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Titel:

Johann Jakob Heuscher: Portrait eines Bauernhofs

Thema: Kultur

Ort: Herisau    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1887

Masse: 34,5 x 48 cm

Standort: Privatbesitz Elisabeth De Mattia-Heuscher, Herisau

Urheber/-in: Maler Johann Jakob Heuscher, Herisau

Beschreibung:

Gemälde eines Appenzeller Bauernhofs im Quartier Wolfenswil in der Gemeinde Herisau. Diese Liegenschaft gehörte damals Johann Ulrich Diem (1841-1911). Portraitiert wurde der Hof 1887 durch Johann Jakob Heuscher aus Herisau (1843-1901). Rechts unten hat er sein Werk wie folgt signiert: „J.J. Heuscher z. Brugg 1887“.
Das Objekt ist gut erhalten, wenn auch an einzelnen Stellen Farbe abblättert. Die detaillierte Ansicht zeigt ein Bauernhaus, das in Wohnhaus und Stall unterteilt ist. Auf einem der Fenstersimse sitzt eine Katze, über dem Hof schweben vier schwarze Vögel; beides für Heuscher typische Sujets. Ausserdem ist das Bauernhaus von Obstbäumen umgeben, dahinter sind einige Tannen und ein weiteres Haus auszumachen. Im Vordergrund steht, gestützt auf einen Stock, der Bauer des Hofs in der braunen Werktagstracht. Auf dem Weg, der am Hof vorbeiführt, ist eine Postkutsche abgebildet; sie ist beladen mit Koffer und Paket. Abgerundet wird das Gemälde durch vier von Hand gezogene Umrahmungen.

Geschichte:

Jakob Heuscher (1843-1901), wohnhaft in Herisau, entwarf Stickerei- und Webereimuster für die Textilindustrie und war zwischendurch als Gastwirt tätig. Ab 1865 wurde er schliesslich als Portraitist des Appenzeller Heimwesens bekannt. Auf der Stör bildete er den Besitz von Bauern, Gastwirten und Fabrikanten ab, deren Land, Haus, Viehbestand und Haustiere.
Obwohl sich Heuscher zunehmend auf die Darstellung von Bauernhäusern spezialisierte, malte er auch Dorfansichten. Seine Arbeit vollführte er stets detailliert und sorgfältig, entwickelte dabei eine ganz eigene Maltechnik. Er verwendete Wasserfarbe, Deckweiss, Eigelb, Farbstift für den Himmel, Tusche für die Vögel, oft auch für die Umrahmung des Gemäldes. Ausserdem versah Heuscher seine Werke mit einer aus Goldpapier gehafteten Borde und einem – sich mit der Zeit zersetzenden – Firnis.

Heute wird Johann Jakob Heuscher der Bauern- oder Senntum-Malerei, insbesondere der naiven Malerei, zugeordnet. Letztere ist der Volkskunst jedoch keineswegs untergeordnet, sondern vielmehr als eine ihr nebenstehende, eigenständige Kunstrichtung einzugliedern. Während sich die Volkskunst an überlieferte Traditionen hält und dem Schmücken der Gebrauchsgegenstände dient, wird die naive Malerei von der Persönlichkeit der einzelnen Künstler und deren Verbundenheit zur Heimat geprägt.
Die Bauern- oder Senntum-Malerei entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus den Verzierungen der Eimerbödeli und Sennenstreifen. In Form von Tafelbildern fand diese junge Kunstform Eingang in die Stuben der Appenzeller – als Abbild ihres Lebens.

Das portraitierte Bauernhaus ist ein für das 19. Jahrhundert typisches Appenzeller Kreuzfirsthaus: Das Wohnhaus in Giebelstellung ist durch einen traufbetonten Stallscheunenanbau an der Seitenfassade erweitert, der First beider Bauteile steht im rechten Winkel. Das Wohnhaus scheint sich in drei Hauptgeschosse, ein Dach- und ein Kellergeschoss zu gliedern. Letzteres könnte mit einem Webstuhl versehen und zur textilindustriellen Heimarbeit verwendet worden sein.

Die Postkutsche im Vordergrund des Gemäldes lässt einen Verweis auf die Entwicklung der Herisauer Verkehrswege zu. Diese wurden insbesondere in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einigen Umstrukturierungen unterzogen wurden – eine Reaktion auf das beträchtliche Wachstum der Handelsgesellschaft und die Hungersnot 1770/1771. Die veralteten Karrgeleise und Saumwege wurden ersetzt, darunter jene Strecke, die am Hof Wolfenswil vorbeiführte. Die Forderung nach einer besseren Strassenverbindung zu Degersheim wurde zwar bereits 1785 laut, doch gelang eine Realisierung derselben erst 1811. Durch Spenden und Frondienste konnte die „alte Landstrasse“, die von der Talmühle aus über Baldenwil, Wolfenswil und den Stuehl zur Hueb führte, befahrbar gemacht werden. Diesem Verkehrsweg entlang fuhr von 1874 an zwei Mal täglich die vier- bis fünfplätzige Postkutsche der Linie Herisau-Schwellbrunn.

Autorin: Susanna Schoch, Herisau

Literatur:

Altherr, Jakob: Schwellbrunn. Gemeinde-Chronik von der Vorzeit und der Zeit von 1648-1997. Schwellbrunn 1997, S. 165-167.

Geschichte der Gemeinde Herisau. Herisau 1999, S. 105-107.

Hanhart, Rudolf: Appenzeller Bauernmalerei. Teufen 1959, S. 17-18.

Hermann, Isabelle: Die Bauernhäuser beider Appenzell. Herisau 2004, S. 352.

Inventar der neueren Schweizer Architektur (Band 5). 1850-1920. Städte Grenchen, Herisau, Lausanne, Liestal. Zürich 1990, S. 143.

Niggli, Arthur und Ida: Appenzeller Bauernmalerei. Die naive Kunst der Appenzeller von 1850 bis heute. Teufen 1975, S. 9-16, 54-55.

StAAR, ZFR 03-04-0462: Familienregister Schwellbrunn.

Tags:

Herisau, Kultur, Verkehr, Wolfenswil, Appenzeller Bauernhaus, Bauernmalerei, naive Malerei, Heuscher, Postkutsche

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