Zeitzeugnisse

Drucken Alle Suchresultate Artikel davor Artikel danach

 

Bild

Titel:

Josefa Elisa Gmür gründet ein Damenschneiderinnen-Atelier

Thema: Leute

Ort: Appenzell    (Karte anzeigen)

Grössere Kartenansicht

Datum: --.--.1912

Masse: 8,9 x 13,8 cm

Standort: Theo Etter, Rosenböhleli 11, 9050 Appenzell Meistersrüte

Urheber/-in:

Beschreibung:

Damenschneiderinnen-Atelier von Josefa Elisa Gmür (1891-1975) im Haus zur Sonnenau, Rinkenbach, Appenzell, um 1912. In der Mitte an der Büste arbeitend die junge Geschäftsinhaberin, links an der Nähmaschine ihre Schwester Madlen Gmür (1897-1962), rechts die Mitarbeiterin Sophie Knechtle (1896-1969), die spätere Frau Bischof, genannt 'Falke Sophie'.

Geschichte:

Nach Abschluss der Primarschule in Vättis kam Josefa Elisa Gmür 1906 nach Appenzell, wo ihre verwitwete Mutter eine Anstellung hatte. Sie wohnte anfangs bei einer Familie Haas am Postplatz. Arbeit fand sie in der Bäckerei von Alois Fuchs an der Hauptgasse, schräg vis-à-vis der damaligen Kantonalbank, wo ihr späterer Ehemann Eduard Etter (1891-1969) arbeitete. 1908 durfte Elisa Gmür eine zweijährige Ausbildung als Damenschneiderin in Häggenschwil antreten, damals fast die einzige Berufslehre, welche für Mädchen gesellschaftlich akzeptiert war. 1910 kehrte sie nach Appenzell zurück. In der 'Sonnenau' am Rinkenbach richtete sie sich zusammen mit ihrer Mutter und Schwester eine Wohnung und, noch nicht 20-jährig, ein Atelier für Damenschneiderei ein. 1918 heiratete sie Eduard Etter, der ein Jahr zuvor zum Kassier und stellvertretenden Direktor der Innerrhoder Kantonalbank befördert worden war. Elisa Etter-Gmür selbst blieb noch bis etwa 1923 als Schneiderin berufstätig. Damals kaufte das Ehepaar von Maria Buschauer, Ziegelei, für 16'000 Franken das oberste Haus (Nr. 46) an der Bahnhofstrasse, wo es seine neun Kinder aufzog. Eines davon verstarb allerdings bereits im Säuglingsalter.

Als Bankangestellter legte Eduard Etter Wert darauf, auch im Privaten über alles Buch zu führen. Gleich nach der Hochzeit im August 1918 fing er ein Haushalts-Kassabuch an und führte dieses bis 1924 weiter. Das Buch hat sich erhalten und gibt uns einen kleinen Einblick in einen bürgerlichen Haushalt des frühen 20. Jahrhunderts. Namentlich kennen wir die Anschaffungspreise der Einrichtung im Nähatelier von Elisa Gmür. Die fussbetriebene Nähmaschine kostete 250 Franken, der Arbeitstisch 40 Franken und die Büste 25 Franken (um die historischen Geldbeträge mit den heutigen zu vergleichen, müssen sie entsprechend der Entwicklung des Konsumentenpreisindexes etwa mit sechs multipliziert werden.). Neben dem Nähzimmer verfügten Etters in ihrer ersten Wohnung über drei weitere Zimmer. Im Wohnzimmer befand sich u.a. ein Divan (300 Franken) sowie ein Tisch (150 Franken) mit acht Stühlen (je 15 Franken), im Elternschlafzimmer zwei Betten (je 55 Franken), ein Spiegelschrank (175 Franken) und eine Waschkommode (180 Franken). Im Kinderzimmer hatte Vater Etter seinen Stolz, ein eigenes Velo (200 Franken) untergebracht. Auffällig sind die hohen Beträge für Textilien. So führte Etter für Herrenbekleidung 900 Franken an, für Leibwäsche 2300 Franken und für Bettwäsche ebenfalls 2300 Franken.

Das Monatsgehalt von Eduard Etter als Bankkassier betrug 1918 265 Franken. Seine Frau erzielte monatlich einige hundert Franken Umsatz mit ihrer Schneiderei. Davon gingen etwa 100 Franken als Lohn an die Schwägerin Madlen Gmür. Damit die Frauen ihre Arbeit gut sahen, verfügten Etters bereits über elektrisches Licht. Im September 1918 bezahlten sie der Feuerschaugemeinde Appenzell für die Elektrizität acht Franken. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass die Familie in geordneten Verhältnissen lebte. Sichtbar sind Spareinlagen, die den Hauskauf von 1923 ermöglichten. Auch die Mutter von Elisa Etter-Gmür wurde unterstützt, bis sie 1921 verstarb. Und Etters liessen es sich auch gut gehen: Unterm 18. Dezember 1919 ist vermerkt "Franken 97.10 für Weihnachts- und Neujahrsgeschenke".

Autor: Stephan Heuscher, Gossau

Tags:

Appenzell Innerrhoden, Fotografie, Leute, Appenzell, Bildliche Darstellung, Bilddokument, Gewerbe, Erwerbstätigkeit, Bank, Damenschneiderei

Ähnliche Themen:

Fotografie Appenzell Bilddokument Appenzell Innerrhoden Leute Bildliche Darstellung Gewerbe Erwerbstätigkeit Bank Damenschneiderei