Zeitzeugnisse

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Titel:

Dreimal täglich – Appenzell hin und zurück

Thema: Land

Ort: Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden    (Karte anzeigen)

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Datum: 15.10.1880

Masse: 28 x 46.5 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Innerrhoden, D. 1880.1

Urheber/-in: Appenzellerbahn

Beschreibung:

Fahrplan der Appenzeller-Bahn vom 15. Oktober 1880 mit Bahnverbindungen von Urnäsch bis St. Gallen-Winkeln samt Anbindung bis Zürich und vice versa sowie Anschlüsse der Postkurse im Appenzellerland von und nach Herisau, Waldstatt und Urnäsch. Nebst den Fahrpreisen finden sich auch touristische Hinweise auf Extra- und Vergnügungszüge sowie auf die Weiterreise zum Säntis.
 

Geschichte:

«Der Zug steht still; die Waggonsthüren werden aufgemacht. Von allen Seiten erschallt der Ruf: ‹Aussteigen Winkeln; Wagenwechsel Herisau, Waldstatt, Urnäsch, Appenzell!› Diese monotone Mahnung hatte Wirkung. Kurze fettleibige Franzosen, lange steife Engländer, urwüchsige Deutsche, humoristische  Appenzeller, darunter reizende Frauenzimmergestalten aller Nationen verlassen den Zug.

Fernab der grossen Transitwege, topographisch durch zahlreiche ‹Höger› und ‹Töbel› behindert, erfolgte die verkehrsmässige Erschliessung des Appenzellerlandes spät und schleppend. Noch Ende des Ancien Régimes «waren die Strassen im ganzen Appenzellerlande so schlecht beschaffen, dass gar alle Produkte, welche man ausführte, und alle Bedürfnisse, welche man einführte […] von  Pferden getragen […] werden mussten». Erst mit den Strassenbauten des 19. Jahrhunderts wurde die Einrichtung regelmässiger Postkutschenverbindungen möglich. Dazu gehörten die Postkurse von St. Gallen über Herisau ins Toggenburg (1839), von St. Gallen über Trogen nach Altstätten (1842) und von St. Gallen über Teufen, Gais und den Stoss nach Altstätten (1855). Wegweisend für den weiteren Ausbau des Verkehrsnetzes waren das Ausserrhoder Strassengesetz von 1851 und das Innerrhoder Strassengesetz von 1876.

Reiseführer schossen wie Pilze aus dem Boden, lockten Gäste mit Heilbädern, Luft- und Molkenkuren in die Schweiz und natürlich auch ins Appenzellerland. Mit dem wachsenden Verkehr durch Industrie und Tourismus erwachte ab 1850 das Interesse an Eisenbahnverbindungen. Wie bei den frühen Strassenbauten spielten auch bei den Bahnprojekten Gemeinden und Privatpersonen eine führende Rolle. Mit viel Elan und grossem finanziellen Aufwand wurden von 1873 bis 1913 alle bis heute bestehenden Eisenbahnlinien realisiert.

Vorhaben, das Appenzellerland, insbesondere Herisau, ans Netz der Vereinigten Schweizer Bahnen anzubinden, scheiterten anfangs. Ende August 1872 formierten sich elf Eisenbahnfreunde aus Herisau zu einer Privateisenbahnkommission. Noch im selben Jahr kam es aufgrund der Idee von Bundesrat Jakob Dubs (1822–1879), die Bahnstrecke bis Appenzell weiterzuführen, zu Verhandlungen mit der neu gegründeten Schweizerischen Gesellschaft für Localbahnen. Am 23. September 1873 erfolgte die Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn Winkeln–Herisau–Urnäsch–Appenzell. Trotz finanzieller Widrigkeiten wurde 1874 mit dem Bau begonnen. Am 12. April 1875 war es so weit. Die Etappe von St. Gallen-Winkeln bis Urnäsch, eine Strecke von rund 15 km, konnte in Betrieb gehen. Am 21. September erfolgte dann die Einweihung «mit einer kleinen Festlichkeit, an welcher die Bevölkerung lebhaften Antheil nahm», wie der dritte Jahresbericht der Schweizerischen Gesellschaft für Localbahnen festhält. Brauchte man von Appenzell bis Urnäsch beinahe zwei Stunden mit dem Pferde-Postwagen, so brachte das Dampfross den Passagier innert fünf Minuten von Urnäsch in die Zürchersmühle, von der Zürchersmühle in einer Viertelstunde nach Waldstatt, in weiteren zehn Minuten nach Wylen, in sechs Minuten nach Herisau. Nach einem kurzen Halt in Herisau (vier Minuten) und einer weiteren Viertelstunde erreichten die Reisenden St. Gallen-Winkeln. Endstation! Welch rasante Fortbewegung! Die Eisenbahnstrecke Urnäsch–Appenzell wurde erst am 16. August 1886 in Betrieb genommen.

Autorin: Doris Überschlag, Appenzell

Literatur:

Diem, Heinrich: Das appenzellische Strassen- und Postwesen: von seinen ersten Anfängen bis zur Eröffnung der Appenzellerbahn. Trogen 1910

Dritter Jahresbericht der Schweizerischen Gesellschaft für Lokalbahnen, umfassend den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. December 1875. S. 6.

Grünewald, Th.. Neff, J.: In die Berge des Appenzellerländchens. Für die Freunde der Natur und ländlicher Sitten. Appenzell 1881.

Gsell-Fels, Theodor: Die Bäder und klimatischen Kurorte der Schweiz. Zürich 1880.

Müller, Stephan: Die Geschichte der Appenzeller Bahnen AB/SGA/AG/SG. Herisau 1981.

Schläpfer, Walter: Wirtschaftsgeschichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden bis 1939. Gais 1984.

Specker, Thomas. Witschi, Peter. Hürlemann, Hans: Historische Verkehrswege in den Kantonen Appenzell Inner- und Ausserrhoden AI AR. Eine Publikation zum Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz IVS. Bern 2007.

Steinmüller, Johann Rudolf: Beschreibung der schweizerischen Alpen- und Landwirthschaft. Bd. 2. Alpen- und Landwirthschaft des Kantons Appenzell und der St. Galler Bezirke Rheintal, Sax und Werdenberg. [Winterthur 1804] Reprint, hrsg. und eingel. von Werner Vogler. Herisau 1989.


 

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Herisau, Appenzell, Urnäsch, Verkehr, Tourismus, Post, Bahn, Fahrplan, St. Gallen-Winkeln

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