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Titel:

Fronleichnamsprozession im Hof des Kollegiums Appenzell

Thema: Leute

Ort: Appenzell    (Karte anzeigen)

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Datum: 11.06.1925

Masse: 29 x 38,5 cm

Standort: Archiv Gymnasium Appenzell, Fotos, Schachtel 95

Urheber/-in: Manser, Emil, Fotograf, Appenzell

Beschreibung:

Am Donnerstag, 11. Juni 1925, zehn Tage nach Pfingsten, wird das Fronleichnamsfest - beim Volk als „Ösehegotstag“ bekannt - gefeiert. Es ist ein religiöser Feiertag, der in der katholischen Kirche und besonders in ländlichen Gegenden wie Appenzell einen hohen Stellenwert hat.

Im Innenhof des Kollegiums St. Antonius befindet sich eine der vier Segensstationen, die mit viel Baumgrün und Blumen geschmückt ist. Die Haupt- und Seitenfassade des Kollegiums ist reich mit Girlanden aus Tannenzweig und Blumen ausgestattet. In der Mitte steht der Altar, der baldachinartig überdacht ist. Darüber sind im obersten Mansarde-Stockwerk die Symbole der Eucharistie bildlich dargestellt: der Kelch mit der Hostie im Strahlenkranz und mit Kreuz. Die fotografische Aufnahme hält den wichtigsten Moment fest: Ein Geistlicher erteilt mit der Monstranz (kostbar verziertes Behältnis, in dem die Hostie gezeigt wird) den Segen. Alle Teilnehmer knien nieder, vor dem Altar die Geistlichkeit, die Vertreter der Regierung, die Ministranten, Baldachinträger, Grenadiere und die Geheimnisträgerinnen  („Täfelimeedle“). Rechts davon sind die Frauen in der Festtagstracht, links die Lehrschwestern mit den Erstkommunikanten, in der Mitte die Schulmädchen der oberen Klassen und im Vordergrund die Frauen mit der Barärmeltracht. Auf der linken Seite ist ein Teil der übrigen Gläubigen, die stark vertreten sind, zu sehen.
 

Geschichte:

Das Fronleichnamsfest („vron lichnam“: Leib des Herrn) ist seit dem Hochmittelalter bezeugt und ist das Dank- und Huldigungsfest zur Erinnerung an die Einsetzung der Eucharistie. Mit der Zeit wurde das Fest in einer Prozession in die Natur hinausverlegt, um – wie bei den Flurgängen – „dem Herrn das Ehrengeleit zu geben und seinen Segen auf die Früchte des beginnenden Sommers herabzurufen“ (P. Ferdinand Fuchs).
 
Das Fest wird am Vorabend und am frühen Morgen über dem Dorf Appenzell mit Kanonenschüssen angekündigt. Der Prozessionsroute entlang sind die Häuser mit frischem Buchenlaub bekränzt und mit religiösen Bildern, Heiligen-Statuen und Altärchen geschmückt. Um 7.30 Uhr beginnt die Prozession bei der Pfarrkirche und führt durch das Dorf zu vier Segensstationen beim Chlos-Schulhaus, auf dem Postplatz, Kollegiplatz und schliesslich Landsgemeindeplatz. Anschliessend findet das Hochamt in der Pfarrkirche statt. Die Zugsordnung unter Aufsicht der Dorflehrer ist streng geregelt:

1. Das Kreuz und kleine rote Fahne
2. Die Knaben
3. Die kleine weisse Fahne
4. Die Mädchen
5. Die Musik des Kollegiums
6. Die Studenten
7. Die modern gekleideten Jungfrauen
8. Die Jungfrauen in Landestracht mit Jacke
9. Die Jungfrauen in Landestracht, barärmlig
10. Die Jungfrauen in Landestracht mit Schlappe
11. Der Jünglingsverein
12. Der Gesellenverein mit Ehrenmitgliedern
13. Die Musikgesellschaft Harmonie
14. Die Schützen mit den Rhodsfahnen
15. Die ehrw. Schwestern
16. Die Geheimnisträgerinnen
17. Der Kirchenchor
18. Die Blumenmädchen
19. Die hochw. Herren Patres Kapuziner
20. Die Leviten
21. Die Grenadiere
22. Der Baldachin
23. Die Grenadiere
24. Die Herren Beamten
25. Die Frauen mit Haube und Schlappe
26. Die Frauen mit einfacher Schlappe
27. Die Jünglinge und Männer
28. Die Frauen ohne Schlappe
 
Während der farbenfrohen Prozession durch das Dorf beten die Teilnehmenden den Rosenkranz. Dabei steht im Mittelpunkt ein Priester mit der Monstranz und dem Allerheiligsten unter dem weissen, reichbestickten Baldachin. Dieser wird von Kirchenräten getragen. Sie sind begleitet von Grenadieren in alten Uniformen und von vier Knaben mit samtenen Kleidern in den Landesfarben. In ihren Amtstrachten folgen die Mitglieder der Standeskommission, des Kantonsgerichts sowie die Bezirkshauptleute. Am augenfälligsten sind die vielen Jungfrauen und Frauen in den verschiedenen Trachten. Den Abschluss bilden die zahlreichen Gläubigen. An den Segensstationen singt der Kirchenchor und es wird der sakramentale Segen erteilt. Die Fronleichnamsschützen geben auf Kommando während des Segens das Salve (Salutschiessen) ab. Die Prozession dauert gut zwei Stunden, und um zehn Uhr beginnt das Hochamt in der Pfarrkirche und - wegen des grossen Andrangs - für einen Teil der Gläubigen in der Kapuziner- und in der Klosterkirche. Den Abschluss des hohen Festtages bilden am Nachmittag um 14.00 Uhr eine feierliche Vesper und um 18.00 Rosenkranz und Segen.
 
Fronleichnam ist heute noch in Appenzell Innerrhoden ein hoher Feiertag, der auch in den Aussengemeinden gefeiert wird und Ausdruck einer stark verwurzelten Volksfrömmigkeit ist. Im Zuge der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) steht die Eucharistiefeier im Vordergrund, die heute auf dem Kollegiplatz gefeiert wird.  Die Prozession ist kürzer (drei Segensstationen), und der Anteil der Gläubigen an der Prozession ist kleiner geworden, während die Zahl der Schaulustigen zugenommen hat.

Autor: Josef Küng, Appenzell
 

Literatur:

Appenzeller Volksfreund, 11. Juni 1925

Fuchs, Ferdinand: Ösehegotstag – ein hoher Feiertag in Innerrhoden, in: Unser Innerrhoden, Appenzell 2003, S. 120-122

Kühne, Regina: Den Glauben beherzt bekennen, in: Appenzeller Magazin, Nr. 6., Juni 2004, S. 12-21
 

Tags:

Fotografie, Bevölkerung, Leute, Appenzell, Bildliche Darstellung, Bilddokument, Glaubensgemeinschaft, Kirche (römisch-katholisch), Kollegium, Gymnasium, Fronleichnam, Prozession, Innerrhdoen

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