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Titel:

Terminzedel für Gottlieb Frischknecht aus Urnäsch

Thema: Wirtschaft

Ort: Urnäsch    (Karte anzeigen)

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Datum: 05.04.1910

Masse: 19 x 11,9 cm (zusammengefaltet)

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden

Urheber/-in: Gemeinderat Urnäsch

Beschreibung:

Beim vorliegenden Zedel handelt es sich um ein ausfaltbares Papierdokument mit vorgedruckten Beschreibungen, die mit handschriftlichen ergänzt worden sind. Die verschiedenen Arten von Zedeln waren das wichtigste Finanzierungsinstrument im Kanton Appenzell Ausserrhoden; es handelt sich bei ihnen um frei handelbare Grundpfandtitel mit fixem Zinssatz.
Auf der Innenseite des Dokuments ist das Wappen zu sehen, welches zeigt, dass es sich um ein offizielles Dokument handelt. Inhaltlich handelt es sich um einen Terminzedel, der für Gottlieb Frischknecht am 5. April 1910 ausgestellt wurde. Gemäss Definition eines Terminzedels musste das Kapital innert 10 Jahren zurückbezahlt werden – diese zeitliche Rückzahlungsfrist ist im Zedel für Gottlieb Frischknecht mit dem Zeitraum zwischen 1911-1923 sogar etwas länger. Im Dokument sind sämtliche Bedingungen des Vertrags festgehalten: der geschuldete Betrag, das Pfand, der Zins, die Rückzahlungsfrist etc. Am Ende des Dokuments, nach der Unterschrift des Urnäscher Gemeindehauptmanns und des Gemeindeschreibers, ist ein Papiersiegel der Gemeinde Urnäsch aufgeklebt, welches im Kreuz durchgeschnitten worden ist.

Geschichte:

Das Land Appenzell gehörte im Mittelalter zum Hohheitsgebiet des Fürstabtes von St. Gallen. Bis zum Jahr 1400 gibt es keine Anzeichen dafür, dass das Kloster St. Gallen für geliehenes Geld Zinsen bekommen hätte; die Einträge des Klosters ergaben sich vielmehr aus unterschiedlichen Feudallasten (von einem Untergebenen an seinen Herrn zu entrichtende Abgaben innerhalb eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses). Die fortschreitende Rodung des Waldes ergab für viele Appenzeller Lehensmänner immer höhere Einträge, welche es ihnen schliesslich ermöglichten sich loszukaufen und freie Bauern zu werden. Manche dieser Bodenkäufe mussten aber auch durch geliehenes Geld finanziert werden, in deren Folge die Gläubiger von den Schuldnern die Entrichtung eines jährlichen Zinses einzufordern begannen. Der Zins wurde oft auch in Form von Naturalien bezahlt.

Um das Jahr 1629 hatte sich ein arger Missbrauch und Wucher im Zinsbriefwesen entwickelt, was schlussendlich zu dessen Umgestaltung führte: Die appenzellischen Schillinggeld-Briefe hatten anfangs des 17. Jahrhunderts enorm an Wert verloren und, wenn die Schuldner einmal in der Lage waren, ihre Schillinggeld-Briefe abzulösen, mussten sie oftmals für die damals erhaltenen 40-60 Prozent die vollen Hundert erstatten. Die Gesetzgeber bestimmten deshalb, dass die Schuldner für das Hundert nicht mehr bezahlen mussten, als sie dafür erhalten hatten, weswegen künftig auch der erste Kaufpreis in den Zedel eingeschrieben werden sollte. Zudem wurden die maximalen Zinsfüsse gesetzlich festgelegt.

Die altrechtlichen Zedel blieben auch nach der Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) rechtsgültig. Da die „Laufzeit“ der Terminzedel begrenzt war, verschwanden diese innert kürzester Zeit nach der Einsetzung des ZGBs. Andere Zedel – besonders die liegenden – sind zum Teil bis heute in Kraft geblieben.

Autorin: Katharina Merian, Speicher

Chronologie:

Bis 1835 fanden sich Grundsätze des Grundpfandrechts sowie Vorschriften über die Errichtung der Zedel in den Landbüchern.

1835 wurde die Neuregelung des Zedelgesetzes, Pfandprotokolle eingeführt.

1853 wurde die Frankenwährung eingeführt.

1912 trat das schweizerische ZGB in Kraft: Es durften keine Zedel alten Rechts mehr entrichtet werden, die bereits ausgestellten blieben aber unbefristet rechtsgültig.

Literatur:

Ausserrhodische Gesetzessammlung 213.21. Gesetz über das Pfandrecht von Liegenschaften (Zedelgesetz) vom 30. April 1882.

Dubler, Anne-Marie: Feudallasten. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.08.2012. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8980.php (22.08.2012).

Hofstetter, Alfred: Die verschiedenen Arten des appenzellischen Zedels. In: Appenzellische Gemeinnützige Gesellschaft (Hrsg.): Appenzellische Jahrbücher. Trogen, Herisau 1895, S. 97-105.

Koller, Hs.: Der alte Appenzellerzedel und seine Besonderheiten. In: Appenzeller Tagblatt, 4. Juli 1975, S. 37.

Schefer, Johannes: Die historische Entwicklung des Appenzeller-Zedels. [S.l.] [S.a.]. KBAR, App b 1316.

Schläpfer, R.: Das appenzellische Zedelwesen: vor und nach dem Inkrafttreten des schweizerischen Zivilgesetzbuches. Vortrag, gehalten am 19. März 1931 im Hotel „Landhaus“ in Herisau anläßlich der Hauptversammlung des Haus= und Grundeigentümer=Verbandes Herisau. Rorschach 1931.

Witschi, Peter: Appenzell (Ausserrhoden). In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.09.2007. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7476.php (10.01.2012).

Zusatztexte:

Vier Arten von Zedeln (teilweise unterschiedliche Erklärungen in der Literatur):

1) Landrechtlich liegender Zedel: Es laufen zweiliegende Zinsen zu 5 Prozent mit, die ihrerseits nicht verzinst werden. Bei Abzahlung des Kapitals müssen 110 Prozent bezahlt werden. Liegend bedeutet für „ewige“ Zeiten errichtet.
2) Abzinsig liegender Zedel: Im Gegensatz zum landrechtlich liegenden Zedel läuft beim abzinsigen liegenden Zedel kein Zins auf.
3) Handwechselzedel: Abzahlbar innert 18 Monaten nach Verkauf des Unterpfandes
4) Terminzedel: (Meist) innert 10 Jahren zahlbar

5) Widerlegbriefe: Versicherungsbriefe für Vermögen von Ehefrauen und Kindern

Tags:

Urkunde, Wirtschaft, Urnäsch, Zedel, Zins, Schulden

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