Zeitzeugnisse

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Titel:

Säg Dank ond e guets Neus

Thema: Kultur

Ort: Urnäsch    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1979

Masse: 80 x 70 x 24 cm, 5kg

Standort: Privatbesitz Hansueli Frick, Fläsch / Depositum Appenzeller Brauchtumsmuseum Urnäsch

Urheber/-in: Hansueli Frick

Beschreibung:

Silvesterchlausenhaube mit Sujet Alpfahrt des Vorrollis Hansueli Frick vom Schuppel «Di Junge Schöne». Die Haube aus Sperrholz mit integrierten Lämpchen ist mit Karton überzogen, mit Folien beklebt und mit Tausenden von Kügelchen verziert.
 

Geschichte:

Am Anfang und am Schluss jeder Chlausengruppe oder des «Schuppels» geht ein «Rollewiib» oder «Rolli». Hauben, Rollen und Röcke sind Bestandteil ihrer «Chlausegroscht». Dieser Kopfschmuck eines «Vorrolli» zeigt eine Alpfahrtszene, nämlich zwei Sennen auf der Alp in der typischen Haltung beim «Schelleschötte» mit Bläss und Kuh. Eine Zierde ist das gemalte Eimerbödeli des Urnäscher Brauchtumsmalers Ruedi Alder (1946–2003). Ein weiteres Bödeli schmückt die Haube des «Noerolli». Im Unterschied zu diesen beiden Chläusen in weiblicher Kleidung tragen die «Mannevölcher» darstellenden Chläuse oder «Schelli» Hüte, Schellen und Hosen.

Am Neuen Silvester 1979 überraschte der Schuppel von Hansueli Frick, Dölf  Biasotto, Niklaus Frischknecht, Georg Jost, Walter Frick und Peter Alder mit dem Thema Alpfahrt. Schon Jahre zuvor waren sie als «Schöne» unterwegs, nun wurden sie zu den «Junge Schöne». Unter den Händen der knapp 20-Jährigen waren kunsthandwerklich selbst gefertigte und mit Schnitzereien geschmückte Hauben und Hüte entstanden. Passend zur Haube des «Vorrolli» zeigt die Haube des «Noerolli» zwei Sennen, die eine «Meisse» tragen. Die vier Hüte der «Schelli» zeigen Ziegen, Schellenkühe, einen Bauern mit Bläss und Kühen, einen Stier und eine «Ledi».

Ende der 1960er-Jahre ging der Trend in Urnäsch hin zu Naturchläusen, also nach Tannen duftenden «Schö-Wüeschte ond  Wüeschte». Von den Schönen in den farbigen Samtkleidern gab es, nachdem einige altershalber aufgehört hatten, nur noch wenige. Ob bäuerlich geprägt oder nicht, Silvesterchläuse verkörpern Brauchtum und Tradition wie Streichmusik, Viehschau, Sennenball oder das Bloch. Der Urnäscher Arzt Heinrich Moesch beschrieb 1906 das Chlausen: «Am urchigsten erhalten geblieben ist es gewiss in Urnäsch. Das Hauptgewicht legen die Kläuse auf eine schöne Kopfbedeckung. Je bunter und merkwürdiger sie ist, desto mehr wird der Träger berühmt und bewundert. Vor jedem Haus wird getanzt und gejauchzt. Am folgenden 13. Januar, also am alten Silvester, wird hier in Urnäsch nochmals geklaust und zwar nur im Tale.» Den Silvester am 13. Januar zu feiern kommt daher, dass die Urnäscher lange Zeit am Julianischen Kalender festhielten. Das Gebot, am Neuen im Dorf, am Alten im Tal, galt in Urnäsch noch 1972, bis der Gemeinderat dem Gesuch von Verkehrsverein und Wirten aus dem Dorf entsprach und das Chlausen versuchsweise abends auch im Dorfbezirk gestattete. Alter Silvester und Chlausen wurzeln tief im Volk.

Erstmals schriftlich erwähnt wurde das Chlausen 1663 in einem Sittenmandat. Eine evangelisch-puritanische Obrigkeit verbot fröhliches Tun wie Tanzen, Musizieren und das Tragen von Masken. Trotzdem baten in schlechten Zeiten vermummte Gestalten um die Weihnachtszeit, später am Silvester, vor Häusern Wohlhabender um Essen und Geld. Das Chlausen, oft mit Lärm und wildem Treiben verbunden, wurde von Einzelnen aufgewertet mit Gesang, Zauren und spezieller Bekleidung. Erst Anfang 1970 erwachte das Interesse der Medien. Der archaische Brauch aus dem Appenzeller Hinterland wurde in Fernsehsendungen bald in alle Welt ausgestrahlt. Das Mystische am Chlausen offenbart sich an einem kalten Wintermorgen, wenn ein Zäuerli erklingt, der Glühwein dampft, der alte Bauer vor seinem Haus eine Träne abwischt und das Rollen und Schellen die Landschaft verzaubert.

Autorin: Esther Ferrari, Urnäsch

Literatur:

Quellen:
Walter Frick, Urnäsch (mündliche Auskünfte).

Literatur:
Bendix, Regina. Nef, Theo: Silvesterkläuse in Urnäsch. St. Gallen, Urnäsch 1984 (Appenzeller Brauchtum, Bd. 1).

Hürlemann, Hans: Das Silvesterchlausen. In: Hürlemann, Hans (Hrsg.): Landschaft, Geschichte, Brauchtum. Herisau 2006, S. 67–84.

 

Tags:

Handwerk, Urnäsch, Brauchtum, Silvesterchlausen, Chlausenhaube, Neujahr, Alter Silvester

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