlaubt senn in instanti zu excipieren, wann er schon unschuldig, soll er dennoch nicht schelten, wohl aber mag er sich bescheiden=lich verantworten, und sich des ausgebürdeten purgieren. So ein Frater im Land censiert ist, soll dessen Censuram Synodo in St. Gallen fraterne eröffnet, aber von denen Herren Fratribus vom Land nicht mehr geahndet werden. Endlich wird der gantze Actus mit brünstigem Gebet zu Gott, und einer Aufmunterung zu rechtschaffenem Ernst und Treue im Hirten=Amt, nebst ei=ner ehrerbietigen Danckbezeugung und Recommendation gegen denen Obrig=keitlich=Deputierten Herren beschlossen.

§. 5. Von des Synodi Anlag und Unkosten. Ein recipiendus bezahlt ben seiner Aufnahm eine Ducaten in den Capitul-Seckel, so dann gibt jeglicher Pfarrer dem Cammerario ein Gulden, den er von seiner Gemeinde wieder beziehen kan. Ferner bekommt der Cammerarius für ein jegliches Membrum Synodi aus dem Landseckel ein Gulden, davon er die ordinari Mahlzeiten bezahlen, und alljährlich richtige Rechnung seiner Einnahm und Ausgab dem Synodo vorlegen muss. Was aber nebst denen ordinari Mahlzeiten eint= oder der andere Frater für sich selbst, oder mit seinem Pferdt, extra Unkosten macht, das muss er abtragen.

§. 6. Von der Verschwiegenheit. Dieselbe soll jedem so dem Synodo benwohnet, hiermit höchsten Ernsts an=befohlen senn: Zumahlen von dem unvorsichtigen, und leichtsinnigen Aus=schwatzen vieles Unheil und Schaden entstehen kan. Wer nun des andern Vorbringen, Rathschläg, Censur oder anders so coram Synodo beschlossen wäre zu verschweigen, oder sonst Schaden und böse Consequenzen gebähren konnte, bosshafft=oder leichtsinniger Weise ausschwatzet, dem soll es für ein formal-Meinend ausgedeutet werden. Uberhaupt aber darf man die Con-clusa wohl offenbaren, es wäre dann Sach dass es vom Synodo exprese verbot=ten worden.

§. 7. Von dem Examine Theologico. So offt ein Subjectum in Lobl. Stadt St. Gallen examiniert wird, soll al=lezeit der Hr. Decanus und Cammerarius. oder jemand anderst in ihrem Na=men dem Examini und Reception ins Ministerium benwohnen. §. 8.

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§. 8. Von Erwehlung eines neuen Pfarrers. Ben einer erledigten Pfarren sollen die nächst=gelegenen Pfarrer mit Pre=digen und Tauffen das beste thun, und die Gemeinde erinnern, dass man mit der Wahl eines neuen Pfarrers Göttl. Wort und denen Landes=Sa=tzungen gemäss verfahre. Krafft dessen alles practicieren und unordentliche Pfrunden=lauffen gäntzlich verbotten, und was Unordnung, Uneinigkeit und Trennung verursachen könnte, soll unterlassen werden. Ein jeweiliger Com-petent muss sich zuvor ben dem Regierenden Herrn Landammann und Herrn Decano anmelden, und daserne er unserm Synodo nicht incorporiert ist, seine Testimonia von Lehr und Leben, und dass er in einer der lobl. Endgnösslich=Reformierten Städten Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, oder St. Gal=len examiniert worden, aufweisen, anderster soll ihme keine Brod=Predigt zuhalten gestattet werden. In denen Brod=Predigten sollen die Lands=Kin=der zu erst angehört, der jüngste davon den Anfang machen, und erst wenn diese der Gemeinde nicht gefällig, denen Fremden der Zutritt zur Brod=Pre=digt zugelassen senn. Wer sich anderster als nach dieser Lobl. gesetzten Ord=nung eindringt, einbettelt, einkaufft, andere Compettenten verleumdet, oder sie durch andere zu verleumden Anstalt, und verdächtig machet, sich nur auf eine gewisse Zeit annehmen, und ben seiner Wahl sich vorschreiben lasset, wie er sich in seinem Lehr=Amt anderster als nach Gottes Wort verhalten solle: Oder ben würcklich angetrettenem Pfarrdienst alle 2. Jahr, oder auf eine gewisse Zeit, um den Dienst anhaltet, der soll für einen Mietling geachtet werden, und des Bensitzes am Capitul unfähig senn.

§. 9. Von den Synodal-Predigten. Dieselben sollen zu bestimmter Zeit am Tag des Synodi dem Umgang nach gehalten werden: Wenn aber neue Recipiendi oder Recepti vorhanden wird die Ordnung übergangen, und denenselben das Predigen von Hr. Decano aufgetragen. Am St. Gallischen Synodo bleibt man ben der übernomme=nen Praxi, und wird derselben gemäss in ordine vom obersten an bis auf den untersten gepredigt. Die Prediger sollen dessen zeitlich von Herrn Decano avisiert werden.

