Zeitzeugnisse

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Titel:

Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg

Thema: Leute

Ort: Herisau    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1943

Masse: 23,7 x 17,6 cm

Standort: Privatbesitz Bruno Zuberbühler, Rafz

Urheber/-in: Fotograf M. Rottmann, St. Gallen

Beschreibung:

Die Fotografie, aufgenommen vom Fotografen M. Rottmann aus St. Gallen, zeigt Bruno Zuberbühler (geboren am 1. April 1936 in Herisau) als Schuljunge der ersten Klasse. Er trägt eine dunkle Hose, die durch Hosenträger fixiert ist, und einen hellen Strickpullover, dessen Knopflöcher bereits ausgeleiert sind. Auf dem Rücken trägt er einen Tornister, dessen Lederriemen er mit beiden Händen fest umschlossen hält.

Geschichte:

Bruno Zuberbühler, Sohn von Anna und Ernst Zuberbühler-Ballmer, stammt aus einer Handwerkerfamilie. Er wuchs an der Schwellbrunnerstrasse auf und ging im damaligen Schulhaus Au (heute Schulhaus Mühle) zur Schule. Seine Erinnerungen an die Kindheit und die Anfänge der Schulzeit sind geprägt von den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges.
In seinen Erzählungen spiegeln sich die Entbehrungen wider, die sich ab dem 1. November 1939 durch den schweizweiten Rationierungserlass von Lebensmitteln und Brennstoffen auf den Alltag der Familie auswirkten. Der kriegswirtschaftliche Apparat, der bereits 1938 zur Inbetriebnahme bereit war, sollte die landwirtschaftliche Produktion fördern (Anbauschlacht) und lenken, Rationierung und Preise überwachen, Grossisten und Detaillisten kontrollieren und bei Verstössen sanktionieren. In Herisau war eine von den Behörden geschaffene Gemeindestelle für die Ausführung der kriegswirtschaftlichen Massnahmen zuständig, so auch für die monatliche Abgabe der über 10'000 Rationierungskarten, die Bürgerinnen und Bürger am Schalter abzuholen hatten. Für die Familie Zuberbühler war es Sohn Bruno, der diese bedeutende, verantwortungsvolle Aufgabe wahrnahm.

1940, als Italien dem Krieg beitrat und Frankreich vor Deutschland kapitulierte, verschlechterte sich die Lage zusehends; die Schweiz war gänzlich eingeschlossen. Mit Ausnahme der Kartoffel wurde die Rationierung bis Ende 1942 auf sämtliche Lebensmittel sowie Seife, Waschmittel, Textilien und Schuhe ausgedehnt. Zudem durfte montags, mittwochs und freitags kein Fleisch gegessen werden. Hie und da aber wurde den Bürgerinnen und Bürgern, vor allem den kleinsten unter ihnen, Unterstützung zuteil: Wenn in der umfunktionierten Militärküche im damaligen Schulhaus Au beispielsweise Suppe vorrätig war, so erinnert sich Bruno Zuberbühler, konnten die Kinder diese in ihre Milchkesseli abfüllen und mit nach Hause bringen. In der Kantine der Textilfabrik Cilander durften die Schülerinnen und Schüler ausserdem ein Mal wöchentlich ein Beckeli heisse Milch und ein Stück Brot zu sich nehmen.
War ein Produkt ausreichend vorhanden, konnte die Rationierung desselben vorübergehend gelockert oder gar eingestellt werden. Vollständig konnte der Rationierungserlass erst am 1. Juli 1948 aufgehoben werden, dies wegen noch zögerlicher Importe. Die Strukturen der Rationierungsmassnahmen wurden allerdings beibehalten und laufend auf aktuelle Notlagen (wie die Suez- oder die Ölkrise) abgestimmt.

Ab 1942, als die Alliierten den deutschen Luftraum beherrschten, kam es während der nächtlichen Bombenangriffe immer häufiger zu Verletzungen des Schweizerischen Luftraums. 1943 musste in Herisau 31 Mal Fliegeralarm ausgelöst werden, 1944 waren es 151 Mal, im Jahr darauf gar 163 Mal. So schildert Bruno Zuberbühler, wie auf einzelnen Dächern, beispielsweise auf jenem der Heil- und Pflegeanstalt Krombach, übergrosse Schweizer Kreuze markiert wurden, die den Kampffliegern signalisieren sollten, dass sie sich über der Schweiz und somit über kriegsneutralem Gebiet befanden. Des Weiteren wurde die Bevölkerung angewiesen, nachts sämtliche Hausöffnungen wie Fenster und Türen zu verdunkeln, damit allfällige Kampfflieger keine Wohnbezirke ausmachen konnten. Wer die Anordnung nicht befolgte, musste mit Sanktionen rechnen.

Autorin: Susanna Schoch, Herisau

Chronologie:

Auszüge aus den Rationierungserlassen der gesamten Schweiz und dem Kanton Appenzell Ausserhoden:

 

1939 Vorerst Bezugssperre und schliesslich ordentliche Rationierung von Zucker, Fett, Öl, Hülsenfrüchten, Getreideprodukten, vorläufig auch von flüssigen Kraft- und Brennstoffen.


1940 Brot wird nicht mehr frisch verkauft. Rationierung von Butter, Seife, Waschmittel, Textil- und Schuhware sowie Kohle für Hausbrand und Gewerbe.

 

1941 Einführung von zwei bis drei fleischlosen Tagen pro Woche. Rationierung von Brot, Milch, Eiern, Mehl, Brotgetreide, Honig und eingemachten Früchten. Verbot zur Herstellung von Magerkäse. Neuordnung zur Rationierung von flüssigen Kraft- und Brennstoffen.

 

1942 Rationierung von Fleisch. Zudem abgestufte Rationierung (grössere Portionen für Schwerarbeiter) und Einschränkung der Schlachtungen.

 

1943: Brot wird bei Engpässen mit Kartoffeln gestreckt. Herstellung von Konzentraten aus Trockenfrüchten nur auf schriftliche Bewilligung.

 

1944 Rationierung von süsser Buttermilch sowie Griess aus Hart- und Weichweizendunst.

 

1945-1948 Gestaffelte Aufhebung von Rationierungen und Reservelagern.

Literatur:

Degen, Bernhard: Rationierung. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 2.8.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13782.php (30.9.2010).

 

Geschichte der Gemeinde Herisau. Herisau 1999, S. 422-423.

 

Gesetzessammlungen von Appenzell Ausserrhoden. Jahre 1939 bis 1945.

Tags:

Herisau, Leute, Zweiter Weltkrieg, Zuberbühler, Rationierung, Fliegeralarm, Schulhaus Mühle, Schulhaus Au

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