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Titel:
Vergleich aus Herisau bezüglich Unterhaltspflicht von Zaun und Strasse
Thema: Leute
Ort: Herisau (Karte anzeigen)
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Datum: 09.05.1758
Masse: 22,5 x 35 cm
Standort: Privatbesitz Max Matti, Appenzell; Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, KB-015096, KB-015097
Urheber/-in: Erbahr, Johannes
Beschreibung:
Das Dokument besteht aus einem in der Mitte gefalteten Doppelblatt mit vier beschreibbaren Seiten. Zwei davon, die Seiten 2 und 4, sind leer. Auf der Vorderseite, der Seite 1, stehen ein Titel und die Signatur; die Faltung ist gut ersichtlich. Das Dokument wurde unter der Signatur S. Litt. S. (Sub Littera S = unter dem Buchstaben S) Nro. 609/Nro.616 in einem Archiv, vermutlich im Gemeindearchiv Herisau, aufbewahrt. Heute befindet es sich in Privatbesitz. Im Titel wird der Inhalt des Dokuments genannt. Es handelt sich um einen "Vergleich", ein Rechtsbegriff, der für "Vertrag" steht. Wörtlich steht auf Seite 1: "Vergleich Hildbrand Zuberbühler oder dermahlen Johannes Erbahr, an der Hueb, Eines, und seinem Nachbarn Bartlime Strickers, anderen theils, belangende wegen Haggens, und der Landstrass!"
Auf Seite 3 des Dokuments ist der Sachverhalt in Textform genau ausgeführt. Das Papier wurde auf Wunsch von Bartlime Stricker aufgesetzt, und zwar durch Johannes Ehrbar, der gemäss Norm den Text mit den Worten "Ich Johannes Erbahr" einleitet. Der Text hält Abmachungen fest bezüglich Unterhaltspflicht eines fahrbaren Wegs und eines Lattenzauns entlang dieses Wegs in der Hueb, einem Weiler in der Gemeinde Herisau. Die Abmachungen waren 12 Jahre vor der Aufsetzung und Unterzeichnung des Papiers zwischen den beiden Eigentümern von Boden oberhalb (Hildbrand Zuberbühler) und unterhalb der erwähnten Strasse (Bartlime Stricker) getroffen worden, und zwar "freund-nachbarlich". Nachdem ein Besitzerwechsel erfolgt war, das heisst, das Gut oberhalb der Landstrasse und des Zaunes an den Schwiegersohn des vorherigen Besitzers, Johannes Erbahr, übergegangen war, wurde die 12 Jahre vorher getroffene Übereinkunft zwischen dem verstorbenen Schwiegervater Hildbrand Zuberbühler und dessen Nachbarn Bartlime Stricker von Herisau schriftlich erneuert und durch eine Drittperson, einen Amtsmann, beglaubigt. Hildbrand Zuberbühler und Bartlime Stricker hatten sich in freundschaftlichem Einverständnis geeinigt, dass Zuberbühler den Hag entlang der Strasse Richtung Westen und die Strasse selbst bis zur Grenze von Strickers Gut, auf eigene Kosten unterhalten würde. Die Gültigkeitsdauer dieser Abmachung sollte auf die Nachkommen übertragen werden. Alt Landammann und Amtspannerherr Hans Ulrich Scheuss beglaubigte die nach Zuberbühlers Tod auf dessen Schwiegersohn übertragenen Pflichten am 9. Mai 1758 mit Siegel und Brief. Das Papiersiegel weist Wurmfrass auf.
Geschichte:
Da der Vergleich zwischen den Familien Zuberbühler und Stricker friedlich zustande gekommen war, musste keine Gerichtsinstanz herangezogen werden. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wurde auf der Basis des Landbuchs von 1747 Recht gesprochen. Das Landbuch von 1747 enthielt überarbeitete Verfassungsgrundsätze, wobei es in zivilrechtlicher Beziehung gegenüber dem Landbuch von 1632 wenig abwich. Unter den Artikeln 146-156 sind mehrere Gesetze zu nachbarschaftlichen Streitigkeiten aufgeführt, so z.B. zu unbegründeten Ansprüchen auf Wegrechte, zu unberechtigtem Weiden des Viehs entlang von Wegen, zu gemeinsamen Zäunen und zu Flurkonflikten.
