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Titel:

Kleinwüchsige Leute in Oberegg

Thema: Leute

Ort: Oberegg    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1908

Masse: 14,9 x 10,5 cm

Standort: Barbara Duie-Züst, Bergstr. 17, 8712 Stäfa

Urheber/-in:

Beschreibung:

Postkarte aus dem Jahr 1908. Auf der Vorderseite das Dorf Oberegg mit dem renommierten Hotel Pension Bären und dem kleinwüchsigen Knaben Josef Anton, "Seppetoni", Leuch (1896-1975). Seppetoni und der Bären gehörten in der Blütezeit des Appenzeller Fremdenverkehrs zu den Attraktionen des Dorfes Oberegg. Der Bären wurde 1981 abgebrochen und an seiner Stelle ein Geschäftshaus mit den Büros der Bezirksverwaltung erstellt.

Geschichte:

Der lediglich 103 Zentimeter grosse Seppetoni Leuch wuchs auf der Heimat Ladern oberhalb des Dorfes Oberegg zusammen mit sieben (normalwüchsigen) Geschwistern auf. Nach dem Besuch der Primar- und Sekundarschule arbeitete er als Fädler in der Stickerei-Industrie. Als die Stickereikrise ausbrach, fand er Beschäftigung in einer Bürstenfabrik im benachbarten Schachen (AR). Täglich fuhr er mit einem eigens für ihn konstruierten Velo zur Arbeit. Abgesehen von seiner Statur war Seppetoni Leuch in jeder Beziehung normal entwickelt. Es heisst, er habe über gute Körperkraft, handwerkliche Geschicklichkeit und eine gehörige Portion Humor und Lebensmut verfügt. Den Lebensabend verbrachte er an der Rutlenstrasse in Oberegg und verstarb 1975 79-jährig an Herzschwäche.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machte eine ganze Reihe kleinwüchsiger Personen, allesamt im Bezirk Oberegg wohnhaft, über die Landesgrenzen hinaus von sich reden. Am bekanntesten waren die Geschwister Seppetoni (1868-1940) und Katharina Bischofberger (1869-1944). Sie lebten im Weiler Sulzbach im vielbesuchten Restaurant Falken, das seine Bekanntheit nicht zuletzt den beiden aussergewöhnlich kleinen Geschwistern verdankte. Das zweite Paar waren die nicht miteinander verwandten Seppetoni Leuch (1896-1975) und Emilia Locher (1900-1976). Und schliesslich gab es auch noch die Geschwister Monika, Lina und Leonie Schmid (geb. 1913, 1915, 1917). Sie spielten in Gaststätten im In- und Ausland Unterhaltungsmusik, waren allerdings in Rorschach aufgewachsen. Ob es sich bei dieser Häufung um eine zufällige Laune der Natur oder um lokal gehäufte genetische Vererbung handelte ist bis heute nicht ganz geklärt. Bemerkenswert ist, dass sich alle sieben trotz ihrer Behinderung recht gekonnt durchs Leben schlugen. Sie präsentierten sich durchaus bewusst in der Öffentlichkeit und lebten teilweise sogar von ihrer Popularität als "Zwerge".

Autor: Stephan Heuscher, Appenzell

Literatur:

Appenzeller Volksfreund, Nr. 102, 3. Juli 1975, S. 5

Neuer Appenzeller oder Häädler Kalender 107 (1973)

Appenzeller Zeitung, Nr. 234, 6. Oktober 1979, S. 6

Eggenberger, Peter: Früener und hütt. Heiden 1990, S. 18-25

Zusatztexte:

Aufsatz eines 15-jährigen Knaben namens Felix über Josef Anton Bischofberger (1869-1940), verfasst am 26. März 1925:

"Der 'Seppetöneli' ist ein Nachbar meines Grossvaters. Er ist ein kleines runzeliges Männchen. Seine Grösse beträgt 70cm, sein Alter ist 57 Jahre. Er betreibt mit seinen zwei Geschwistern eine Wirtschaft. Eines derselben, eine Schwester, ist nicht grösser als er, während das andere normal ist. Lustig ist's, wie der kleine Wirt seine Gäste bedient. Wenn man eintritt, so trippelt er eifrig an den Tisch, an den man sich setzt. Er frägt mit näselnder Stimme: "Was ist g'fellig?" Hat man ihm Bescheid gegeben, so holt er eilfertig einen Stuhl. Er stellt ihn an den Schrank. Dann klettert er hinauf, stellt sich auf die Zehenspitzen und holt die Gläser. Nimmt er Most- oder Biergläser, so hat er sie mit beiden Händen zu halten. Dann trägt er auf und wünscht einem unter beständigem Lächeln ein: "Zom Wohlsi!" Wenn ihn jemand zum Jassen einlädt, so ist er überglücklich, denn er liebt dieses Spiel sehr. Er ist ein leidenschaftlicher "Kärtler". Er versteht das Jassen aber auch meisterhaft. Um in gleicher Höhe mit seinen Partnern zu sein, stellt er einen Schemel auf den Stuhl und setzt sich darauf. Er hat tagtäglich sein Lieblingspfeifchen, ein Lindauerli, im Mund. Seine eigentliche Arbeit ist Rideaux [Vorhänge] ausschneiden, was er jetzt noch mit seiner Schwester betreibt. Er hat meiner Mutter erzählt: "Als ich mit dem richtigen Alter in die Schule ging, habe ich 19 Pfund gewogen." In der Schule war er immer einer der Vordersten."

Tags:

Fotografie, Leute, Bilddokument, Oberegg, Innerrhoden, Kleinwüchsigkeit, Seppetoni

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