Zeitzeugnisse

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Titel:

Wappenbär und Sparbeutel

Thema: Politik

Ort: Herisau    (Karte anzeigen)

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Datum: 30.05.1912

Masse: 20 x 26 cm

Standort: Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, D.036

Urheber/-in:

Beschreibung:

Die 1912 entstandene Fotografie zeigt das im Neubau begriffene Regierungsgebäude am Obstmarkt in Herisau, welches 1914 als Bank- und Staatsgebäude eröffnet wurde. Das Bild gibt Einblick in die Konstruktion des Rohbaus. Im Vordergrund sind Holzschalungen für Eisenbetonpfeiler zu sehen. Die Eisenbetonkonstruktion des Gebäudes gilt als Pionierleistung des Ingenieurs Robert Maillart (1872-1940), welcher später als Brückenbauer weltbekannt wurde. Mehrere Arbeiter sind mit dem Aufbau der Mauern beschäftigt. Auf der obersten Baufläche prüfen vermutlich die Architekten Johannes Bollert und Hermann Herter zusammen mit dem Präsident der Baukommission, Bankdirektor Hermann Mauchle-Roth (1874-1964), die Baupläne.
 

Geschichte:

Die Appenzell-Ausserrhodische Kantonalbank, die seit 1902 im Haus Friedeck an der Poststrasse ihren Sitz hatte, brauchte Platz. 1908 wurde dem Regierungsrat vorgeschlagen, einen gemeinsamen Neubau zu projektieren. 1909 wurden Verhandlungen mit der evangelischen Kirchgemeinde, der Besitzerin der Liegenschaft zur Blume, geführt, worauf ein Tauschhandel stattfand. Die Kirchgemeinde zog ins Haus Friedeck, das bis heute ihr Standort geblieben ist, die Kantonalbank erwarb das Haus zur Blume und kurz darauf weitere Liegenschaften am Obstmarkt. Die zunächst vorgesehene gemeinsame Baufinanzierung wurde schnell wieder in den Wind geschlagen, zu gross war das Risiko, dass die Landsgemeinde einen teuren Neubau ablehnen könnte. Der Kantonsrat überliess demnach der Kantonalbank die alleinige Bauherrschaft sowie die Finanzierung der Baukosten, welche sich insgesamt auf 765‘000 CHF beliefen. Dass das Volk über den Neubau nicht entscheiden durfte, stiess teilweise sauer auf. Der sozialdemokratische Nationalrat Howard Eugster-Züst legte 1911 einen staatsrechtlichen Rekurs wegen Überschreitung der Finanzkompetenzen durch den Kantonsrat ein, welcher jedoch vom Bundesgericht abgewiesen wurde.

Am 17. Januar 1912 konnte das Bauvorhaben mit dem Abbruch mehrerer Liegenschaften beginnen. Die Zürcher Architekten Bollert & Herter waren 1910 im Wettbewerbsverfahren bestimmt worden. Hermann Herter (1877-1945) machte später als Stadtbaumeister von Zürich Karriere (1910-1942). Als Ingenieur wurde Robert Maillart (1872-1940) aus Zürich hinzugezogen, welcher heute als Pionier der Eisenbetonkunst gilt. Für die Steinmetz- und Bildhauerarbeiten war der Zürcher Otto Münch (1885-1965) zuständig, die Friesmalerei an der Fassade stammt von Ernst Georg Rüegg (1883-1948), Maler aus Zürich. Das Gebäude im Heimatstil mit den kielgiebigen Dachlukarnen, dem mächtigen Mansardwalmdach und dem geschwungenen Quergiebel erhielt gesamtschweizerische Resonanz und wurde in der „Schweizerischen Bauzeitung“ sowie in der Zeitschrift „Das Werk“ als beeindruckendes Gesamtkunstwerk gewürdigt.

Die Kantonalbank konnte am 5. November 1913 das Gebäude eröffnen, welches im Volksmund fortan Bankgebäude genannt wurde. Der Bankeingang befand sich am westlichen Ende (heute: Haupteingang Regierungsgebäude). Der Empfang, die Schalterhalle sowie die Büroräume des Bankdirektors waren im Erdgeschoss untergebracht. Der Regierungsrat siedelte am 21. Februar 1914 ins Gebäude über. Die erste Sitzung des Kantonsrats fand am 29. Mai 1914 statt. Neben dem Regierungsratszimmer im 1. Stock und dem Kantonsratssaal im 2. Stock waren der kantonalen Verwaltung weitere Büroräume auf der 1. Etage zugeteilt. Durch den östlich gelegene eigenen Eingang waren Regierung und Verwaltung von der Kantonalbank getrennt. Das Gebäude behielt seine Doppelfunktion bis 1984, als der Kanton das Bankgebäude und das Haus Blume zu einem symbolischen Preis von einem Franken erwerben konnte und die Kantonalbank einen eigenen Neubau am Obstmarkt (heute: UBS-Gebäude) bezog. Nach einer umfassenden Renovation durch die Architekten Auer und Möhrle AG aus Herisau nahm das frühere Bankgebäude am 16. März 1987 als Regierungsgebäude den Betrieb auf und wird auch fortan so genannt.

Autorin: Kathrin Hoesli, Herisau

Chronologie:

1908 Bauprojekt

1910 Architekturwettbewerb

1912 Baubeginn

1913 Eröffnung Kantonalbank

1914 Gebäudebezug Regierung und Verwaltung

1984 Erwerb Regierungsgebäude durch Kanton

1987 Bezug Regierungsgebäude nach 2-jähriger Renovation

2004 Renovation Kantonsratssaal
 

Literatur:

Quellen:
Appenzell A.-Rh. Staats- und Kantonalbank-Gebäude Herisau. In: Schweizerische Bauzeitung 69 (1917), S. 166-167; 173-175; 185-187.

Das Staats- und Kantonalbankgebäude in Herisau. In: Das Werk 4 (1917), S. 21-36.

StAAR, D.036 Neubau Regierungsgebäude 1908-1915.

Ueber die Baugeschichte der Kantonalbank-Neubaute. In: Schläpfer, Schreibmappe 1913 und 1914, S. 1-7.

Literatur:
Rebsamen, Hanspeter: Herisau. In: INSA. Inventar der neueren Schweizer Architektur, 1850–1920. Separatdruck. Bern 1990. S. 203-205.

Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (Hrsg.): Regierungsgebäude am Obstmarkt 1912-1987. Herisau 1987.


 

Tags:

Herisau, Fotografie, Architektur, Bank, Verwaltung, Regierung, Regierungsgebäude, Obstmarkt

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