Artikel 173 des Landbuchs von 1747 heisst im Wortlaut: "Weg durch eines anderen Gutt: Weiter ist auch gesetzt, dass, wo einer einen Weg erwehren will, durch eines anderen Gutt, zu dem er nicht recht hat, und sich also erfindet, der ist zu Buss verfallen gemeinen Landleuthen ein Pfd. Den: und dem Kläger zehen Schilling Den: so offt es beschicht.“
Dieser Artikel hätte im Beispiel "Zuberbühler/Stricker" im Streitfall beigezogen werden können. Das war jedoch nicht nötig, da im Papier festgehalten ist, dass der "freund-nachbarliche Vergleich, und übereinkommnuss, in aller liebe und eintracht, mit einanderen getroffen“ werden konnte.
Autorin: Nina Sonderegger, Speicher
Literatur:
Büsser, Nathalie: Die Rechtsquellen der Kantone Appenzell, Bd. 1, Appenzeller Landbücher. Basel 2009 (Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIII. Abteilung) , S. 207-209.
Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II. Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau 1972, S. 190-191.
Landbuch des Kantons Appenzell Ausserroden. Trogen 1828, S 102-117.
Transkription:
[recto]
Vergleich
Hildbrand Zuberbühler oder
dermahlen
Johannes Erbahr, an der Hueb, Eines,
und seinem Nachbarn
Bartlime Strickers, anderen theils,
belangende
wegen Jaggens, und der Landstraß!
[Signatur]
Hub
S. Litt. S.
Nro. 609
Nro. 616
[verso]
Ich Johannes Erbahr Landmann im Land Appennzell, der außeren Rhoden, wohnhaft an der Hueb benandt, beleue und thue Kund allermänniglich mit diesem Brief, wie dass Bartlime Stricker an der Hueb, mich freünd=nachbarlich erjnnereth, wie Er unngefehrs vor zwölf Jahren, mit meinem liebem Schwieger Vatter Hildbrand Zuberbühler als damahliger Besizer und Inhabere meines Guths, wegen unterhaltung der Landstraß, und des Haggs, under der Straß, ob Seinem deß Strickers Guth, halben, folgende freünd=nachbarlicher Vergleich, und übereinkommnuß, in aller liebe und eintracht, mit einanderen getroffen, welche für Sie, und all Nachkommende und jewillige Besizere, und Inhaberen Ihren Gütteren, zu allen Immerwährenden Zeitten, dienen, Kraft haben, und gelten soll; Namlich daß Hildbrand Zuberbühler zu allen Zeiten schuldig sein solle, den obenwehnten Hagg, der Landstraß nach hinauß gegen abend, ob des Strickers Guth hin so weith dessen Boden der Straß nach gehet, in seinem eigenen Kosten samt der Landstraß, unnklagbahr, zu machen, und zu underhalten, wie recht ist, und daß ohne einzigen Schaden oder Nachtheill, dem mehrbesagten Stricker, er möchte Seinnen Boden nuezen wie Er wollte; obenmeldte Hildbrand Zuberbühler seel. solle auch jewillen schuldig sein, ein St?len, und ein lag Buchen dem obenwehnten Hagg wie Selbige dato stehen, und gemacht sind auch in Seinem eigenen Kosten zu machen und zu underhalten und daß alles getreülich und ohne gefehed, so hat zu deßen beßeren verführe= und bekräftigung, und damit aber solchen jeweillen nachgelebt, auch mißverstand und zweÿtracht vermieden bleibe; der vielermeldte Bartlime Stricker, vone mir Johannes Erbahr hierumben Sigell und Brief begehrt, welches ich Ihme nicht absein können noch wollen sonderen ihme gegenwerttigen ertheilt, und mit fleiß und ernst erbetten, dem Hochgeachten, Wohledlen, Ehrenwerten, Frommen, Vorsichtigen und Wolweisen Herren, Herren Hans Ulrich Scheüss, der Zeit alt Landsamann, und Ambtspannerherren, obgemeldeten Lands Appenzell, das er, der Gemeind Herisau Secret-Insigell, als dessen Verwalter, jedoch gemeldter Gemeind, Ihme, und Seinen Erben, in allweg ohne Schaden, offentlich hierunter Getrucht[?]- So geben und beschehen[?] in Herisau den Neünten Tag May St.V.a=1758.
Tags:
Herisau, Recht, Text, handschriftlich, Vertrag
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