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Titel:
Stiftungsurkunde der Kapelle St. Karl Borromäus
Thema: Politik
Ort: Appenzell (Karte anzeigen)
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Datum: 03.08.1620
Masse: 23,3 x 45,3 cm
Standort: LAAI G.I.b.60
Urheber/-in:
Beschreibung:
Stiftungsurkunde der Kapelle St. Karl Borromäus in der Steig vom 3. August 1620. Die nördlich von Appenzell an der Haslenstrasse liegende Kapelle wurde 1619/20 von Ulrich Grunder, Hauptmann der Lehner Rhode, und von dessen Ehefrau Adelheid Lehner erbaut und am 3. August 1620 von Weihbischof Johann Anton Tritt konsekriert. Mit in die fromme Stiftung einbezogen waren die Kinder des Paares, Anna und Ulrich. Für den künftigen Unterhalt versprach die Familie beim Tod jedes der vier Mitglieder je 100 Pfund Schillinggeld zur Verfügung zu stellen. Der Innerrhoder Landrat erhielt die Kompetenz, nach dem Ableben der vier Stifter einen Kapellverwalter zu wählen, der nach Möglichkeit aus der nächsten Verwandtschaft stammen sollte. Das angehängte kleine Landsiegel von 1530 beglaubigte die Urkunde und machte sie zu einem Dokument des öffentlichen Rechts.
Geschichte:
Die Errichtung frommer Stiftungen zugunsten des Seelenheils der eigenen Person und demjenigen naher Verwandter und Bekannter war in der frühen Neuzeit ein verbreitetes Phänomen. Dabei kamen verschiedenste Formen vor, von Ablassbriefen, über Jahrzeitmessen bis hin zu Schenkungen zugunsten von Pfarrei- und Kaplaneipfründen. Der Errichtung von Stiftkapellen blieb - allein schon aus Kostengründen - der bürgerlichen Oberschicht vorbehalten. Die Grunder bildeten im 16. Jahrhundert in der Lehner Rhode ein respektables Geschlecht. Allein im Gebiet Mettlen/Steig führen die Mannschaftsrödel von 1531 nicht weniger als 19 waffenfähige Männer dieses Namens auf. Die Sippe scheint sich also stark in jener eng umrissenen Gegend konzentriert zu haben, während sie sonst im Appenzellerland nicht besonders verbreitet war. Ulrich Grunder selbst lebte mit seiner Familie auf dem oberen Hof in der Steig und liess die Kapelle auf seinem eigenen Grund und Boden erstellen; es handelt sich also um eine klassische Hauskapelle. Zu den Grundern gesellten sich als Stifter Johannes von Heim, Kirchenpfleger 1620-1620, und dessen Ehefrau Anna Müssler. Sie gehörten dem engsten Familienkreis des einflussreichen Landammanns Johannes von Heim an und stifteten 1621 die grossflächige Heiligenvita des Karl Borromäus auf der westseitigen Innenwand der Kapelle.
Mit religiösen Motiven konnten sich durchaus auch politische Stellungnahmen verbinden, wie das Beispiel der Kapelle St. Karl Borromäus beispielhaft zeigt. Die Stifter wählten nicht irgend einen fernen Märtyrer aus der Zeit der römischen Christenverfolgung zum Kapellpatron, sondern einen höchst aktuellen Vorkämpfer der katholischen Glaubenserneuerung, der erst zehn Jahr zuvor heilig gesprochen worden war. Dazu passt, dass die Stiftung von der Bedingung abhängig gemacht wurde, dass Appenzell Innerrhoden beim katholischen Glauben bleibe. Würde das Land vom Glauben abfallen, so sollte auch die gestiftete Geldsumme an die nachmaligen Erben zurückfallen.
Der in der Kapelle verehrte Heilige Karl Borromäus (1538-1584), als Sohn des Grafen von Arona am Südwestufer des Lago Maggiore geboren, war mütterlicherseits mit dem florentinischen Fürstengeschlecht der Medici verwandt und gehörte somit höchsten italienischen Adelskreisen an. Er studierte in Pavia weltliches und kirchliches Recht und doktorierte 1559. Im gleichen Jahr bestieg sein Onkel mütterlicherseits als Pius IV. den Papstthron. Dieser berief Borromäus nach Rom und machte ihn zum Kardinalsdiakon und Staatssekretär. 1560 wurde Borromäus auf Lebenszeit die Verwaltung des Erzbistums Mailand verliehen. Er blieb jedoch noch bis 1566 in Rom und liess das Erzbistum in dieser Zeit von Stellvertretern verwalten. Nach der Priester- und Bischofsweihe (1563) erhielt Borromäus 1564 die Kardinalswürde verliehen. Ab 1566 residierte er im Erzbistum Mailand und ging daran, die Beschlüsse des gegenreformatorischen Konzils von Trient in die Tat umzusetzen. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den katholischen Orten der Eidgenossenschaft, v.a. den Tessiner Vogteien, die der geistlichen Gerichtsbarkeit Mailands unterstanden. Auf Antrag der katholischen Orte war er schon 1560 zum Protector Helvetiae ernannt worden. Darauf besuchte er die Eidgenossenschaft mehrmals als Geistlicher und als Diplomat und legte die Grundlagen für eine weit greifende geistige Erneuerung. Um die Ausbildung und Disziplin des Klerus zu verbessern und gleichzeitig der Verbreitung des Protestantismus Einhalt zu gebieten, regte Borromäus 1579 die Errichtung einer ständigen Nuntiatur in der Schweiz an, ein Anliegen, das 1586 verwirklicht wurde. Er schlug auch die Gründung eines Jesuitenkollegs und eines Priesterseminars vor. 1579 gründete er in Mailand das Collegium Helveticum, das den Schweizer Klerus ausbilden sollte und mit 50 Stipendien ausgestattet war. Zwei Plätze waren stets für Studenten aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden reserviert. Durch diese Beispiele ermutigt, liessen sich die Jesuiten 1579 in Luzern, später auch in Freiburg und Pruntrut nieder. Dank der Unterstützung durch den ersten apostolischen Nuntius in der Schweiz, Giovanni Francesco Bonomi, eröffneten die Kapuziner 1581 in Altdorf ihre erste Mission nördlich der Alpen. Dieser folgten Klöster in Stans (1582), Luzern (1583), Schwyz (1585) und Appenzell (1587). Borromäus galt als Vorkämpfer der katholischen Erneuerung im Sinne des Konzils von Trient. Er wurde 1610 heilig gesprochen und ist Schutzpatron der katholischen Schweiz.
Autor: Stephan Heuscher, Appenzell
Literatur:
Crivelli, Pablo: Borromäus, Karl. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Version 25.06.2013. URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10211.php (29.05.2013)
Fischer, Rainald: Appenzeller Geschichte. Bd. 1: Das ungeteilte Land. Herisau, Appenzell 1964, S. 471-478
Koller, Ernst H. Signer, Jakob: Appenzellisches Wappen- und Geschlechterbuch. Bern, Aarau 1926, S. 104/05 und 117-121
Signer, Jakob. Chronik der Appenzell Innerrhoder Liegenschaften. In: Appenzellische Geschichtsblätter Nr.13, Juli 1944
Tags:
Appenzell, Gemälde, Religion, Kapuziner, Innerrhoden, Gegenreformation, Karl Borromäus, Kapelle, Steig, Glaube, Konzil von Trient, Jesuiten
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