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Titel:
Brand des alten Kurhauses Weissbad
Thema: Wirtschaft
Ort: Schwende (Karte anzeigen)
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Datum: 05.01.1960
Masse: 12,5 x 17 cm und 17,8 x 12,3 cm
Standort: Landesarchiv Appenzell Innerrhoden
Urheber/-in:
Beschreibung:
Brand des ehemaligen Kurhauses Weissbad am 5. Januar 1960. Ein Passant bemerkte an jenem Dienstagabend, dass Flammen aus dem Estrich des traditionsreichen Gasthauses schlugen. Wirtsleute und Gäste, welche ahnungslos im Restaurant gesessen hatten, konnten sich in Sicherheit bringen, liessen jedoch das Licht brennen. So entwickelte sich eine gespenstische Szenerie: oben das lodernde Flammenmeer und unten die scheinbar friedlichen, hell erleuchteten Räume. Nachdem man zuerst befürchtet hatte, das Gebäude sei verloren, brachte die rasch eingetroffene Feuerwehr den Brand bis 22 Uhr unter Kontrolle. Der Osttrakt des Kurhauses wurde durch das Feuer jedoch teilweise zerstört und es entstand beträchtlicher Schaden durch eindringendes Löschwasser.
Geschichte:
Wohl schon vor dreihundert Jahren bestand in der Ortschaft Weissbad eine einfache Badehütte. Erstmals erwähnt wird sie von Pfarrer Gabriel Walser (1695-1776) in seiner 1740 verfassten Appenzeller Chronik. Walser meint, das Bad helfe bei "Gliedsucht" und "kalten Fiebern", werde aber von Fremden wenig besucht, da es sehr abgelegen sei und die Betreuung der Gäste zu wünschen übrig lasse. In der Folge wurde der Betrieb 1770 eingestellt. Zur gleichen Zeit (ab 1750) entwickelte sich das benachbarte Gais zu einem bekannten Molkenkurort. Das Trinken von Molke oder Schotte galt damals als Wundermittel gegen allerlei Gebresten und kam in der besseren Gesellschaft je länger je mehr in Mode. Deshalb begann Anton Joseph Inauen (1722-1791) vom Rossberg ob Brülisau, genannt "Schottensepp", täglich Molke nach Gais zu tragen. Um vom wachsenden Kurtourismus zu profitieren, eröffnete sein Sohn Carl Jakob Inauen (1755-1811) 1790 im Weissbad eine eigene Molken- und Badekuranstalt. Er liess die ersten grösseren Gebäude erbauen und gilt deshalb als Gründer des Kurhauses, welches fünf während Generationen bis 1898 unter der Leitung der Familie Inauen stand.
Nach dem Ende der Napoleonischen Kriege (1814) bis in die 1860er-Jahre erlebte das Kurhaus seine erste Blütezeit. 1822-1839 wurden die Gebäulichkeiten mehrfach erweitert. Im Erdgeschoss des Zwischentraktes waren damals die Räume mit den Badewannen untergebracht. Schon 1826 konnten bis zu 50 Personen im aufgewärmten Quellwasser baden. An den Wochenenden ging es oft hoch zu und her. Streichmusiken spielten auf und 300 bis 400 Gäste vergnügten sich bei Tanz, Speis und Trank. 1829-1840 soll in der Loosmühle sogar eigens Bier gebraut worden sein, damit die Gäste im Weissbad immer mit frischem Gerstensaft versorgt werden konnten. 1856 wird berichtet, das Kurhaus sei zu klein. Zahlreiche Gäste müssten in Steinegg oder Appenzell logieren.
Trotzdem scheint das Haus 1869-1879 in finanzielle Schwierigkeiten geraten zu sein. Während des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) blieben die Gäste aus. Dafür wurden im leer stehenden Gebäude Soldaten der Bourbaki-Armee einquartiert. Grosse Investitionen wie eine neue Eisenbrücke über den Schwendebach (1875) sowie die Anlage eines englischen Gartens (1878) belasteten die Rechnung zusätzlich. Die Verschuldung führte 1879 zum Verkauf an ein Konsortium. Erst 1887 gelang es Franz Xaver Inauen (1823-1892) das Kurhaus in vierter Generation wieder vollständig in Familienbesitz zu bringen.
