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Titel:
Prüfungsaufgebot für Quacksalber
Thema: Politik
Ort: Urnäsch (Karte anzeigen)
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Datum: 25.02.1802
Masse: 33 x 22 cm
Standort: Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, Ba.07-01-46
Urheber/-in: Sanitäts-Commission des Cantons Säntis
Beschreibung:
Schreiben der Sanitätskommission des helvetischen „Cantons Säntis“ an den Statthalter des Bezirks Herisau, in welchem drei Ärzte (Ulrich Sturzenegger und Bartholome Bondt von Herisau sowie Johannes Lutz von Schwellbrunn) und zwei Heilpraktiker (Joseph Frehner und Johann Konrad Bodenmann von Urnäsch) zur Prüfung ihrer medizinischen Fähigkeiten aufgeboten werden.
Geschichte:
In Appenzell Ausserrhoden waren um 1800 insgesamt 44 Humanmediziner tätig, darunter Ärzte, Wundärzte, Apotheker, Laienärzte und Hebammen. Dabei waren nur in jeder dritten Gemeinde studierte Ärzte beschäftigt. Während des Ancien Régimes (16.-18. Jh.) beschäftigte sich die appenzellische Politik kaum mit gesundheitlichen Fragen. Einzig zu Viehkrankheiten wurde bereits 1585 ein Landbuchartikel verfasst. Erst der 1798 auf französischen Druck errichtete helvetische Staat brachte eine Neuordnung des Gesundheitswesens mit sich. Im „Canton Säntis“, einem künstlich geschaffenen Verwaltungskreis, (der heute einen grossen Teil des Kantons St. Gallen und beide Appenzell umfasst,) wurde am 17. Oktober 1798 in einer „Medizinalproclamation“ die Schaffung einer Sanitätskommission beschlossen. Präsident der Sanitätskommission war bis zu deren Auflösung 1803 der Innerrhoder Arzt J. Nepomuk Hautle, weitere Mitglieder waren zwei Ausserrhoder sowie vier St. Galler Ärzte. Die Kommission hatte die Aufgabe, Daten zu im Gesundheitswesen tätigen Personen zu erheben und diese zu prüfen. Das Medizinaldekret hielt im Artikel 3 fest: „Die graduirten Ärzte sollen gehalten sein, uns ihre Diploma zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die nicht graduirten Ärzte und Wundärzte aber werden sich zu einem förmlichen Examen vor uns stellen“. Diese systematische Überprüfung der Mediziner hatte die Verdrängung von Heiltätigen und Quacksalbern zum Ziel und richtete sich gegen abergläubische und volksmedizinische Praktiken. Dennoch konnte die helvetische Gesetzgebung die volkstümlichen Betrachtungsweisen nicht verdrängen.
Unter den 1802 zur Prüfung aufgebotenen „Quacksalbern“ befand sich auch der Urnäscher Dorfarzt Joseph Frehner, welcher seine medizinischen Kenntnisse von seinem Vater übernommen hatte, nach Erfahrungswissen behandelte und deshalb unter die Kategorie „Quacksalber“ fiel. Aus dem helvetischen Sanitätsprotokoll vom 3. März 1802 geht hervor, dass Frehner an jenem Tag von mehreren studierten Ärzten zu den Themen Fieber, Abführmittel, Bruchmittel, Verrenkungen, Beinbrüche und Melancholie abgefragt worden sei, er aber die gestellten Fragen nur „mangelhaft“ habe beantworten können. Da jedoch kein studierter Arzt in Urnäsch vorhanden war, wurde Frehner die Ausübung der Chirurgie in leichten Fällen gestattet. Er übte seinen Beruf als Dorfarzt bis zu seinem Tod im Alter von 60 Jahren aus und gab seine Apotheke an seinen Sohn weiter, der ebenfalls als Arzt wirkte. Somit ist Joseph Frehner ein typischer Repräsentant des klassischen, in langer Familientradition stehenden, Landarztes.
Autorin: Kathrin Hoesli, Herisau
Chronologie:
1798 Entstehung der Helvetischen Republik
1798 Einrichtung der Sanitätskommission des Kantons Säntis
1803 Auflösung des helvetischen Staatswesens
Literatur:
Witschi, Peter: Geschichte einer Heillandschaft. In: Irniger, Walter (Hrsg.): Kräuter und Kräfte. Heilen im Appenzellerland, Herisau 1995, S. 13-46.
StAAR, Ba. 07-01 Missiven zum Sanitätswesen.
StASG, BA 114 Medicinaldecret vom 17. Oktober 1798.
StASG, Helvetik. Protokolle Sanitätscommission, Helvetisches Sanitätsprotokoll vom 3. März 1802.
Transkription:
„Helvetische Republik.
Freyheit. Gleichheit.
Der Präsident und die Mitglieder
der Sanitäts-Commission des Kantons Säntis
an den Bürger Willer Statthalter des Bezirkes Herisau
St. Gallen, den 25. Febr. 1802.
Bürger Statthalter!
Wir laden Euch mit diesem pflichtgemäß ein, die Bürgerr
Joh. Ulrich Sturzenegger, und Bartholome Bondt, beyde Aerzte zu Heri-
sau, Johannes Lutz, Arzt zu Schwellbrunn, so wie auch Joseph Frenner, und
Joh. Konrad Bodenmann, Quaksalber zu Urnäschen auf künftigen Mitt-
woch, den 3ten Mertz vor unser Collegium zu zitieren, mit der Bemer-
kung, daß Sie sich zu einer Prüffung gefaßt machen sollen, wenn
man eine solche verlangen würde.
Republikanischer Gruß!
Im Namen der Sanitäts-Kommission
Doct. Wild, Sekretär“
Aus: StAAR, Ba. 07-01.
Tags:
Politik, Brief, Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden, Medizin, Urnäsch, St. Gallen, Gesundheitswesen, Helvetik, Kanton Säntis, Sanitätskommission, Heilpraktiker, Landarzt
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