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Titel:

Firmenausflug der Suhner & Co. an die Landi in Zürich

Thema: Leute

Ort: Herisau    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1939

Standort: Original Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden (Vorbesitz: Metrohm AG, Herisau); Digitalisat Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden

Urheber/-in: Bertold Suhner-Watts (1910-1988)

Beschreibung:

Filmausschnitte vom Firmenausflug der Herisauer Suhner & Co. an die Landi in Zürich, Dauer des Beitrags 7:31 min. Gefilmt wurde von Bertold Suhner-Watts (1910-1988), der 1943 zusammen mit seinem Freund Willi Studer (1911-1996) die Methrom AG in Herisau gegründet hat, nachdem er aus der väterlichen Suhner & Co. ausgestiegen war.

Die Filmausschnitte dokumentieren die Ankunft des Zuges in Rapperswil, mit dem die Mitarbeitenden der Suhner & Co. angereist sind. Anschliessend wird der Spaziergang entlang der Uferpromenande gezeigt, die Ankunft der Personenfähre und der Einstieg der Passagiere. Ab 2:03 min folgen Aufnahmen von der Fahrt des Personenschiffs über den Zürichsee; festgehalten sind sowohl die Ufergebiete als auch Impressionen vom Aussendeck. Gezeigt wird unter anderem ein Konzert von einem Männerchor. Schliesslich (ab 4:02 min) folgt der Passagierausstieg, vermutlich am Bürkliplatz in Zürich.

Bei den weiteren Aufnahmen handelt es sich im Grossen und Ganzen um Eindrücke vom Gelände der Landesausstellung in Zürich. Die wichtigsten Stationen: Ab 4:26 min wird der Turm der Schwebebahn gezeigt, welche in einer Höhe von 75 Metern die beiden gegenüberliegenden Seeufer des Zürichsees verband (Enge und Riesbach). Ab 5:36 min ist die Plastik „Knabe mit Pferd“ von Otto Charles Bänninger (1897-1973) zu sehen, wobei der Knabe vom Pferd verdeckt ist. Ab 5:47 min ist der sogenannte Glockenturm festgehalten, der neben dem Uhren-Pavillon stand. Ab 5:51 min folgt eine längere Sequenz, in der die von Hans Erni gestaltete Hotelwand „Die Schweiz, das Ferienland der Völker“ (90 Meter lang, 5 Meter hoch) mit der Linse abgefahren wird. Ab 6:10 min sind Aufnahmen vom „Schifflibach“ zu sehen, einem Kanalsystem, auf dem sich die Besucherinnen und Besucher der Landi mit kleinen Booten auf dem Ausstellungsgelände herumtreiben lassen konnten. Ab 6:40 min ist eine erhöhte, brückenähnliche Strasse zu sehen, über welche alle Gemeindewappen der Schweiz aufgehängt worden sind. Ab 6:55 min sind verschiedene Attraktionen für Kinder zu sehen: Neben kleinen Autos, in denen die Kinder auf einer Bahn fahren konnten, sind ein Spielplatz und ein Riesenrad zu sehen. Hierbei handelt es sich wohl um Teile des „Kinderparadieses“, einem extra eingerichteten Kinderhütedienst, wo sich Trudi Gerster (geb. 1919) einen Namen als „Märlifee“ machte…

Geschichte:

Die Landesausstellung in Zürich 1939 wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs eröffnet und war als äusserst gut besuchte Ausstellung „Ort der geistigen Landesverteidigung“ (Zürich 1939, Expo Archive) – hier wurden schweizerische Werte deklariert und hier sollten die totalitären Ideologien der Nationasozialisten, Faschisten und Kommunisten abgewehrt werden. Man sprach in diesem Zusammenhang auch vom „Landigeist“, weil die geistige Landesverteidigung während der Landi so auf Zustimmung traf. Die geistige Landesverteidigung darf aber nicht als einheitliches Konzept verstanden werden, vielmehr wurde sie von den jeweils verschiedenen politischen Gruppierungen inhaltlich unterschiedlich aufgefüllt.

Die Landi sollte mittels der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Kultur das „schweizerische Eigenleben“ der damaligen Generation dokumentieren (Hundertneunzig Tage, Expo Archive). Besonders ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat sich hierbei das „Dörfli“ der Landi 1939. Die Idee der Erbauung eines kleinen Schweizer Dorfes, in dem verschiedene Architekturstile aus der ganzen Schweiz repräsentiert wurden und das gewissermassen eine „Suisse miniature“ darstellte, war zwar nicht neu, denn an den verschiedenen Landesausstellungen hatte man immer wieder Schweizer Tradition inszeniert (und bisweilen verklärt). Jedoch stellte das „Dörfli“ von 1939 einen Höhepunkt in dieser Entwicklung dar: Es bot das ideale Gefäss für das „Bedürfnis nach Demonstration kultureller Eigenständigkeit“ (Kreis, HLS), also für die geistige Landesverteidigung.