In der Belle Epoque zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg erlebte der Tourismus im Weissbad seine zweite Hochblüte. In dieser Zeit wurde das einfache Kurhaus in ein Grosshotel nach dem Vorbild der Paläste in den berühmten Schweizer Kurorten umgestaltet. Um das Kapital für die zahlreichen Investitionen zu erhalten, erfolgte 1898 die Umwandlung des Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft. 1896 entstand der Westtrakt, der dem Gebäude seinen charakteristischen u-förmigen Grundriss verlieh. Gleichzeitig wurde der Mittelbau nach dem Geschmack des Jugendstils umgestaltet. Ein spezielles Augenmerk galt der Hebung des Komforts und der Erweiterung der Unterhaltungsmöglichkeiten. 1898 erhielt das ganze Haus Wasserklosetts. Eine gedeckte und in der Art eines Wintergartens abschliessbare Gartenterrasse ergänzte 1903 den Westtrakt. 1905 erstrahlten die Zimmer erstmals im Glanze elektrischen Lichts. Eine besondere Attraktion bildete der 1907 eingerichtete Tennisplatz, notabene der erste im Appenzellerland. Ab 1905 fuhren Postkutschen ins Weissbad, welche 1912 von der Säntisbahn abgelöst wurden. So entwickelte sich am Fusse des Alpsteins ein mondänes Gesellschaftsleben. Berühmte Leute gingen ein und aus: der preussische Feldmarschall Graf Helmuth von Moltke (1801-1891), Prof. Dr. Albert Heim (1849-1937), der international renommierte Geologe und Gletscherforscher, Dr. Johannes Baumann (1884-1953), der spätere Ausserrhoder Bundesrat, sowie die Familie des Grafen Ferdinand von Zeppelin, dem Erfinder der Luftschiffe.
Mit dem Ersten Weltkrieg ging die Epoche des grossbürgerlichen, internationalen Kurlebens zu Ende. Nach dem Krieg kehrten vermehrt Schweizer Gäste mit bescheideneren Ansprüchen ein. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet der beschauliche Kurtourismus zunehmend ausser Mode. Die Ferien- und Freizeitgestaltung wandelte sich. Daran vermochte auch die Badeanstalt im Glandenstein, welche die Kurhausleitung 1930 am nahen Wissbach einrichtete, nichts zu ändern. Mit dem Ausbleiben zahlungskräftiger Gäste war das Kurhaus nicht mehr in der Lage, notwendige Investitionen zu tätigen. Der bauliche Bestand der Anlage veränderte sich kaum mehr, sodass die Einrichtung allmählich veraltete. 1958 geriet das Kurhaus in die Hände einer deutschen Aktiengesellschaft, die es postwendend an einen deutschen Fürsten weiterverkaufte. 1960 kam es zur abgebildeten Brandkatastrophe. Als es um den Wiederaufbau ging, war der Adlige samt den Aktiven des Unternehmens plötzlich verschwunden. So kam das Haus in die Hände eines Gossauer Hoteliers, der die nötigen Renovations- und Umbauarbeiten an die Hand nahm. Ein Jahr später konnte Wiedereröffnung gefeiert werden. Der geschäftliche Erfolg blieb jedoch mässig, sodass 1975 die endgültige Schliessung erfolgte. Ab 1982 stand das Gebäude leer und verlotterte zusehends, bis es 1989 von einer Investorengruppe gekauft und abgebrochen wurde. Die Investoren errichteten an gleicher Stelle das neue Hotel Hof Weissbad, welches 1994 eröffnet werden konnte. Es erfreut sich bis in die Gegenwart einer überaus grossen Nachfrage und ist zu einem wichtigen Pfeiler des Innerrhoder Tourismus-Gewerbes geworden.
Autor: Stephan Heuscher
Literatur:
Bischofberger, Hermann: Bewegte Weissbadgeschichte. Weissbad 1997 [Schriftenreihe Hof Weissbad, Bd. 1]
Appenzeller Volksfreund Nr. 4, 7. Jan. 1960, S. 4 und Nr. 188, 29. Juli 2010, S. 3
Tags:
Appenzell Innerrhoden, Fotografie, Katastrophe, Wirtschaft, Bildliche Darstellung, Bilddokument, Schwende, Tourismus, Kurhaus, Weissbad, Molke, Schotte, Schwimmbad, Badanstalt, Glandenstein
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