Zeitzeugnisse

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Titel:

Rätselhaftes Gemälde im Kapuzinerkloster

Thema: Leute

Ort: Appenzell    (Karte anzeigen)

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Datum: 15.05.1768

Masse: 189 x 128 cm

Standort: Ehemaliges Kapuzinerkloster Appenzell, Objekt 22602

Urheber/-in: Carl Anton Eugster, Appenzell

Beschreibung:

Im Mittelpunkt des Gemäldes stehen der selige Bernhard und eine von zwei Männern begleitete Frau, aus deren Mund das Böse in Drachenform entweicht. Zwei Engel tragen die Attribute des Seligen: Lilie, Bussgürtel und Geissel. Unten ist in lateinischer Sprache vermerkt, dass es sich um das wahre Abbild des von Papst Clemens XIII. am 15. Mai 1768 Seliggesprochenen handle.
 

Geschichte:

Seit ihrer Niederlassung in Appenzell 1586 engagierten sich die Kapuziner als Seelsorger und Wanderprediger. Über ihre pastorale Haupttätigkeit ist aber wenig Konkretes überliefert. Während den Pestzeiten 1611 und 1629 machten sie sich durch ihren unerschrockenen Einsatz bei der Bevölkerung beliebt. Heikler war ihre Rolle bei den Hexenverfolgungen des 17. Jahrhunderts. In bestimmten Fällen wurden die Kapuziner beigezogen, um den «läidigen Sathan» auszutreiben. Aus Gerichtsakten ist bekannt, dass sie später mit aller Kraft gegen solche Missbräuche ankämpften. Umso  erstaunlicher ist es, dass in diesem Zusammenhang der aus Oberegg  stammende und in Appenzell lebende Maler Carl Anton Eugster (1714–1788) im Jahre 1768 ein markantes Bild schuf, das einige Fragen aufwirft. Das imposante Kunstwerk im Kreuzgang des 2011 aufgehobenen Kapuzinerklosters thematisiert die Dämonenaustreibung.

Im Mittelpunkt des Gemäldes steht Bernhard von Corleone (1605–1667), ein Kapuzinerbruder aus Sizilien, der sich der Kranken annahm und viele unerklärbare Heilungen bewirkt haben soll. Er stand weit über seine Provinz hinaus im Rufe der Heiligkeit. 1755 erschien in Bozen eine Lebensbeschreibung über ihn. Darin wird berichtet, wie er die «Höllen-Gespenster» vertrieben und die «Besessenen» geheilt habe.
Bemerkenswert ist, dass Bruder Bernhard kein offizieller Exorzist war. Als einfacher Laienbruder ohne Weihen und ohne bischöfliche Genehmigung konnte er – gemäss dem kirchlichen Rituale Romanum von 1614 – keine exorzistischen Handlungen im streng kirchenrechtlichen Sinn vollziehen. Hätte er sich nicht daran gehalten, so wäre er
1768 nicht selig- und 2001 nicht heiliggesprochen worden.
Carl Anton Eugster hat sein Kunstwerk 1768, also im Jahre der Seligsprechung von Bruder Bernhard, geschaffen und in einer Inschrift auf diesen Umstand hingewiesen. Im Zentrum des Bildes steht der selige Bernhard, der mit Kreuz und Rosenkranz einen Dämon aus einer besessenen Frau vertreibt. Die Darstellung entspricht der erwähnten Lebensbeschreibung von 1755: «Was die Abtreibung der höllischen Geisteren aus denen Besessenen oder aber auf andere Weis gequellten Persohnen anbelangt, war sein Gewalt, dass ein eintziges Befelchs-Wörtlein, oder aber eine gelinde Berührung mit der Hand hierzu» ausreichte.

Die Franziskus-Jünger nahmen sich vorwiegend der Ärmsten an, das heisst der Kranken, der Ausgestossenen, Aussätzigen und Randständigen. Eine schwere, vor allem psychische Krankheit wurde im 18. Jahrhundert häufig als eine nach Befreiung verlangende Besessenheit betrachtet. Die Kapuziner milderten oft das Leid der Betroffenen mit ihrem Zuspruch und Beistand. Bei einigen hiess es, dass sie über ausserordentliche Kräfte verfügten. Die Kapuziner von Appenzell ernannten nur ausnahmsweise einen Priester aus ihren Reihen zum offiziellen Exorzisten. Dieses Thema wurde jedoch in der Kirche und im Orden zu dieser Zeit sehr diskret behandelt, so dass in den entsprechenden Archivalien darüber kaum Aussagekräftiges zu erfahren ist. Aufschlussreich hingegen ist, dass sich im 18. Jahrhundert sowohl in der Pfarreibibliothek St. Mauritius wie auch in der Klosterbibliothek der Kapuziner verschiedene Werke zur «Dämonenaustreibung» mit Anleitungen für die Geistlichen finden lassen. Bei einer dieser Druckschriften handelt es sich um «Arma spiritualia» (geistliche Waffen), die helfen sollten, «das Teuflische zu zerschlagen».

Autor: Josef Küng, Appenzell

Literatur:

[Fischer, Emerich]: Par Nobile Fratrum, das ist: Kurtze Lebens-Beschreibung […] Bruders Bernardi von Corleone […]. Botzen 1755.

Stoiber, Ubald: Armamentarium ecclesiasticum complectens Arma spiritualia, fortissima, ad insultus diabolicos elidendos, et feliciter sperandos. Augsburg 1726.

Grosser, Hermann. Hangartner, Norbert: Appenzeller Geschichte. Bd. 3: Appenzell Innerrhoden von der Landteilung 1597 bis ins 20. Jahrhundert. Herisau, Appenzell 1993.

Fischer, Rainald: Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Innerrhoden. Basel 1984 (Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 74), S. 67f., 248.

Küng, Josef: Eine Ära geht zu Ende: Nach 425 Jahren verlassen die Kapuziner Appenzell. In: Innerrhoder Geschichtsfreund 52 (2011), S. 7-45.

Kuster, Niklaus: Appenzeller Kapuzinerchronik von 1586 bis 2011. In: Schweizer, Christian. Kuster, Nikolaus. Küng, Josef: Gelebte Armut. Kapuziner in Appenzell, 1586–2011. Luzern 2011 (Helvetia Franciscana, Vol. 40/1), S. 9-130.

Sauser, Ekkart: Bernardo da Corleone. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. XXIII. Nordhausen 2004, Spalte 76.

 

Tags:

Appenzell, Gemälde, Religion, Kloster, Kapuziner, Bruder Bernhard, Dämonen

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