Die Herisauer Firma Suhner & Co. stand seit 1906 unter der Leitung von Bertold Suhner-Lutz (1880-1971), der die gut laufende Unternehmung von seinem Vater Gottlieb Suhner-Signer (1842-1918) übernommen hatte. Die Suhner & Co. produzierte zunächst Bestandteile von Plattstichwebstühlen und Stickmaschinen, spezialisierte sich dann immer mehr auf die Herstellung von Kabel-, Kautschuk- und Kunststoffprodukten und entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer der wichtigsten Firmen im Appenzellerland. Zur Zeit der „Landi“ 1939 stand die Suhner & Co. gerade vor einer weiteren Expansionsphase aufgrund des Einstiegs in die Produktion von Hochfrequenzkabeln im Jahr 1938. 

Wie es später im Appenzellischen Jahrbuch hiess, hatte es die Landesausstellung  von 1939 geschafft, "in einem monumentalen Anschauungsunterricht den Gemeinschaftsgeist der Schweizer zu stärken und die Liebe zum Vaterland neu zu entzünden" und dadurch "die Betreuer der schweizerischen Volkswirtschaft und [...] andere Erwerbsgruppen" (Koller, S. 93f.) zu stützen. Blickt man auf diese Wirtschaftsfreundlichkeit der Landi, vermag es deshalb nicht zu überraschen, dass der Firmenausflug der aufstrebenden Suhner & Co. an die Landi führte.

Autorin: Katharina Merian, Speicher

Chronologie:

1864 Gründung einer bescheidenen mechanischen Werkstatt (spätere Suhner & Co.) in Herisau

1939 Landesausstellung in Zürich

1943 Gründung der Metrohm AG in Herisau

1964 Landesausstellung in Lausanne

Literatur:

Heuscher, Stephan: Huber + Suhner AG, Herisau. In: Fredi Altherr u.a. (Hrsg.): Fabrication. Kleine Industriegeschichte des Appenzellerlandes. Herisau 2007, S. 93-101.

Egger, Alfred: Die Appenzeller Wirtschaftsgesinnung. In: Appenzellische Gemeinnützige Gesellschaft (Hrsg.): Appenzellische Jahrbücher Nr. 66 (1939) mit Landesausstellungsschrift. Trogen 1939, S. 1-144.

Expo Archive. http://www.expo-archive.ch/ (27.08.2012).

Fuchs, Thomas: Suhner, Bertold. No. 1. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.07.2012. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D29663.php (30.08.2012).

Fuchs, Thomas: Suhner, Bertold. No. 2. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.07.2012. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D41226.php (30.08.2012).

Jorio, Marco: Geistige Landesverteidigung. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.11.2006. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17426.php (29.08.2012).

Koller, A.: Landeschronik von Appenzell I. Rh. für das Jahr 1939. In: Appenzellische Gemeinnützige Gesellschaft (Hrsg.): Appenzellische Jahrbücher Nr. 67 (1940), S. 93-108.

Kreis, Georg: Landesausstellungen. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.09.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13796.php (29.08.2012).

Zusatztexte:

In einer Retrospektive im Appenzellischen Jahrbuch von 1940 heisst es in Bezug auf die Landesausstellung von 1939: „Gleich voraus ist aber auch einer erfreulichen Tatsache zu gedenken, der Schweiz. Landesausstellung in Zürich, die im Jahr 1939 gerade noch rechtzeitig gekommen ist, um in einem monumentalen Anschauungsunterricht den Gemeinschaftsgeist der Schweizer zu stärken und die Liebe zum Vaterland neu zu entzünden. Ihre eindringliche Sprache von der Verbundenheit aller Stände und Klassen ist auch ins Appenzellerland gedrungen, allerdings nicht bis zur Redaktion des «Appenzeller-Bur», die ihre einseitige Interessenspolitik noch verschärfte und das ganze Jahr hindurch fortfuhr in der Hetze gegen die Betreuer der schweizerischen Volkswirtschaft und gegen andere Erwerbsgruppen.“ (Koller, S. 93f.)

Tags:

Herisau, Technik, Wirtschaft, Kultur, Weltanschauung, Landesausstellung, Öffentliche Meinung, Film, Bertold Suhner, Geistige Landesverteidigung, Zürich, Video

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