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Titel:

Ida Schläpfer und die Appenzeller Bärin

Thema: Politik

Ort: Appenzell Ausserrhoden    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1981

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, KB-001226

Urheber/-in: Fricker, Hans Ruedi

Beschreibung:

Appenzeller Bärin mit gut sichtbarer Vulva. Schriftzug: Ida Schläpfer.

Gegenstück zu männlichem Appenzeller Wappentier.

Geschichte:

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildeten sich in der Schweiz Stimmrechtsvereine, die 1909 den Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF) gründeten. Dieser forderte wirtschaftliche, soziale, rechtliche und politische Gleichstellung der Frauen. Bis in die 1960er Jahre gab es schweizweit verschiedene Vorstösse zur Einführung des Stimm- und Wahlrechts von Frauen, die insgesamt eher erfolglos waren. Als der Bundesrat 1968 die Unterzeichnung der europäischen Menschenrechtskonvention unter Ausschluss des Frauenstimmrechts plante, erhob sich unter Frauenverbänden massiver Protest, was den Bundesrat wiederum zu einer Reaktion zwang. Am 7. Februar 1971 wurde schliesslich das Stimm- und Wahlrecht für Frauen auf Bundesebene angenommen; Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden hatten beide abgelehnt. Die meisten Kantone zogen kurz darauf mit der Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler und kommunaler Ebene nach.

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden war zu dieser Zeit die Landsgemeinde das höchste politische Gremium der legislativen Gewalt auf kantonaler Ebene. Die Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler Ebene hätte demnach zur Folge gehabt, dass Frauen auch an der Landsgemeinde hätten teilnehmen dürfen. Viele dachten, dass Frauen an der Landsgemeinde – der Vollversammlung, welche nach Worten des ehemaligen Nationalrats Herbert Maeder etwas Mystisches zum Ausdruck brachte – einen zu grossen Traditionsbruch darstellen würden. Die Umfrage „ond/oder“ 1986 zum Thema Frauenstimmrecht zeigte denn auch, dass im Ausserrhodischen das kantonale Frauenstimmrecht nicht grundsätzlich abgelehnt wurde, sondern dass man mit der Einführung des Frauenstimmrechts einen Verlust oder eine Veränderung der Landsgemeinde befürchtete. Während des ganzen Prozesses setzten sich verschiedene Personen wie z.B. Elisabeth Pletscher (1908–2003) für die Einführung des Frauenstimmrechts ein – langfristig mit Erfolg, wie es sich am 30. April 1989 an der Landsgemeinde in Hundwil zeigte: Das Wahl- und Stimmrecht für Frauen wurde dort in erster Ausmarchung angenommen.

Im Kampf um die Einführung des Frauenstimmrechts ist auch „Ida Schläpfer“ sehr prominent geworden. 1981 tauchte Ida Schläpfer erstmals in der Öffentlichkeit auf: In einem Leserbrief an die Appenzeller Zeitung schrieb sie, ihr Mann würde sich weigern an der Landsgemeinde teilzunehmen, bis Frauen ebenfalls abstimmen dürften. Später offenbarte sie sich – unverkennbar und deshalb sehr provokativ – als Appenzeller Bärin. Ein aktiver Widerstand formierte sich um Ida Schläpfer – „ein lustbetonter Gegenmythos zur Männerdemokratie“ –, obwohl sie gar keine real existierende Person, sondern eine Erfindung des Trogner Künstlers Hans Ruedi Frickers war. Ihr Erfolg liess sie dann aber in den Köpfen von vielen Menschen real werden, denn Ida S. – im Appenzellerdialekt „Ide“ – war auch ein Synonym für „Idee“.

Autorin: Katharina Merian, Speicher

Chronologie:

1954 fakultatives Frauenstimm- und Wahlrecht in kirchlichen Belangen (d.h. die Gemeinden der evangelisch-reformierten Landeskirche hatten die Möglichkeit, dieses Recht zu gewähren).

1967 wurde das Frauenstimmrecht bindend in der Landeskirche eingeführt.

Am 7.2.1971wurde das Frauenstimmrecht auf Bundesebene eingeführt.

1986 wurde die „Ond/Oder“-Umfrage zur Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Appenzell Ausserrhoden unter Dr. Otto Schoch erhoben.

Am 30.4.1989 wurde an der Ausserrhoder Landsgemeinde in Hundwil die Einführung des Frauenstimmrechts angenommen.

Im Jahr 1991 wurde das Frauenstimmrecht im Kanton Appenzell Innerrhoden nach Bundesgerichtsentscheid eingeführt.

Literatur:

Fricker, H.R.: Erobert die Wohnzimmer dieser Welt! http://erobertdiewohnzimmer.net (20.8.2012).

Voegeli, Yvonne: Frauenstimmrecht. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 5.1.2006. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10380.php (1.9.2010).

Widmer, Margrith: Ida Schläpfer – Kult, Kultur und Kommunikation. In: Bräuniger, Renate (Hrsg.): FrauenLeben Appenzell. Beiträge zur Geschichte der Frauen im Appenzellerland, 19. und 20. Jahrhundert. Herisau 1999, S. 376-382.

Zatti, Kathrin Barbara: Pletscher, Elisabeth. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.2.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D45555.php (1.9.2010).

Tags:

Politik, Frauenstimmrecht, Kultur, Bilddokument, Wappen, Kunst, Wahl, Schläpfer Ida, Fricker Hans Ruedi, Appenzeller Bär, Frauenlandsgemeinde, Pletscher Elisabeth

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