§. 10. Von andern Predigten / und Catechisationen. Die offentliche Predigten sollen allezeit nach vorher gegangenem ernstl. Gebet und fleissiger Mediation, in Deutlichkeit,, nach der Regul des Göttli=chen Worts, zur allgemeinen Erbauung eingerichtet senn. Die Lehre von der

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der Busse und Glaube soll man fleissig treiben, unnöthige Controversias un=terlassen, und das Straff=Amt mit Saltz und gebührender Bescheidenheit führen. Vorden Hohen Fest= und Bättagen müssen Praeparations=Texte, sechs Wochen vor Ostern der Pasion, und am Sonntag vor der Lands=Gemeind der End erklärt, aber zu keinen Zeiten Texte aus den Apocryphischen Büchern verlesen werden. Das H. Abendmahl wird nur an denen H. Fest=Tagen, und wo es in praxi ist, auch an den Fest=Nach=Tagen ausgetheilet, soll aber niemahlen aus=ser der Kirche in den Häusern, oder einem fremden, unbekannten so sich zu=vor nicht darum angemeldet, gereichet werden. Die Sömmerliche Kinderlehren nehmen ihren Anfang nach Ostern, oder gleich nach der Lands=Gmeind. In denselben soll der Klein und Grosse Zü=richer=Catechismus gebraucht, die Jugend verhört, die leichteste und erbau=lichste Lehr: Art vorgenommen, alle Sonntag bis auf Michaelis, und hernach den gantzen Winter durch, jedoch mit selbst beliebiger Abänderung damit continuiert werden. Die Neu angehenden Communicanten soll man unter die Neophytos nicht einschreiben, bis sie das Alter der 16. Jahren passiert, und ehe sie ad Communionem S. admittiert werden, müssen sie wenigstens ein halb Jahr zuvor unterrichtet senn, und die sich in einer andern Gemeinde informieren lassen, sollen einen Schein von ihrem Pfarrer mitbringen. Keinem fremden unbekannten Prediger soll die Kantzel anvertrauet, und denen Studiofis Theologiae erst nach gehaltener Kinderlehr zugelassen senn Exercitii gratia zu predigen, damit der Catechisation kein Abbruch geschehe. Die Leich=Predigten werden allein denen gehalten so das H. Abend=mahl empfangen, oder sonst ihr behöriges Alter erreicht, aber durch Kranck=heiten verhintert worden. In den Leich=Predigten soll man alle unnöthi=ge und aergerliche Personalia auslassen, und von des verstorbenen Leben und Wandel gar nichts gedencken. Wol aber mag ein Prediger von desselben Kranckheit und Absterben, was zur Erbauung dienet, anbringen. Die Krancke sollen fleissig besucht, und mit rechtem Ernst an ihrer Seelen Heil gearbeitet werden. Ben ansteckenden Seuchen und Pestzeiten muss man alle Praecaution brauchen, und wenn der Pfarrer selbsten kranck, sollen die nächstgelegenen seine Vices übernehmen.

§. 11. Von der Kinder=Tauffe. Dieselbe soll niemal Nachts, sondern Tags geschehen, und kein Kind so von aussen her in das Land gebracht wird getaufft werden, bis man zuvor des rechten Vatters verständiget ist: Wenn es aus der Nachbarschafft, muss man dem

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dem Decano, oder Pfarrer desselben Orts, da dessen vorgegebener Vater her ist, Nachricht ertheilen, damit kein Betrug geschehe. Keiner Person so das H. Abendmahl noch nicht empfangen, wird gestattet ben dem Tauff=Actu als Gevater zustehen. Die Kinder der Hinter= und Bensässen, sollen, sowohl an dem Ort wo sie getaufft worden, als auch in ihren Gemeinden in das Tauffbuch aufgeschrieben, und ein richtiges Verzeichniss der getaufften Kin=dern gehalten werden.

§. 12. Von der ehelichen Promulgation und Copulation. Keine Ehe soll verkündt, oder ein Ehe=Schein ausgeliefert werden, es sene denn zuvor ein Raths=Freund mit den Verlobten ben dem Pfarrer er=schienen, der im Namen der Vorgesetzten attestiert: Dass an vorsenender ehelichen Copulation respectu der anderweitigen Verlobung, Bluts=Freünd=Schafft, Aufführung, oder so es eine ausländische, des Land rechtens halber alles seine Richtigkeit habe. Sind es keine Gemeinds=Genossen, so müssen sie ihre authentische Ehe=Scheine mitbringen. In die Ehe=Scheine soll des Hochzeiters und der Braut Namen, ob sie ehlich und ledig, ihr Alter und Auf=führung, das Examen Neogamicum, und dass keine Hinterniss vorhanden allemahl eingerucket, und die Neogami in den Hauptstücken der Christl. Reli-gion verhört werden. In denen verbottenen Gradibus soll man die fremden gleich denen Landleuten halten. Im übrigen hat sich ein Prediger nach dem grossen Mandat, und denen im Ehe=Büchlein verfassten Articuln zurichten.
ENDE.

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