Zeitzeugnisse

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Titel:

Deutsches Korn gegen den Hunger

Thema: Wirtschaft

Ort: Grub    (Karte anzeigen)

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Datum: 04.06.1690

Masse: 23 x 21 cm

Standort: Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, Aa.47

Urheber/-in: Landammann und Rat von Appenzell Ausserrhoden

Beschreibung:

Handschriftliches Dokument, ausgestellt von der Obrigkeit Appenzell Ausserrhodens. Es bevollmächtigt den Gemeindehauptmann Hans Deyas Lendenmann von Grub zum Einkauf von sechzig grossen Vierteln Korn für die Gemeinde Grub. Auf der unteren Hälfte des Dokuments befindet sich das Ausserrhoder Landessiegel, daneben die Unterschrift des Landschreibers. Der erste Buchstabe (W) des Textes ist als kreisförmige Initiale gezeichnet. Das Dokument wurde nach erfolgtem Einkauf an die Landeskanzlei retourniert, weshalb es sich im Staatsarchiv erhalten hat.

Geschichte:

In den Jahren 1688 bis 1695 wurde die Bevölkerung Appenzell Ausserrhodens von einer schlimmen Hungersnot heimgesucht. Andauernde nasskalte Witterung und Hagel liessen das Korn und den Hafer nicht reifen. Die verfügbaren Lebensmittel verteuerten sich massiv und der Getreideimport gestaltete sich schwierig. Das Deutsche Reich befand sich nämlich mitten im pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich und hatte gegen die Eidgenossenschaft eine Kornsperre verhängt.
Die wirtschaftliche Not wurde 1690 so gross, dass sich die Ausserrhoder Obrigkeit zu einer ausserordentlichen Massnahme entschloss: Sie sandte einen Botschafter nach Augsburg, an den Hof von Kaiser Leopold I., um ein Kornkontingent zu erwirken. Der Kaiser war Appenzell Ausserrhoden freundlich gesinnt: „wegen Ihrer bis anhero uns und dem Heil. Römischen Reich bezeugten guten Conduite“ und dank des Werbungsverbots, welches Ausserrhoden gegen Frankreich verhängt hatte, genehmigte der deutsche Kaiser die Ausfuhr von wöchentlich 180 Säcken Korn und Hafer nach Appenzell Ausserrhoden. Einzige Bedingung war, dass das eingeführte Getreide nicht weiterverkauft, sondern allein der Versorgung der Bevölkerung dienen würde.
Aufgrund dieser kaiserlichen Patente erteilten Landammann und Rat von Ausserrhoden, den Gemeindehauptleuten die Erlaubnis zum anteilmässigen Korneinkauf, um die Versorgung der Gemeinde zu sichern. So wurden dem damaligen Gruber Gemeindevorsteher Hans Deyas Lendenmann sechzig Viertel Korn für seine Gemeinde zugesprochen. Ein Viertel war bis zur Einführung des metrischen Systems 1877 das wichtigste Hohlmass für Getreide und umfasste je nach Gegend zwischen 16 und 38 Liter. Vier Viertel machten schliesslich das Transport- und Rechnungsmass Sack aus. Die neuen Bestimmungen zur Kornversorgung der Gemeinden wurden 1690 mittels eines Mandats der Ausserrhoder Obrigkeit schriftlich festgehalten. Dabei wurden die Gemeinden ermahnt, speziell an die armen Menschen zu denken, und jede Woche dienstags und mittwochs zuerst die Armen mit Korn zu versorgen.
Trotz der Einfuhr von Getreide aus dem Ausland hielt die Hungersnot an und erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 1692. Der Chronist Gabriel Walser schreibt 1740 in seiner Appenzeller Chronik, die Leute hätten sich wie das Vieh von Gras ernährt oder monatelang gesottene Kleie gegessen, was sie derart schwächte, dass sie Haus- und Feldarbeiten nicht mehr tätigen konnten. Erst ab 1695 setzten wieder bessere Jahre ein.

Autorin: Kathrin Hoesli, Herisau

Literatur:

StAAR, Aa.15-02-125 und Aa.15-02-126 Patente von Kaiser Leopold betreffend das Kornquantum, 1690

StAAR, Aa.40-12-02-02 Mandat betreffend Kornverteilung und Armenversorgung, 1690.

Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II Appenzell Ausserrhoden, Herisau 1976.

Walser, Gabriel: Neue Appenzeller Chronick, St. Gallen 1740.
 

Transkription:

„Wir Landtaman ond Rath deß Lands Appenzell
der außeren Rooden, bescheinend hiemit, dz vor weißer
dißes H[err] Deyas Lendenmann unßer Landtmann, von
unßer Gmeind Gruob ein abgeordneter seige, die Ihro
bestimbte quantitet frucht sich sechzig Große vier-
tel von der anzahl deren laut von Ihro Kayßerl[icher]
Maystet unßerem Landt allergnädigst ertheilten
zwey Patenter der einhundert und achzig seckhen, be-
lauffende, ynzukauffen, zu zeugnuß dessen wir
dißeren schein mit unßers Lands Secret bekrefftiget,
so geben und erneüweret denn 4. Juny
A[nno] 1690“

Aus: StAAR, Aa.47.

Tags:

Grub, handschriftlich, Handel, Versorgung, Hungersnot, Teuerung, Deutscher Kaiser, Korn, Getreide

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