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Titel:

Rechenbüchlein aus Rehetobel

Thema: Leute

Ort: Rehetobel    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1681

Masse: 15,5 cm x 9,5 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App 264

Urheber/-in:

Beschreibung:

Ein Rechenbüchlein aus dem Jahr 1681 mit dem Titel „Vermehrtes/und zum theil selbst=lehrendes Rechenbuechlein“. Aufgrund einer handschriftlichen Signierung auf dem Titelblatt muss das Rechenbüchlein einem Johannes Schirmer, womöglich wohnhaft in Trogen, gehört haben.

Es ist nicht ersichtlich, wo das Rechenbüchlein gedruckt worden ist. Obwohl auf der Titelseite Johannes Zürcher aus Rehetobel als Verleger angegeben wird („Zufinden im Rehtobel bey Johannes Züricher“), ist es aufgrund des Publikationsjahres 1681 nicht klar, ob das Rechenbüchlein wirklich in Rehetobel gedruckt wurde, da zu diesem Zeitpunkt im Kanton Appenzell Ausserrhoden erst eine Druckerei in Herisau existierte.

Das Rechenbüchlein richtete sich laut den Ausführungen auf dem Titelblatt an diejenigen, die das Rechnen vergessen haben und an diejenigen, die noch nie Rechenunterricht geniessen durften. Das Rechenbüchlein ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil beschränkt sich auf die Basisfunktionen: auf das Zählen, das Zählen in römischen Zahlen, das Einmaleins, die Addition, die Subtraktion, die Multiplikation, die Division und auf das Bruchrechnen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit Zinsrechnen, Dreisätzen und Rechnungen zu den verschiedenen Währungen. Dem Rechenbüchlein sind ausserdem die Lösungen beigefügt, jedoch keine Lösungswege, „weil ihrer viel der meinung/die Jugend moechte zu ihrem nachtheil viel abspicken/deswegen seye nothwendig/dass von dem zehlen an bis auff das letste Exempel/nur das facit stande/und die Exempel denen im ersten Theil nicht gleich seyen/damit die Jugend gerrungen jedem nachzu=sinnen“. Das Rechenbüchlein richtet sich ganz diesem Zitat entsprechend an die Jugend, aber auch an die Liebhaber der Rechenkunst. Im Folgenden wird auf drei verschiedene praktische Rechenaufgaben eingegangen:

Ein „Summir=Kaueff“ (S. 28)
Die Aufgabe setzt Währungsumrechnungskenntnisse voraus: 1 Gulden = 60 Kreuzer, 1 Kreuzer = 8 Heller. Es werden die Stoffe Leinwand à 617 Gulden, 35 Kreuzer und 6 Heller, Barchet (ist ein Mischgewebe aus Leinen (Kette) und Baumwolle (Schuss)) à 421 Gulden, 14 Kreuzer und 5 Heller, Tuch à 315 Gulden, 59 Kreuzer und 4 Heller und Seide à 844 Gulden, 48 Kreuzer und 3 Heller zusammengerechnet. Das Resultat nennt ein Total von 2199 Gulden, 38 Kreuzer und 2 Heller.

Ein „Subtrahir=Kaeuff“ (S. 32)
Die Aufgabe lautet: „Item/Einer ist schuldig gewesst 617 fl. 35 kr. 6 hlr. Daran hat er bezahlet 422. fl. 48 kr. 7 hlr. Wie vil bleibt er noch pro Rest schuldig?“

Eine „Gesellschafft=Rechnung“ (S. 135)
Die Aufgabe lautet: „Item/Ihr zwey machen ein Gesell=schafft/A legt 100 fl. B 1500 fl. ha=ben in einem Jahr gewonnen 420 fl. Wie viel gebuehrt jedem pro rata? Facit A 168 fl. B 252 fl.

Die Währungsabkürzungen sind so zu verstehen: Gulden = fl., Kreuzer = Kr., Heller = hlr. Auf das eigene Nachrechnen sei hingewiesen, dass unsere Vorfahren nicht an das Dezimalsystem gewöhnt waren.

Geschichte:

 Um das Jahr 1681 bestand im Kanton Appenzell Ausserrhoden erst eine Druckerei, die 1679 von Jakob Redinger in Herisau gegründet worden war. Redinger zog ein Jahr nach der Gründung nach St. Gallen, seine Druckerei wurde mehr oder weniger aufgegeben, worauf das Herisauer Druckgewerbe erst in den 1830er Jahren wieder Aufschwung erlebte. Auch in Heiden wurde in den 1830er Jahren eine Druckerei aufgebaut. Die erste Buchdruckerei in Trogen wurde 1766 von Johann Ulrich Sturzenegger gegründet, 1828 folgte eine zweite Buchdruckerei im Dorf Trogen, welche die von Johannes Meyer herausgegebene Appenzeller-Zeitung druckte.

