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Titel:

Der Lebensreformer Ernst Ulrich Buff und die 4-L-Stiftung

Thema: Leute

Ort: Herisau    (Karte anzeigen)

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Datum: 13.07.1926

Masse: 27,5 x 21,8 cm

Standort: Staatsarchiv Appenzell Ausserrhoden, Pa.020-041

Urheber/-in: Ernst Ulrich Buff, 4-L-Stiftung (Lerne Lange Leidlos Leben)

Beschreibung:

Aufnahme des Inventars der von Ernst Ulrich Buff gegründeten 4-L-Stiftung bei deren Auflösung 1926. Aufgelistet sind Lebensmittel, wie zum Beispiel Nüsse, Früchte, Trockenfrüchte, Tees, Getreideprodukte, Öle, schliesslich Heilmittel wie Gemüse-Vitamin, 4-L-Heilerde, 4-L-Fluid sowie diverses Verpackungsmaterial, wie Fässer, Flaschen, Fläschchen, Büchsen und Kannen. Hinzu kamen mehrere Tausend Exemplare lebensreformerischer Schriften. Die Gesamtsumme des Inventars betrug knapp 11'000 Franken. In Bezug auf die Schriften notierte Ernst Ulrich Buff: „Für die Schriften wage ich nicht irgend einen Wert anzusetzen. Durch die Aufhebung der Stiftung sind sie kaum mehr mehr wert als was für Altpapier zum Einstampfen in die Papierfabrik bezahlt wird.“

Geschichte:

Ernst Ulrich Buff (1873-1931), Sohn des grössten Stickereiunternehmens im Herisauer Industriequartier Säge-Nieschberg, übernahm dank seiner kaufmännischen Ausbildung schon früh unternehmerische Verantwortung in der väterlichen Firma und wurde bereits in jungen Jahren in den Herisauer Gemeinderat gewählt. Beeinflusst von theosophischem Gedankengut, Naturheilkunde, Vegetarismus und den Idealen der Tessiner „Monte-Verità-Bewegung“ suchte der Jungunternehmer nach alternativen Lebensformen. 1907-1908 liess er durch den Kölner Baumeister H. Grunwald die Villa Nieschberg als „Gesundheitsbau für Leibes-, Seelen- und Geistkultur“ erbauen. Ein flaches, bewohnbares Dach mit beheizbarem Wintergarten bot die Möglichkeit zu Licht-, Sonnen-, Sand-, Wasser- und Regenbädern. Ein ausgeklügeltes Heiz- und Ventilationssystem sorgte für sauerstoffreiche Innenluft und eine Windturbine auf dem 40m hohen Treppenhausturm produzierte elektrische Energie für die Beleuchtung und die Lichtbäder. Die Fussböden wurden rot gestrichen, um den Blutkreislauf anzuregen, während die blauen Decken den Kopf beruhigen sollten. Naturböden in den Kellern boten direkten Kontakt mit dem Erdmagnetismus und schufen somit ideale Bedingungen für Erdbäder und die Lagerung von Obst und Gemüse. Buffs Lebenseinstellung stiess in seiner Umgebung weitgehend auf Unverständnis. Als der sogenannte „Barefödlebuff“ oder „barfüessig Heiland“ 1924 die 4-L-Stiftung nach dem Leitbild „Lerne lange leidlos leben!“ gründete, die er mit mehreren Grundstücken im Wert von 17'000 Franken ausstattete und mit der er die Verwirklichung einer christlichen gemeinnützigen Gemeinschaft anstrebte, wurde dies von seinen Zeitgenossen als Ungeheuerlichkeit wahrgenommen. So wurde er 1926 auf Drängen verschiedener Familienangehöriger und auf Betreiben der Bürgergemeinde Trogen unter Vormundschaft gestellt und die im Handelsregister eingetragene Stiftung behördlich aufgehoben. Noch im gleichen Jahr wanderte Ernst Ulrich Buff nach Brasilien aus, wo er fünf Jahre später in der Kolonie Hansa-Humboldt im Bezirk Santa Catharina starb.

Autorin: Kathrin Hoesli, Herisau

Chronologie:

1907-1908: Bau der Villa Nieschberg

1924: Gründung der 4L-Stiftung durch Ernst Ulrich Buff

1926: Bevormundung, Stiftungsauflösung und Auswanderung

Literatur:

Fuchs, Thomas: Vom Atheisten zum barfüssigen Heiland. In: Herisau. Geschichte der Gemeinde Herisau. Herisau 1999, S. 259.

Witschi, Peter: Appenzeller in aller Welt. Auswanderungsgeschichte und Lebensschicksale, Herisau 1994, S. 295-300.

StAAR, Mo.2 055 Baudokumentation Villa Nieschberg.

StAAR, Pa.20 Dokumentation Ernst Ulrich Buff.

Tags:

Herisau, Trogen, Verzeichnis, Stiftung, Gesundheit, Monte Verità, Villa Nieschberg, Ernst Ulrich Buff, Brasilien, Lebensreform, Auswanderung , Ernährung, Glaubensgemeinschaft

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