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Titel:

Appenzeller Alpenbitter erwirbt neues Betriebsgelände

Thema: Wirtschaft

Ort: Schwende    (Karte anzeigen)

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Datum: 04.04.1917

Masse: 28,1 x 21,6 cm

Standort: Landesarchiv Appenzell Innerrhoden, Sammlung Briefköpfe

Urheber/-in: Emil Ebneter & Co.

Beschreibung:

Korrespondenz der Firma Emil Ebneter & Co., Herstellerin des Appenzeller Alpenbitter, datiert 4. April 1917. Gegründet 1902 im Gebäude 'Konzerthalle' (Bezirk Appenzell), erwarb das Unternehmen 1916 das heutige Firmengelände an der Weissbadstrasse 27 (Bezirk Schwende) und liess dort eine Brennerei samt Gärräumen einrichten. Wohl noch im gleichen Jahr wurde frisches Briefpapier gedruckt, in dessen Briefkopf die Firmenerweiterung im Detail dargestellt ist. Im Zentrum die Brennerei mit Hochkamin, links das Gründungshaus und rechts das Wohnhaus an der Hauptgasse 41 in Appenzell (heute Raiffeisenkasse am Landsgemeindeplatz). Ebneter hatte das letztere Gebäude 1913 erworben und nutzte es, wie der Briefkopf zeigt, u.a. als Lagerraum für die in seinem Likör enthaltenen Kräuter. Darunter zum Vergleich ein älterer Briefkopf vom 25. Oktober 1913, welcher lediglich das Gründungshaus 'Konzerthalle' nebst dem Markenemblem und Einblicken in die Produktion zeigt. Wichtig war der Vermerk der Auszeichnungen, welche die Firma bereits gewonnen hatte (1907 Paris, 1911 Herisau, 1914 Bern) und der Hinweis auf die modernen Kommunikationsmittel, über welche die Firma bereits verfügte: Telegramm, Telefon (Nr. 26) und Postcheckkonto!

Geschichte:

Der Appenzeller Alpenbitter gehört wie das Appenzeller Bier oder die Appenzeller Biberli zu den Produkten, welche den bekannten Ortsnamen als Marketingmittel einsetzen. Hergestellt wird der populäre Kräuterschnaps von der Appenzeller Alpenbitter AG. Die im Bezirk Schwende beheimatete Firma wurde 1902 vom jungen Kaufmann Emil Ebneter (1883-1938) als Spirituosenhandlung gegründet. "Grichtschriebers Emil" war in Zürich und im Welschland ausgebildet worden und hatte erste Erfahrungen als Handelsreisender für Wein gemacht. Angeregt durch die im Appenzellerland wachsenden Heilkräuter fand er ein eigenes Rezept und liess dafür 1907 den Markennamen 'Appenzeller Alpenbitter' schützen. Zusammen mit seinem erst 19-jährigen Schwager Beat Kölbener (1889-1948) gründete er 1908 die Firma Emil Ebneter & Co. und nahm auf einer kleinen fahrbaren Brennerei die Produktion auf. Die Geschäftsräumlichkeiten befanden sich in der 'Konzerthalle', ein Gebäude, das von Kölbeners Vater 1876 als Stickfabrik erbaut worden war, seit 1889 aber als Restaurant mit Musikbetrieb gedient hatte. 1914 gewannen die beiden jungen Unternehmer an der Schweizerischen Landesausstellung für den Alpenbitter eine Goldmedaille. Der unternehmerische Schwung wurde jedoch schon wenig später durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gebremst.

Trotzdem erwarben Ebneter und Kölbener 1916 das Säge- und Hobelwerk von Johann Josef Hersche an der Weissbadstrasse, womit die Firma in den Besitz  ihres heutigen Betriebsgeländes gelangte. In der Sägerei wurde eine neue Dampfbrennerei mit Hochkamin erbaut und das Warenlager für die fertigen Produkte eingerichtet. So konnten nach dem Krieg neue Likörrezepte umgesetzt werden. Die Firma Ebneter stellte auch Edelbranntweine und Fruchtsirupe her und richtete eine Mosterei ein. Ende der 1920er-Jahre verfügte das Unternehmen bereits über eine ganzen Stab von Vertretern, welche die Produkte in Gaststätten und im Detailhandel vertrieben. 1938 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 360'000 Franken. 1943 konnten eine Pensionskasse sowie eine Firmenkrankenkasse für das Personal gegründet werden. Der wachsende Erfolg wurde auch durch die sogenannte Schnapsfälscheraffäre nicht in Frage gestellt. 1939 untersuchte die Bezirksanwaltschaft Zürich Betrugsfälle, in die mehrere Schweizer Spirituosenhersteller verwickelt waren. Es stellte sich indes rasch heraus, dass die Firma Ebneter mit solchen Machenschaften nichts zu tun hatte. Der Alpenbitter war und blieb eine unverfälschtes Getränk.

Der Aufschwung nach Kriegsende liess die Geschäftslokalitäten bald zu klein werden. Deshalb verliess die Firma die Konzerthalle sowie die Lagerkeller, Magazine und Büros, die sie im Verlaufe der Zeit in der näheren Umgebung gemietet hatte. Auf dem heutigen Firmengelände an der Weissbadstrasse entstand 1948 ein neuer Fabrikbau, der die Fabrikationskapazitäten wesentlich erweiterte. Der wachsende Erfolg rief indessen auch unliebsame Konkurrenten auf den Plan. Der Appenzeller Alpenbitter wurde in den fünfziger Jahren von einer Firma konkurrenziert, welche ihr Produkt 'Appenzeller Berggeist Bitter' nannte. Die Emil Ebneter AG zog den daraus resultierenden Markenrechtsstreit bis vor Bundesgericht und bekam schliesslich 1955 recht.

Autor: Stephan Heuscher, Appenzell

Literatur:

50 Jahre Emil Ebneter & Co. AG, Appenzell. Appenzell 1952

75 Jahre Emil Ebneter & Co. AG, Appenzell. Appenzell 1977

Signer, Jakob: Chronik der Appenzell Innerrhodischen Liegenschaften. In: Appenzellische Geschichtsblätter, Nr. 7, Dezember 1939, Nr. 21, November 1940 und Nr. 10, Mai 1945

Appenzeller Volksfreund, Nr. 56 vom 10. Mai 1928 und Nr. 59 vom 15. April 1948

Lehni, Felix Franz: Industrie in Appenzell Innerrhoden. Appenzell 1969 (Separatdruck aus dem Appenzeller Volksfreund, 20. Sept. 1969)

Tags:

Appenzell Innerrhoden, Fotografie, Wirtschaft, Bilddokument, Schwende, Industrie, Alpenbitter, Appenzeller

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