Autorin: Nina Sonderegger, Speicher

Literatur:

Muscheid-Simon, Katharina: Barchent. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS). Version vom 15.11.2005. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13959.php (25.01.2012).

Schläpfer, Walter: Pressegeschichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Das Zeitungswesen im Kanton Appenzell Ausserrhoden in seiner geschichtlichen Entwicklung mit einem Verzeichnis der den Kanton betreffenden Zeitungen und Zeitschriften. Herisau 1978, S. 45.

Schläpfer, Walter: Wirtschaftsgeschichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden bis 1939. Gais 1984, S. 24-29.

Wegelin, Peter (Hrsg.): Die Buchdruckereien der Schweiz. Mit erläuternden und ergänzenden Anmerkungen. Eine Gelegenheitsschrift, zur Feier des vierten Jubelfestes der Erfindung der Buchdruckerkunst, St. Gallen 1836, S. 83-87.

Transkription:

Seite 1

Vermehrtes/und zum theil
selbst=lehrendes
Rechenbuechlein/
Welches nicht allein denjenigen/so vor
vielen Jahren das Rechnen gelernet/und wieder
vergessen/sondern auch denen/so gar keinen
Anfang haben/sehr nutzlich und dienlich.

In dem ersten Theil/wird ausfuehrlich /wo es
die Noth erforder/beschriben/und gleichsam/
mit Fingeren darauf gezeigt/wie jedes zu machen/
und in die Regel zu setzen:
Im andern Theil aber/wird nur die Frag und
das Facit gesetzt.

Doch halten beyde Theil fuernemlich in isch/
was dem Kauff= und Handels=Mann nothwendig
zu wissen/durch Art der Regel detri Französischer und
Italienischer Practic gemacht/und beschriben/mit
vilen Exempeln aus den besten Authoren
vermehrt/und an Tag gegeben:
[Johannes] Durch [Schirmer]
Einen Liebhaber der loeblichen
Rechen=Kunst

Zufinden im Rehtobel bey Johannes Züricher.
Gedruckt im Jahr/1681.

Seite 2

An den Liebhaber der loeblichen
Rechen=Kunst.
Wann man auff jeden sehen will/
und niemand thun das sein/
So bleibt wol alles ligen still/
Es will gewaget seyn.
Nach der Gab/die mir Gott beschert/
hab ich gethan das mein/
Wilt haben/dass Kunst werd gemehrt/
So thu du das dein.

An die Jugend.
Das Rechnen in der gantzen Welt/
bey allen grosses Lob erhält/
Darumb sih zu/mein lieber Knab/
lass dich davon nicht wenden ab/
Es hat die/so es nicht veracht/
gar oft zu grossen Herzen gemacht.

Seite 3

Vorrede an den Günstigen
Leser.
Künftiger/lieber Leser: Auff
vieler guten Herzen und
Freunden Anersuchen und
Begehren/hab ich noch einen sehr
nutzlichen Theil diesem Rechenbuech=
lein zu geeignet und hinden angesetzt/
allwo nicht beschriben/wie es gerechnet
sol werden/sondern nur die Frag und
das facit gesetzt/weil ihrer viel der
meinung/die Jugend moechte zu ihrem
nachtheil viel abspicken/desswegen seye
nothwendig/dass von dem zehlen an
bis auff das letste Exempel/nur das
facit stande/und die Exempel denen im
ersten Theil nicht gleich seyen/damit
die Jugend gerrungen jedem nachzu=
sinnen/und wo sie dann anstehen sollten/
von ihren Lehrmeisteren Underrich=
tung nemmen/oder in Mangel der=
selben sich selbsten auss dem ersten theil
infor=

Seite 4

informieren könten/und insonderheit
sehen/wie man mit den Bruechen ver=
fahren/auch solche bey den Kaeuffen
hin und her fuehren/und setzen sol/wann
nur dieses wol in acht genommen und
observiert wird/bin ich versichert/dass die
Jugend oder die jenige/so insonder=
heit das rechnen vor vielen Jahren ge=
lernet/und wieder vergessen/Befoer=
derung und grossen Nutzen schaffen
werden.

Were am setzen oder drucken etwas
gefehlt oder verstossen (welches bald
geschehen kann) so seye der guthertzige
Leser gebetten/solches nicht uebel auss=
zudeuten/sonder so vil moeglich/ helffen
verthaetigen und zum besten ausslegen/
wünsche demnach allen Liebhaberen
dieser Kunst/von Gott dem Aller=
höchsten viel Glueck/Segen/
Heil/zeitliche und ewige
Wohlfahrt/Amen.

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gedruckt, Text, Bildung, Schule, Kunst, Rehetobel, Erwerbstätigkeit, Freizeit, Statistik

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