Zeitzeugnisse

Drucken Alle Suchresultate Artikel davor Artikel danach

 

Bild

Titel:

Holzstück vom Galgen in Trogen

Thema: Politik

Ort: Trogen    (Karte anzeigen)

Grössere Kartenansicht

Datum: --.--.1598

Masse: 20 x 70 x 6,5 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden

Urheber/-in:

Beschreibung:

Beim Holzstück handelt es sich wahrscheinlich um einen Teil des ehemaligen Galgens von Trogen. Auf dem Balkenstück ist die Jahreszahl 1598 eingeschnitten.

Geschichte:

Im Mittelalter wurden Strafen allgemein zur Vergeltung von Unrecht ausgesprochen, Todesstrafen dienten vor allem der Sühne und der Abschreckung. Langfristige Freiheitsstrafen gab es eher nicht, weil Zuchthäuser fehlten. Je nach Verbrechen, das mit der Todesstrafe gesühnt wurde, gab es andere Formen der Hinrichtung: Für Diebe wurde das entehrende Hängen gewählt, Mörder wurden gerädert, Brandstifter, Ketzer und Zauberer verbrannt. Weibliche Verurteilte wurde oftmals lebendig begraben oder ertränkt. Das Richten durch ein Schwert galt als privilegierte Todesstrafe.

Während der Aufklärung entstanden zunehmend Diskussionen über den Nutzen von harten Strafen; die Idee der präventiven Wirkung von Strafen wurde immer wichtiger. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen zwischenzeitlich auch wieder strengere Strafmassnahmen zum Zuge, bis die Bundesverfassung von 1848 die Todesstrafe für politische Vergehen abschaffte. War früher ein (erzwungenes) Geständnis für ein rechtskräftiges Urteil notwendig, so wich man später immer mehr davon ab und wertete dafür Indizienbeweise im Untersuchungsverfahren auf. Unterstützt wurde die ganze Entwicklung durch viele technische und methodische Verbesserungen in der Kriminalistik.

Nachdem die Bundesverfassung die Todesstrafe 1874 abgeschafft hatte, fand diese auch im ausserrhodischen Strafgesetz von 1878 keine Aufnahme mehr. Unmittelbar nach der Abschaffung wurde aber bereits schweizweit die Wiedereinführung verlangt, welche dann auch durchkam; Appenzell Ausserrhoden stimmte mit 6188 zu 4335 Stimmen zu. Damit war den einzelnen Kantonen das Recht zur Wiedereinführung der Todesstrafe gegeben. Schliesslich entschied sich aber eine sehr knappe Mehrheit an der Ausserrhoder Landsgemeinde von 1882 gegen die Wiedereinführung, wobei dieses Ergebnis erst in der 10. Abstimmungsrunde erzielt werden konnte.

Nach der Landteilung von 1597 musste ein neuer Hauptort für den Kanton Appenzell Ausserrhoden bestimmt werden. Trogen wurde Rathaus, Stock und Galgen zugesprochen: Stock (Halseisenstock) und Galgen stehen symbolisch für die Hohe Gerichtsbarkeit, unter der Schwerverbrecher verhandelt wurden, was oftmals mit einem Todesurteil endete. Im Trogner Dorfteil Gfeld – damals "Gfell" – wurde deshalb eine Richtstätte mit Galgen erbaut. Ein Pranger war am Trogner Rathaus am Landsgemeindeplatz angebracht.

Warum nimmt man an, dass das Balkenstück vom Trogner Galgen stammt, und wie ist es gefunden worden? Nach Aussage des ehemaligen Kantonsbibliothekars Walter Schläpfer (1914–1991, im Amt 1953-1986) stammt das Holzstück mit der Aufschrift 1598 von einem Balken, der im Sommer 1960 beim Abbruch des Hauses zum "Bühl" im Tenn gefunden wurde. Nach Aussagen von Herrn U. Schläpfer im Sand, der sich auf seinen verstorbenen Vater stützt, handelt es sich um ein Teilstück des im Jahre 1598 im Gfeld errichteten Galgens.

Autorin: Katharina Merian, Speicher

Chronologie:

1532 Inkraftsetzung der Constitutio Criminalis Carolina unter Karl V. (1500-1558), welche der Rechtsvereinheitlichung im Reich dienen und der richterlichen Willkür entgegenwirken soll; Folter wird aber trotzdem als Mittel der Geständniserzwingung legitimiert (nur geringe Anwendung der Carolina im Appenzellerland)

1848 Bundesverfassung: Abschaffung der Todesstrafe für politische Vergehen

1942 Eidgen. Strafgesetzbuch (StGB): Vereinheitlichung des Strafgesetzes in der ganzen Schweiz, definitve Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten

1992 Abschaffung der Todesstrafe im schweizerischen Militärstrafrecht

2002 Schweiz ratifiziert das Zusatzprotokoll Nr. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention "Zur Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen"; Engagement in dieser Sache auch im Rahmen der UNO

Literatur:

Dubler, Anne-Marie: Richtstätte. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 2.12.2009. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D45072.php (25.8.2010).

Gauch, Caroline: Strafen. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 3.12.2009. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D48699.php (25.8.2010).

Gschwend, Lukas und Mark Winiger: Die Abschaffung der Folter in der Schweiz. Zürich 2008 (Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 6).

Gschwend, Lukas: Todesstrafe. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 3.12.2009. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9617.php (25.8.2010).

Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II. Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau 1976, S. 29f. und 79-86.

Stapferhaus Lenzburg (Hrsg.): Strafen. Ein Buch zur Strafkultur der Gegenwart. Baden 2004.

Tags:

Politik, Recht, Trogen, Justiz, Todesstrafe, Richtstätte, Galgen

Ähnliche Themen:

Trogen Politik Recht Justiz Todesstrafe Richtstätte Galgen