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Titel:

Bericht des schweizerischen Konsuls in Barcelona über das Jahr 1872

Thema: Politik

Ort: Trogen    (Karte anzeigen)

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Datum: 14.03.1873

Standort: Schweizerisches Bundesarchiv

Urheber/-in: Hohl, Johann Ulrich

Beschreibung:

Der Bericht trägt das Datum 14. März 187[3], betrifft das Jahr 1872, umfasst sechs Seiten und ist im Schweizerischen Bundesblatt 3/44 (1873) erschienen.

Konsul Hohl fasst in diesem Bericht die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Ereignisse in Barcelona im Jahre 1873 zusammen. Nach einer scheinbaren Festigung der konstitutionellen Monarchie unter dem neu eingesetzten Regenten Amadeus I. begannen sich im Frühjahr carlistische Gruppen, die sich für die Wiedereinführung der absolutistischen Monarchie einsetzten, in den katalonischen Bergen zu formieren. Nach wenigen Wochen erstarkte die Bewegung merklich, unter anderem musste "die Eisenbahnlinie von Barcelona nach Zaragoza, die doppelte Linie von Barcelona nach Gerona [...] ihre Fahrt einstellen, weil die fanatischen Vertheidiger des Absolutismus jeden Tag die Schienen aufrissen und Brücken sprengten". Während des ganzen übrigen Jahres herrschte fast ohne Unterbruch Guerilla-Krieg, sodass "Barcelona mit dem übrigen Spanien zu Lande ganz oder theilweise abgeschnitten" war. Im Gegenteil zum vorangegangen Jahr (Stadtflucht auf Grund einer Gelbfieber-Epidemie) lösten diese Ereignisse in den wohlhabenden Gesellschaftssegmenten eine veritable Landflucht aus.

Auch wenn die kriegerischen Aktivitäten einen negativen Einfluss auf die katalonische Wirtschaft ausübten, sorgten gute Ernteerträge für einen gewissen Ausgleich. Aus der Schweiz wurden, wie in den vorangegangenen Jahren, in erster Linie Uhren und hochwertige Textilien importiert, neu aber auch kleinere Mengen Käse.

Geschichte:

Die politische Lage in Spanien spitzte sich im Jahre 1872 im Vergleich zum Vorjahr noch deutlich zu. Die Carlisten - welche sich für die Wiedereinführung der absolutistischen Monarchie einsetzten - ereilte eine Wahlschlappe, sodass sie zahlreiche der ehemals 90 Abgeordnetensitze verloren. Unter den Carlisten begann sich die Überzeugung zu etablieren, dass die Regentschaft Spaniens für sie nur noch durch Waffengewalt zu erreichen sei. Und so formierten sich im Frühjahr 1972 unter Carlos VII. in der spanisch-französischen Grenzregion Baskenland/Navarra carlistische Truppen. Eine erste grosse Schlacht im Mai 1872 in Navarra gegen die spanischen Regierungstruppen endete für die Aufständischen mit einer vernichtenden Niederlage. Kurz darauf entbrannten aber auch in Katalonien Unruhen, deren Feuer die Baskenregion erneut zu entflammen vermochte. In den folgenden Jahren wurde Spanien durch diesen dritten Carlistenkrieg und weitere Unruhen und Aufstände geprägt. Bis schliesslich Alfons XII. - ein Sohn von Isabella II. - die Carlisten im Februar 1876 zur Kapitulation zwingen und das Land wiedervereinen konnte.

Johann Ulrich Hohl - auch Juan genannt - wurde am 28.2.1833 in Trogen als Sohn des Textilfabrikanten und Landeszeugherrn Johann Jakob Hohl und der Elisabeth geb. Sturzenegger geboren. Nach dem Besuch der Kantonsschule in Trogen besuchte er die höhere Stadtschule in Lausanne und wurde anschliessend zum Weber ausgebildet. Durch die Vermittlung Salomon Zellwegers gelangte der junge Hohl zu diesem Zweck 1852 nach Barcelona, wo er kurze Zeit später das Geschäft seines ehemaligen Lehrmeisters übernahm. Acht Jahre später ehelichte er am 15. März 1860 Sophie Katharina Mösle aus Gais. In den folgenden Jahren erlangte Johann Ulrich Hohl als Kaufmann und Konsul (1865-1890) in Barcelona hohes Ansehen. Daneben war er ein engagiertes Mitglied der protestantischen Gemeinde und der Schweizerischen Hilfsgesellschaft in der spanischen Hafenstadt. Er setzte sich während seines gesamten Spanienaufenthaltes stark für die Kultusfreiheit der Protestanten ein und war stets seiner Heimat verbunden geblieben. Im Alter von nur 57 Jahren verstarb er während eines Besuchs im Appenzellerland am 15.8.1890 an einem Schlaganfall in der "Krone" in Trogen.

Neben Johann Ulrich Hohl waren zwischen 1800 und 1930 17 weitere Appenzeller im konsularischen Dienst der Schweiz tätig, und zwar als Konsuln, Vizekonsuln, General- oder Handelskonsuln in Asien (Batavia/Java, Manila/Philippinen), Amerika (St.Louis/USA, Mexiko-Stadt, Guadalajara/Mexiko, Valparaiso/Chile, Pernambuco/Brasilien, Bahia/Brasilien, Montevideo/Uruguay) und Europa (Tiflis/Russland, Genua, Lissabon, Lyon, Nizza, Budapest). Sie tragen Appenzeller Namen wie Altherr, Buff, Hohl, Preisig, Schläpfer, Sonderegger, Sutter, Zellweger und Zürcher (Liste bei Witschi, Appenzeller in aller Welt, S. 242). 

Autorin: Leandra Naef, Trogen

Chronologie:

1868 Sept. Abdankung Isabella II.

1868 - 1871 Übergangsregent General Francisco Serrano Dominquez

1870 Okt. - Dez. Gelbfieber-Epidemie in Barcelona

1871 Jan. Krönung Amadeus I. (Amadeus von Savoyen, Herzog von Aosta)

1872 Ausbruch des dritten Carlistenkrieges

1873 Feb. Abdankung Amadeus I.

1876 Feb. Kapitulation der Carlisten und Wiedervereinigung unter Alfons XII.

Literatur:

Fuchs, Thomas: Hohl, Johann Ulrich. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.02.2005. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D15075.php (19.08.2010)

Hohl, Johann Ulrich: Bericht des schweiz. Konsuls in Barcelona (Hrn. Johannes Hohl von Trogen) über das Jahr 1872. In: Bundesblatt 3/44 (1873), S. 902-908.

K., R.: Juan Hohl, Kaufmann und schweizerischer Konsul in Barcelona. In: Appenzellisches Jahrbuch (1891), S. 136-139.

Koller, Ernst H. und Signer, Jakob: Appenzellisches Wappen- und Geschlechterbuch. Bern 1926, S. 139f.

Valle-Inclán, Ramón Maria del: La guerra carlista. Madrid 1993.

Witschi, Peter: Appenzeller in aller Welt. Auswanderungsgeschichte und Lebensschicksale. Herisau 1994, S. 242.

 

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